Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Kaminski rettet die Stuttgarter
Dank eines Treffers in der Nachspielzeit holt der VfB ein 1:1 bei 1860 München und ist nun Zweitligazweiter
MÜNCHEN - Am Ende konnte VfBTrainer Hannes Wolf erleichtert die Arme gen Himmel reißen. 92 Minuten lang hatten seine Stuttgarter bei 1860 München wie die sicheren Verlierer ausgesehen, ehe der Pole Marcin Kaminski den Aufstiegsaspiranten in der dritten Minute der Nachspielzeit mit seinem Tor zum 1:1 erlöste und doch noch einen Punkt sicherte.
Als die 26. Minute der Partie angebrochen war, hatte Wolf noch die Arme in die Hüfte gestemmt und starr aufs Spielfeld geblickt. Drei Tage zuvor hatte seine Mannschaft zu diesem Zeitpunkt gegen Dresden bereits drei Gegentore kassiert, nun konnte Wolf froh sein, dass es nur 0:1 stand. Dabei hatte der Trainer seinen Spielern eine klare Ansage mit auf den Weg gegeben: unbedingt auf die Defensive achten, mit zurücksprinten und damit leichte Gegentore vermeiden. Dies sei die Grundlage eines Sieges, auf den der VfB nun seit fünf Spielen wartet.
Die Mannschaft schien Wolf nicht wirklich verstanden zu haben. Ärgerlich zudem, dass ihr immer wieder Flüchtigkeitsfehler wie leichtfertige Fehlpässe unterliefen, die die kämpferischen Löwen jedoch nicht konsequent nutzten. „Wenn wir das Gefühl haben, dass Spieler nicht zurücksprinten, wird es eng“, hatte Wolf gesagt.
Von der neuen Marschrichtung war zunächst wenig zu sehen. Der VfB hatte Glück, nicht noch früher in Rückstand zu geraten, denn München hatte durch Kapitän Ivica Olic (2.) und Stefan Aigner (5.) gute Chancen. Kurz danach hatte Stuttgarts Torjäger Simon Terodde (10.) die Führung auf dem Fuß, wurde aber in letzter Sekun- de abgeblockt, ebenso wie Christian Gentner, der zwei Minuten später neben den Kasten von 1860-Schlussmann Stefan Ortega köpfte. Als sich der VfB gerade gefangen hatte, setzten die Löwen einen Konter. Alles schien in einer Slapstick-Nummer Romuald Lacazettes zu enden, der vor dem Strafraum strauchelte, fiel und den Ball vertändelte. Durch wildes Gestochere aber kam er in Tornähe wieder an die Kugel und schob eiskalt zur Führung ein.
Durch den Rückstand schien der VfB etwas aufgewacht zu sein, kombinierte sich durch Julian Green immer wieder vor den Strafraum, an dem allerdings meist Endstation war. Verunsichert und blockiert wirkte die Mannschaft im Duell der Bundesliga-Gründungsmitglieder vor 47 100 Zuschauern. München dagegen blieb mit Kontern immer gefährlich.
Nach der Pause änderte sich wenig. Die Löwen blieben bissiger, während dem VfB mit jeder Ballberührung die Beine schwerer zu werden schienen. Bei den wenigen Chancen (Gentner, 60., Benjamin Parvard, 80.) fehlte zudem das Glück. Dann kam die 93. Minute – und alles war vergessen. Kaminski ließ sich aus kurzer Distanz nicht zweimal bitten und setzte einen „Lucky Punch“zum Punktgewinn. „Wenn du immer wieder einem Rückstand hinterherlaufen musst, ist das nie einfach. Dann gibt es am Ende viel Zeitspiel, und das wurde heute dann auch bestraft“, sagte Terodde.
„Ein schwieriges Spiel“Wolfs Fazit fiel durchwachsen aus: „Die ersten paar Minuten waren nicht gut von uns. Wir haben uns dann stabilisiert, ohne dass wir ganz große Chancen hatten. Dann kassieren wir ein kurioses Gegentor – ein unglücklicher Moment. Sechzig hat viel verwaltet, wir hatten den Ball, haben aber keine klaren Situationen entwickelt, hatten mit der Brechstange aber Glück. Es war ein schwieriges Spiel.“Nach dem Wolf darüber nachdenken dürfte, ob die personellen Konsequenzen in der Abwehr, die nach dem Dresden-Spiel ausblieben, nicht doch erfolgen müssten.
Vor dem Anpfiff hatte es eine Hiobsbotschaft für den VfB gegeben: Carlos Manés Knieverletzung ist doch schlimmer als gedacht. Der Flügelstürmer, den in München Takuma Asano ersetzte, kommt um eine Operation nicht herum und fällt wohl für den Rest der Saison aus.
Die Löwen setzen derweil ihren Aufschwung unter Trainer Vitor Pereira fort und konnten ihrem Manager Ian Ayre, den sie mit dem LiverpoolEvergreen „You’ll never walk alone“begrüßten, zumindest ein kleines Willkommensgeschenk machen. Mehr war nicht drin, zum Leidwesen von Flügelstürmer Stefan Aigner: „Das ist total bitter. Was wir heute marschiert sind, was wir heute gelaufen sind – ich war schon in der Halbzeit fix und fertig“, stöhnte Aigner.