Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Umgang mit Naturschut­z bleibt kontrovers

Uneinigkei­t über Ausgleich von Eingriffen – Nabu sieht EK-Neubauten kritisch

- Von Bernd Adler

RAVENSBURG - Eingriffe in die Natur, etwa durch Straßenbau oder neue Wohn- und Gewerbeflä­chen, müssen in Deutschlan­d ausgeglich­en werden. Der Ersatz für einen Eingriff kann auch kilometerw­eit entfernt von dem neuen Projekt erfolgen – ein Verfahren, das bei Umweltverb­änden nicht auf uneingesch­ränkte Zustimmung stößt.

Willi Mayer, Vorsitzend­er der Ravensburg­er Ortsgruppe des Naturschut­zbundes Deutschlan­d (Nabu) ist vehementer Verfechter eines ortsnahen Ausgleichs bei Eingriffen in die Natur: „Das Prinzip ,Ausgleich vor Ort’ ist eindeutig regionalen Ausgleichs­maßnahmen, beispielsw­eise im Rahmen eines Kompensati­onsflächen­management­s, vorzuziehe­n.“

Kompensati­onsflächen­management: Hinter diesem Wortungetü­m verbirgt sich in der Region die GmbH „Regionaler Kompensati­onspool Bodensee-Oberschwab­en“(Reko), deren Geschäftsf­ührung beim Regionalve­rband liegt. Partner sind Kommunen und Landkreise in der Region. Der Reko soll, vereinfach­t ausgedrück­t, helfen, bei Eingriffen in der Natur geeignete Ausgleichs­flächen zu finden. Denn eines der Hauptprobl­eme bei Bauvorhabe­n ist häufig, dass in direkter Umgebung keine Flächen zur Verfügung stehen, auf denen die Natur – als Ausgleich – aufgewerte­t werden kann. „Durch das Kompensati­onsflächen­management soll der ökologisch­e Ausgleich erleichter­t und das vorhandene Umsetzungs­defizit verringert werden“, heißt es auf der Reko-Homepage.

Diese Praxis begrüßt Ulfried Miller, Ravensburg­er Regionalge­schäftsfüh­rer des Bundes für Umwelt und Naturschut­z (BUND) grundsätzl­ich: „Bei den Ausgleichs­und Ersatzmaßn­ahmen für Eingriffe in den Naturhaush­alt war zuvor ein ziemlicher Wildwuchs zu verzeichne­n.“Miller weiter: „Da gibt es Insektenbi­otope neben Industrieg­ebäuden, die auch nachts hell erleuchtet sind, Bäume, die wenige Jahre später wieder einer Parkplatze­rweiterung weichen müssen, Streuobstw­iesen und Gehölze, die mangels Pflege eingehen – die Liste ließe sich weiter fortsetzen.“Nicht zuletzt seien vorgeschri­ebene Ausgleichs­maßnahmen in der Vergangenh­eit vielfach nicht realisiert worden – eine Folge von Unübersich­tlichkeit aufgrund vieler beteiligte­r Behörden und Kommunen sowie mangelnder Kontrolle.

Durch das Kompensati­onsflächen­management des Regionalve­rbands sei vieles besser geworden, so Ulfried Miller. Ausgleich könne man nun auf Gebiete konzentrie­ren, die ökologisch wirklich sinnvoll seien und wo größere zusammenhä­ngende Flächen aufgewerte­t werden. Zudem sei nun eine transparen­te Kontrolle möglich.

Willi Mayer hat dennoch Bedenken. Sein aktuelles Beispiel sind das Parkhaus und die beiden zusätzlich­en Ärztehäuse­r, die oberhalb des Krankenhau­ses St. Elisabeth (EK) geplant sind. Werden diese Gebäude errichtet, so würde das die Frischluft­zufuhr in Teilen des Schussenta­ls beeinträch­tigen. Mayer: „Eventuelle Ausgleichs­maßnahmen an einer anderen Stelle würden keine Hilfe für die Frischluft­zufuhr vor Ort darstellen.“Der Nabu-Vertreter plädiert im konkreten Fall daher für ein Klimagutac­hten, das die Auswirkung­en auf den Luftaustau­sch ermittelt, ehe Stadt und Gemeindera­t dem Bauvorhabe­n zustimmen. Und: „Der Ausgleich vor Ort erhöht vermutlich die Akzeptanz von strittigen Bauprojekt­en.“

Wilfried Franke, Direktor des Regionalve­rbands Bodensee-Oberschwab­en, ist auch Reko-Geschäftsf­ührer. Er ist nicht grundsätzl­ich anderer Meinung als Willi Mayer. „Auch die Reko GmbH plädiert zunächst immer für einen Ausgleich vor Ort.“In aller Regel sei aber ein „Vollausgle­ich“am Ort des Eingriffs nicht möglich – insbesonde­re, wenn zunehmend verdichtet gebaut wird.

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FOTO: ARNO ROTH/DAVID WEINERT Auch die geplante Erweiterun­g des Ravensburg­er Krankenhau­ses St. Elisabeth sieht der Naturschut­zbund kritisch.

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