Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Umgang mit Naturschutz bleibt kontrovers
Uneinigkeit über Ausgleich von Eingriffen – Nabu sieht EK-Neubauten kritisch
RAVENSBURG - Eingriffe in die Natur, etwa durch Straßenbau oder neue Wohn- und Gewerbeflächen, müssen in Deutschland ausgeglichen werden. Der Ersatz für einen Eingriff kann auch kilometerweit entfernt von dem neuen Projekt erfolgen – ein Verfahren, das bei Umweltverbänden nicht auf uneingeschränkte Zustimmung stößt.
Willi Mayer, Vorsitzender der Ravensburger Ortsgruppe des Naturschutzbundes Deutschland (Nabu) ist vehementer Verfechter eines ortsnahen Ausgleichs bei Eingriffen in die Natur: „Das Prinzip ,Ausgleich vor Ort’ ist eindeutig regionalen Ausgleichsmaßnahmen, beispielsweise im Rahmen eines Kompensationsflächenmanagements, vorzuziehen.“
Kompensationsflächenmanagement: Hinter diesem Wortungetüm verbirgt sich in der Region die GmbH „Regionaler Kompensationspool Bodensee-Oberschwaben“(Reko), deren Geschäftsführung beim Regionalverband liegt. Partner sind Kommunen und Landkreise in der Region. Der Reko soll, vereinfacht ausgedrückt, helfen, bei Eingriffen in der Natur geeignete Ausgleichsflächen zu finden. Denn eines der Hauptprobleme bei Bauvorhaben ist häufig, dass in direkter Umgebung keine Flächen zur Verfügung stehen, auf denen die Natur – als Ausgleich – aufgewertet werden kann. „Durch das Kompensationsflächenmanagement soll der ökologische Ausgleich erleichtert und das vorhandene Umsetzungsdefizit verringert werden“, heißt es auf der Reko-Homepage.
Diese Praxis begrüßt Ulfried Miller, Ravensburger Regionalgeschäftsführer des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND) grundsätzlich: „Bei den Ausgleichsund Ersatzmaßnahmen für Eingriffe in den Naturhaushalt war zuvor ein ziemlicher Wildwuchs zu verzeichnen.“Miller weiter: „Da gibt es Insektenbiotope neben Industriegebäuden, die auch nachts hell erleuchtet sind, Bäume, die wenige Jahre später wieder einer Parkplatzerweiterung weichen müssen, Streuobstwiesen und Gehölze, die mangels Pflege eingehen – die Liste ließe sich weiter fortsetzen.“Nicht zuletzt seien vorgeschriebene Ausgleichsmaßnahmen in der Vergangenheit vielfach nicht realisiert worden – eine Folge von Unübersichtlichkeit aufgrund vieler beteiligter Behörden und Kommunen sowie mangelnder Kontrolle.
Durch das Kompensationsflächenmanagement des Regionalverbands sei vieles besser geworden, so Ulfried Miller. Ausgleich könne man nun auf Gebiete konzentrieren, die ökologisch wirklich sinnvoll seien und wo größere zusammenhängende Flächen aufgewertet werden. Zudem sei nun eine transparente Kontrolle möglich.
Willi Mayer hat dennoch Bedenken. Sein aktuelles Beispiel sind das Parkhaus und die beiden zusätzlichen Ärztehäuser, die oberhalb des Krankenhauses St. Elisabeth (EK) geplant sind. Werden diese Gebäude errichtet, so würde das die Frischluftzufuhr in Teilen des Schussentals beeinträchtigen. Mayer: „Eventuelle Ausgleichsmaßnahmen an einer anderen Stelle würden keine Hilfe für die Frischluftzufuhr vor Ort darstellen.“Der Nabu-Vertreter plädiert im konkreten Fall daher für ein Klimagutachten, das die Auswirkungen auf den Luftaustausch ermittelt, ehe Stadt und Gemeinderat dem Bauvorhaben zustimmen. Und: „Der Ausgleich vor Ort erhöht vermutlich die Akzeptanz von strittigen Bauprojekten.“
Wilfried Franke, Direktor des Regionalverbands Bodensee-Oberschwaben, ist auch Reko-Geschäftsführer. Er ist nicht grundsätzlich anderer Meinung als Willi Mayer. „Auch die Reko GmbH plädiert zunächst immer für einen Ausgleich vor Ort.“In aller Regel sei aber ein „Vollausgleich“am Ort des Eingriffs nicht möglich – insbesondere, wenn zunehmend verdichtet gebaut wird.