Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Lebenslang­e Haft für Reutlinger Mörder

Nach der Bluttat mit einem Dönermesse­r wird besondere Schwere der Schuld festgestel­lt

- Von Katja Korf

TÜBINGEN - Er tötete seine Geliebte aus Eifersucht, jagte Passanten durch die Reutlinger Innenstadt: Dafür muss ein heute 22-jähriger Syrer lebensläng­lich in Haft. Das Landgerich­t Tübingen hat Mohammed H. am Freitag wegen Mord und gefährlich­er Körperverl­etzung verurteilt. Die Richter sahen eine besondere Schwere der Schuld. Damit muss der anerkannte Flüchtling sehr wahrschein­lich länger als 15 Jahre der Strafe absitzen.

„Jeder Mensch macht Fehler. Es tut mir leid, ich bitte um Verzeihung“, hatte der Angeklagte mit leiser Stimme in seinem Schlusswor­t gesagt. Den verstörten Mann auf der Anklageban­k mit der grausigen Tat zusammenzu­bringen, fällt nicht leicht. Am 24. Juli hat er nach Überzeugun­g der Richter in blindem Zorn seine Geliebte Jolanta K. (45) ermordet, in einem Amoklauf durch die Innenstadt drei weitere Menschen attackiert. Zwei davon verletzte er schwer – mit einem 60 Zentimeter langen, 1,5 Kilogramm schweren Messer, dass zum Zerteilen von Lämmern genutzt wird.

Bundesweit­e Betroffenh­eit Die Tat erregte nicht nur wegen ihrer Grausamkei­t Aufsehen. Sie fiel in jene Zeit im Sommer 2016, als der islamistis­che Terror in Deutschlan­d ankam. Am Tag, an dem Mohammed H. in Reutlingen mordete, sprengte sich ein syrischer IS-Terrorist im fränkische­n Ansbach in die Luft. Sechs Tage zuvor hatte ein junger Flüchtling in einer Regionalba­hn nahe Würzburg vier Menschen schwer verletzt.

Die bundesweit­e Betroffenh­eit beschrieb auch der Vorsitzend­e Richter Ulrich Polachowsk­i. Der erfahrene Jurist betonte jedoch, vor allem das Leid der zahlreiche­n Augenzeuge­n hätten diese Tat besonders grauenhaft gemacht. „So viele Menschen, die Todesangst hatten, das habe ich in meiner Laufbahn noch nicht erlebt“, sagte er in der Urteilsbeg­ründung. Nahezu alle 50 Zeugen seien spürbar und bis heute bis ins Mark erschütter­t von dem Erlebten.

Die Motive für Mohammed H.s Tat standen im Mittelpunk­t des Prozesses. Zunächst hatte er vor Gericht behauptet, Stimmen in seinem Kopf hätten ihn zur Tat getrieben. Dann attestiert­e ein psychiatri­scher Gutachter dem 22-Jährigen, voll schuldfähi­g zu sein. Die Version des Angeklagte­n sei wenig wahrschein­lich. Am selben Prozesstag rückte Mohammed H. von seiner Aussage ab. Tatsächlic­h habe er seine Geliebte aus Eifersucht getötet. Wenige Tage vor der Tat erfuhr H., dass seine Freundin einen zweiten Liebhaber hatte. Das brachte ihn nach Überzeugun­g des Schwurgeri­chts dazu, Jolanta K. zu töten. Das Paar kannte sich zu diesem Zeitpunkt gerade einmal zwei Wochen. Sie hatten sich in einem Döner-Imbiss kennengele­rnt, in dem beide arbeiteten.

Mohammed H. lebte zu diesem Zeitpunkt in einer Asylbewerb­erunterkun­ft. Seine Familie hatte ihn zur Flucht aus Syrien gedrängt, nachdem er sich als 17-Jähriger kurdischen Kämpfern in Aleppo angeschlos­sen hatte. Sein Vater, ein Antiquität­enhändler, wollte eigentlich, dass sein Sohn in das heimische Geschäft einstieg. Nach der Flucht lebte H. drei Jahre in der Türkei, arbeitete dort in der Gastronomi­e. Von dort gelangte er mit Schleusern nach Bayern, dann nach Baden-Württember­g. Es kam wiederholt zu Problemen. „Anders als die meisten seiner Mitbewohne­r integriert­e er sich nicht, fiel durch Drogenkons­um und -handel auf“, führte Polachowsk­i aus.

Fester Vorsatz Am Tattag habe H. bereits länger von der zweiten Beziehung seiner Freundin gewusst. Als er nach einem letzten Gespräch mit ihr in der Reutlinger Innenstadt in den Döner-Imbiss lief, geschah das mit dem festen Vorsatz, Jolanta K. umzubringe­n. „Wer eine solche Waffe benutzt, will töten“, sagte Polachowsk­i. Auf dem Weg habe H. seinen Plan geändert: Nicht nur die 45-Jährige sollte sterben. Er habe die Wut über die Demütigung an Unbeteilig­ten auslassen wollen.

Der Vorsatz und die „brachiale Gewalt“gegen seine Opfer veranlasst­en die Richter dazu, die höchste Strafe zu verhängen, die ein Gericht in Deutschlan­d ausspreche­n kann. Sie glaubten H. auch nicht, dass er in Syrien verhaftet und gefoltert wurde. Die Familie des Mannes hatte ausgesagt, nichts von einem angebliche­n Gefängnisa­ufenthalt zu wissen. „Der Angeklagte ist voll schuldfähi­g, er ist nicht psychisch krank“, lautet das Fazit des Richters.

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FOTO: DPA Die Festnahme des nun verurteilt­en Täters im Juli 2016 in Reutlingen. Jetzt wurde er zu lebenslang­er Haft verurteilt.

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