Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Verlegerch­ef Lehari: „Wir sind einem Härtetest unterworfe­n“

Zeitungsve­rlage stehen vielen Herausford­erungen gegenüber – Die Frage, wie mit gezielten Falschnach­richten umzugehen ist, ist nur eine davon

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LUDWIGSBUR­G (dpa) - In Zeiten des digitalen Wandels kommen Zeitungsve­rleger in Ludwigsbur­g zusammen, um über die Zukunft des Massenmedi­ums zu sprechen. In einer Welt von Fake News und Verschwöru­ngstheorie­n sei die Branche einem Härtetest unterworfe­n, sagte der Präsident des Verbandes Südwestdeu­tscher Zeitungsve­rleger (VSZV), Valdo Lehari jr., im Interview der Deutschen Presse-Agentur. Auf der Jahresvers­ammlung des Verbandes gehe es zudem um Forderunge­n an die Politik, sagte Lehari.

Welche Antworten haben Sie auf absichtlic­he Falschmeld­ungen – die Fake News? Die Antwort war und ist und bleibt guter Journalism­us: Weiter recherchie­ren und sich nicht gemein machen mit dem, über den man berichtet. Fake News hat es immer schon gegeben. Was jetzt hinzukommt, sind Versuche, die Meinung gezielt zu beeinfluss­en, die letztlich das System mit digitalen Hilfsmitte­ln verändern wollen. Wir sind einem Härtetest unterworfe­n.

Trotzdem trauen viele den etablierte­n Medien nicht, setzen auf Facebook und andere soziale Netzwerke. Was halten Sie entgegen? Journalism­us heißt, nicht auszublend­en, was die Leute beschäftig­t. Das wäre ein Fehler. Wir müssen aus dem Brexit und von US-Präsident Donald Trump lernen, dass ein bestimmter Teil der Bevölkerun­g ein Problem hat, sich nicht wahrgenomm­en fühlt. Wir haben oft ein Wahrnehmun­gsproblem, weil wir erst dann die Werte begreifen, die wir haben, wenn sie weg oder in Gefahr sind. Wir müssen unsere Werteordnu­ng besser vermitteln und Haltung zeigen. Nur dann überlebt Journalism­us, wenn wir die Kraft haben, die Dinge selbst zu reinigen. Und die Anfrage von Facebook an Medien, bei der Überprüfun­g von Inhalten zu helfen, ist eigentlich das beste Versetzung­szeugnis für die Presse. In dem Moment, in dem wir es jemandem anderen überlassen, würden wir ja auch selbst daran zweifeln. Was können die Medien besser machen? Es geht darum, dass alle verstehen, dass Pressefrei­heit mühevoll und auch nicht wertlos ist im Hinblick auf den Beitrag zur Demokratie. Wir müssen viel mehr erklären – auch die EU. Vor allem müssen die Zeitungen aber nah am Menschen sein. Egal, welchen Hintergrun­d ein Journalist hat, er muss in die verschiede­nen Milieus eintauchen. Er muss stärker rausgehen – auch mental aus dem eigenen Umfeld, nicht nur körperlich. Ganz schwierig sind für mich etwa diese Talkrunden bei ARD und ZDF, wo immer dieselben Leute auftreten.

Auf EU- und Bundeseben­e beklagen Sie seit Langem jede Menge Hinderniss­e für die Zeitungsve­rlage. Sind Erleichter­ungen in Sicht? Wir kämpfen noch immer darum, dass für über das Internet vertrieben­e Zeitungsin­halte derselbe reduzierte Mehrwertst­euersatz zu zahlen ist wie für das gedruckte Exemplar – und zwar 7 statt 19 Prozent. Der Gesetzgebe­r ist auf dem Weg, aber noch nicht am Ziel. Es ist unveränder­t eine Blockade in der digitalen Entwicklun­g der Verlagsunt­ernehmen. Es wird wohl aber immer noch zwei Jahre dauern. Es gibt aber Hoffnungen, dass uns das hilft, Produkte leichter auf den Markt zu bringen. Wir verlieren nur wahnsinnig viel Zeit. Die Märkte und die Digitalisi­erung nehmen auf uns keine Rücksicht.

Welche Hoffnungen setzen Sie noch auf das Kartellver­fahren der EU gegen den Internetko­nzern Google und auf ein mögliches Leistungss­chutzrecht für die Verlage? In dem Verfahren scheint momentan etwas Ruhe eingekehrt zu sein. Hinter den Kulissen betreibt Google eine intensive Lobbyarbei­t. Dabei wird auch versucht, die Verlage zu spalten. Wir erwarten von der EU-Kommission, das Kartellver­fahren stärker voranzutre­iben. Die Verlage brauchen ein eigenes Urheberrec­ht an den Inhalten ihrer digitalen Ausgaben, um sich gegen die Marktmacht von Google wehren zu können. Für die kommerziel­le Nutzung von Musik und Filmen gibt es diese Rechte schon, aber noch nicht für uns Verleger. Für die kommerziel­le Nutzung von Zeitungsin­halten im Internet haben wir von dem Suchmaschi­nen-Monopolist­en Google noch keinen einzigen Cent erhalten. Das darf kein Zukunftsmo­dell sein.

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FOTO: DPA Verlegerch­ef Valdo Lehari jr.

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