Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
In den Fußstapfen von George W. Bush
Donald Trump ordnet Bestrafung des syrischen Präsidenten Assad an – und klingt dabei wie der 43. US-Präsident
WASHINGTON - Es ist Donnerstagabend gegen zehn, als US-Präsident Donald Trump in Mar-a-Lago an ein Rednerpult mit dem Weißkopfadlerwappen tritt. Er liest vom Teleprompter, kein einziges Mal weicht er ab vom vorbereiteten Text, was sonst nicht seine Art ist. Als ihm die Reporter Fragen zurufen, ignoriert er sie. Donald Trump, der schrille Entertainer des Wahlkampfs, ist in dieser Stunde die Ernsthaftigkeit in Person. Er muss nicht nur einen Militärschlag in Syrien begründen, sondern auch eine Kehrtwende.
Baschar al-Assad und den „Islamischen Staat“zeitgleich ins Visier zu nehmen, das wäre idiotisch, hatte er noch vor Monaten gesagt. Es war ein typischer Satz für einen Präsidentschaftskandidaten, der in nahöstlichen Potentaten Stabilitätsfaktoren sah, jedenfalls keine Störfaktoren, denen Amerika Paroli bieten musste. Was er in der Nacht zum Freitag verkündet, ist das Gegenteil.
Grausam ermordet Assad habe das Leben hilfloser Männer, Frauen und Kinder ausgelöscht, sagt Trump in seinem Club. „Selbst wunderschöne Babys wurden grausam ermordet bei dieser barbarischen Attacke. Kein Kind Gottes sollte je solche Schrecken erleiden.“Er habe einen gezielten Schlag gegen eine Luftwaffenbasis in Syrien angeordnet, sagt Trump. Es liege im nationalen Interesse der USA, von der Verbreitung und Anwendung chemischer Waffen abzuschrecken. Vorangegangene Versuche, Assads Verhalten zu ändern, seien „sehr dramatisch gescheitert“.
Es folgen Kostproben jenes Sendungsbewusstseins, wie man es eher mit einem George W. Bush verbindet, nicht aber mit dem ebenso populistischen wie ideologiefreien Milliardär aus New York. Solange Amerika für Gerechtigkeit einstehe, liest Trump vom Teleprompter, sei zu hoffen, dass Frieden und Harmonie am Ende die Oberhand behalten. Kurz darauf gibt das Pentagon erste Kamerabilder frei. Sie zeigen: einen Feuerball, die Silhouette eines Kriegsschiffs, sekundenlang erhellt durch den Lichtblitz.
Laut dem Verteidigungsministerium wurden von zwei im östlichen Mittelmeer kreuzenden Zerstörern 59 Cruise Missiles abgefeuert. Sie hätten auf der Luftwaffenbasis alShayrat Flugzeuge, Flugzeughallen, Benzintanks, Munitionslager und Radaranlagen getroffen, heißt es. Russland sei vorab informiert worden. Man habe darauf geachtet, keine Bereiche des Stützpunkts ins Visier zu nehmen, in denen man russisches Militär vermutet habe.
Wie die Entscheidung zum Angriff fiel, haben Rex Tillerson und Herbert Raymond McMaster, der Außenminister und der Sicherheitsberater des Präsidenten, noch in der Nacht skizziert. Demnach begann es am Dienstag mit schockierenden Fernsehaufnahmen von der Chemiewaffenattacke im Norden Syriens. Trump, heißt es, habe sich rasch entschlossen, Assad dafür zu bestrafen. Am Mittwoch ließ er ad hoc den Nationalen Sicherheitsrat tagen, um drei Varianten eines Militärschlags durchzugehen. Am Donnerstagnachmittag flog Trump nach Florida, wo in Mar-a-Lago, seinem exklusiven Strandclub, Gespräche mit dem chinesischen Präsidenten Xi Jinping auf dem Programm standen. Dort fielen nach nochmaliger Beratung im kleinen Kreis dann die Würfel.
Folgt man der offiziellen Darstellung, entschied sich der US-Präsident unter den zur Debatte stehenden Angriffsszenarien für dasjenige mit dem geringsten Eskalationsrisiko. In erster Linie, zitiert die „New York Times“einen Ministerialbeamten, sei es um eine symbolische Botschaft an Assad gegangen: Die USA würden sich militärischer Gewalt bedienen, falls der Diktator zu Giftgas greife.
Je öfter man versäume, auf den Einsatz chemischer Waffen zu reagieren, „umso mehr normalisieren wir ihren Gebrauch“, sagt dazu der Chefdiplomat Tillerson. Es ist eine Anspielung auf die rote Linie, die Barack Obama 2013 zog und dann ignorierte, als er Assad zu stoppen versuchte, ohne in den syrischen Bürgerkrieg hineingezogen zu werden.
Es ist Tillerson, den Trump in den Stunden nach dem Angriff in den Vordergrund schiebt, nachdem die Öffentlichkeit den eher wortkargen Texaner bisher kaum wahrgenommen hatte. Nächste Woche fliegt der frühere Chef des Ölkonzerns Exxon Mobil, in Russland bestens vernetzt, in heikler Mission nach Moskau.
Wladimir Putin hatte ihm einst den „Orden der Freundschaft“verliehen, und ursprünglich sollte der Besuch wohl den Beginn einer Tauwetterphase markieren. Es sollte eine Art Ersatz sein für den oft beschworenen Gipfel mit dem russischen Präsidenten, den Trump einstweilen vor sich her schiebt, nachdem er im Wahlkampf Lobeshymnen auf Putin gesungen hatte. Nun wird sich Tillerson in Schadensbegrenzung üben.
In Mar-al-Lago redet der schwergewichtige Mann Tacheles, vielleicht auch, um den Vorwurf zu großer Nähe zum Kreml zu entkräften. Er erinnert daran, dass sich Moskau 2013 verpflichtete, auf die komplette Vernichtung des syrischen Chemiewaffenarsenals zu achten. Dieser Verantwortung, sagt er, sei es nicht gerecht geworden. „Entweder ist Russland Komplize, oder Russland ist einfach nicht fähig, zu liefern.“