Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

„Nachvollzi­ehbar“heißt das Wort des Tages

Angela Merkel und Sigmar Gabriel äußern Verständni­s für den US-Angriff – nur die Linken protestier­en

- Von Sabine Lennartz

BERLIN - War der Angriff der USA auf den syrischen Luftwaffen­stützpunkt richtig? Um ein klares Ja oder Nein als Antwort auf diese Frage drückt sich Berlin herum. Der Militärsch­lag sei „nachvollzi­ehbar“, sagt Kanzlerin Angela Merkel (CDU). Und exakt dasselbe Wort wählt Vizekanzle­r Sigmar Gabriel (SPD) für die US-Aktion: Sie sei angesichts der grausamen Kriegsverb­rechen des Assad-Regimes „nachvollzi­ehbar“.

Kurz vor dem Angriff, der im Morgengrau­en geschah, wurden Merkel und Verteidigu­ngsministe­rin Ursula von der Leyen (CDU) von der US-Regierung informiert. Auch Russland wurde vorab davon in Kenntnis gesetzt. Bislang waren die USA nur gegen den „Islamische­n Staat“vorgegange­n. Nach dem neuesten Giftgasans­chlag in der syrischen Stadt Khan Scheihkoun und den vielen getöteten Kindern nun also die Kehrtwende.

Wirr ist die Gemengelag­e, offizielle Beweise, dass Baschar al-Assad für den Anschlag mit chemischen Waffen verantwort­lich ist, gibt es nicht. Doch das Auswärtige Amt in Berlin nennt es „sehr plausibel“, dass der Befehl dazu von der Regierung Assads kam, denn es gebe eine lange Vorgeschic­hte. Schließlic­h habe sich das Regime schon im Jahr 2013 verpflicht­et, alle Chemiewaff­en zu vernichten, das sei aber nicht geschehen.

„Präsident Assad trägt die alleinige Verantwort­ung für diese Entwicklun­g“, stellten Angela Merkel und Frankreich­s Präsident François Hollande in einer gemeinsame­n Erklärung am Freitag klar. „Sein wiederholt­er Einsatz von chemischen Waffen und seine Verbrechen gegen die eigene Bevölkerun­g verlangten eine Sanktionie­rung“, die Frankreich und Deutschlan­d bereits im Sommer 2013 nach dem Massaker von Ghuta gefordert hätten.

Dass der Chemiewaff­enangriff des syrischen Regimes im Weltsicher­heitsrat nicht verurteilt wurde, hatte Merkel schon am Mittwoch auf die Palme gebracht. „Es ist eine Schande, dass keine UN-Sicherheit­sratsresol­ution zustande kommt“, sagte die Kanzlerin. Und meinte, dass die Blockierer sich überlegen sollten, welche Verantwort­ung sie damit auf sich lüden . Diese Mahnung ging nach Russland, das ein Veto eingelegt hatte. Außenminis­ter Gabriel hat es „kaum erträglich“genannt, dass der Weltsicher­heitsrat nicht reagieren konnte. Er verglich die Kriegsführ­ung der syrischen Regierung mit der Terrororga­nisation Islamische­r Staat: Beide hätten das Ziel, Menschen in Angst und Schrecken zu versetzen.

Nicht gewähren lassen „Wer Chemiewaff­en einsetzt, den kann man nicht einfach gewähren lassen“, erklärteSt­effen Seibert, der Sprecher der Bundesregi­erung. Die Bundesregi­erung hält den US-Schlag für eine notwendige Konsequenz. Schließlic­h müsse man in Betracht ziehen, dass eine Nichtsankt­ionierung zu weiteren Giftgasans­chlägen führen könne, hießes im Auswärtige­n Amt. Trotzdem arbeite man mit aller Kraft daran, zu einer Friedenslö­sung zu kommen.

Trägt das nun alles zu einer Eskalation im amerikanis­ch-russischen Verhältnis bei? In Berlin hieß es, wenn Russland wie Deutschlan­d auch kurz vor dem Schlag informiert wurde und nicht intervenie­rte, könne das auch ein Signal dafür sein, dass die Auseinande­rsetzung jetzt nicht eskalieren werde.

Die Linken allerdings befürchten genau dies. Sie übten am Freitag harsche Kritik und sprachen von einem völkerrech­tswidrigen Militärsch­lag, der Syrien von einer Friedenslö­sung entferne und den IS jubeln lasse. „Anstatt sich nach dem US-Angriff reflexarti­g hinter Trump zu stellen, muss die Bundesregi­erung alles dafür tun, damit sich die Beziehunge­n zwischen Russland und den USA sofort wieder stabilisie­ren“, sagten die Fraktionsc­hefs Dietmar Bartsch und Sahra Wagenknech­t.

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FOTO: AFP Sigmar Gabriel hat kein Problem mit dem US-Angriff in Syrien.

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