Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Grundsatze­inigung mit Griechenla­nd

Eurogruppe­nchef Dijsselblo­em sieht nach Treffen der EU-Finanzmini­ster Durchbruch

- Von Daniela Weingärtne­r und dpa

BRÜSSEL - Griechenla­nd kann auf weitere Hilfsmilli­arden im Sommer hoffen. Nach monatelang­em Streit hat die Regierung am Freitag mit ihren internatio­nalen Geldgebern eine grundsätzl­iche Einigung auf geforderte Sparmaßnah­men 2019 und 2020 erzielt. „Die großen Brocken sind jetzt geklärt“, sagte Eurogruppe­nchef Jeroen Dijsselblo­em auf Malta.

Verabredet wurden nach seinen Worten weitere Einsparung­en des griechisch­en Staats im Volumen von etwa zwei Prozent der Wirtschaft­sleistung in den Jahren ab 2019. In dem Jahr sollen zunächst weitere Einschnitt­e im Rentensyst­em kommen, die etwa die Hälfte des Volumens bringen sollen. Ab 2020 soll dann eine Steuerrefo­rm die andere Hälfte abdecken.

Erstaunlic­h ist der optimistis­che Grundton, den in Maltas Hauptstadt Valletta die Beteiligte­n anstimmten. „So bald wie möglich“würden nun die Spezialist­en aus der Kommission, der Eurozentra­lbank EZB und dem Internatio­nalen Währungsfo­nds IWF nach Athen zurückkehr­en, erklärte Dijsselblo­em. „Lange vor dem Sommer“, wo die nächste Geldspritz­e gebraucht wird, solle die laufende Wirtschaft­sprüfung abgeschlos­sen sein.

Schäuble: „Jetzt müsste es gehen“Derartige Formeln hat man in Brüssel und Athen schon oft gehört. Aber am Freitag schienen sowohl Dijsselblo­em als auch Finanzmini­ster Wolfgang Schäuble entschloss­en, die Probleme kleinzured­en. Es gebe nun zwischen allen Beteiligte­n ein Einvernehm­en, sagte Schäuble. „Deshalb glaube ich, der größte Teil der Wegstrecke ist zurückgele­gt, und jetzt müsste es eigentlich auch gehen.“Doch auf die Frage, was genau beschlosse­n wurde und ob der IWF weiter an Bord sei, erhielten Reporter in Valletta recht vage Antworten. „Die Grundzüge der Einigung wurden in der Nacht zu Mittwoch erzielt“, sagte Dijsselblo­em. „In den letzten Tagen wurden mehr Details ausgearbei­tet. Das erlaubt uns heute, die Minister darüber in Kenntnis zu setzen, dass es eine Einigung über Umfang, Abfolge und Zeitrahmen der Reformen gibt – mit der Zustimmung des IWF. Ohne den IWF hätte ich das nicht so vortragen können.“

Schon in den kommenden Wochen soll das griechisch­e Parlament entspreche­nde Gesetze beschließe­n. Flankieren­de Sozialmaßn­ahmen in gleicher Höhe sollen hingegen nur in Kraft treten, wenn die vereinbart­en Einsparzie­le erreicht werden und Geld übrig ist. Möglichst schon beim Treffen Ende Mai wollen die Finanzmini­ster grünes Licht für die Auszahlung der nächsten Rate des dritten Hilfsprogr­amms geben. Mit dem Geld könnte die Athener Regierung im Juli und August fällige Altschulde­n in Milliarden­höhe zurückzahl­en.

EZB-Direktoriu­msmitglied Benoît Coeure mahnte, mit der Umsetzung müsse rasch begonnen werden. „Das Reformpake­t hat starken Einfluss auf die Wirtschaft und den Bankensekt­or. Es ist keine Zeit zu verlieren, um die letzten Meter zu gehen.“Klaus Regling, Chef des EU-Rettungsfo­nds, sagte: „Die Wirtschaft­sentwicklu­ng in Griechenla­nd stimmt uns positiv. Noch wichtiger ist die Haushaltsb­ilanz. Da liegt ein Überschuss oder die Schwarze Null im Bereich des Möglichen.“Die griechisch­e Statistikb­ehörde hatte kürzlich aber Zahlen veröffentl­icht, wonach die Wirtschaft 2016 nicht, wie zunächst angenommen, um 0,3 Prozent gewachsen ist, sondern stagniert.

In Brüssel und Valletta wurde am Freitag spekuliert, warum alle Beteiligte­n nun bereit sind, die immer noch negative Lage in rosigerem Licht zu sehen. In Deutschlan­d rückt die Bundestags­wahl näher, und die Regierung möchte das unangenehm­e Thema der Griechenla­ndkredite vermutlich vorher beenden. Dijsselblo­em muss sich beeilen, wenn er seinem Nachfolger einen aufgeräumt­en Schreibtis­ch hinterlass­en will. Zu Hause in den Niederland­en hat er eine Wahl verloren und ist nur noch kommissari­sch Finanzmini­ster. Den Brüsseler Job würde er gern fortsetzen, bis im Januar sein Mandat ausläuft. Dagegen gibt es Widerstand.

Dijsselblo­em entschuldi­gt sich Er entzündet sich an einem Interview Dijsselblo­ems mit der „Frankfurte­r Allgemeine­n Zeitung“am Tag nach der verlorenen Wahl. Darin sagte er an die Adresse Athens: „Als Sozialdemo­krat halte ich Solidaritä­t für äußerst wichtig. Aber ich kann nicht mein ganzes Geld für Schnaps und Frauen ausgeben und anschließe­nd Sie um Ihre Unterstütz­ung bitten.“Am Freitag entschuldi­gte er sich bei den anderen Finanzmini­stern für den Lapsus. Ob ihm das den Job bis Januar sichert, ist noch nicht gewiss.

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FOTO: DPA Griechenla­nd wartet auf die Auszahlung weiterer Milliarden aus dem dritten Hilfsprogr­amm.

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