Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Grundsatzeinigung mit Griechenland
Eurogruppenchef Dijsselbloem sieht nach Treffen der EU-Finanzminister Durchbruch
BRÜSSEL - Griechenland kann auf weitere Hilfsmilliarden im Sommer hoffen. Nach monatelangem Streit hat die Regierung am Freitag mit ihren internationalen Geldgebern eine grundsätzliche Einigung auf geforderte Sparmaßnahmen 2019 und 2020 erzielt. „Die großen Brocken sind jetzt geklärt“, sagte Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem auf Malta.
Verabredet wurden nach seinen Worten weitere Einsparungen des griechischen Staats im Volumen von etwa zwei Prozent der Wirtschaftsleistung in den Jahren ab 2019. In dem Jahr sollen zunächst weitere Einschnitte im Rentensystem kommen, die etwa die Hälfte des Volumens bringen sollen. Ab 2020 soll dann eine Steuerreform die andere Hälfte abdecken.
Erstaunlich ist der optimistische Grundton, den in Maltas Hauptstadt Valletta die Beteiligten anstimmten. „So bald wie möglich“würden nun die Spezialisten aus der Kommission, der Eurozentralbank EZB und dem Internationalen Währungsfonds IWF nach Athen zurückkehren, erklärte Dijsselbloem. „Lange vor dem Sommer“, wo die nächste Geldspritze gebraucht wird, solle die laufende Wirtschaftsprüfung abgeschlossen sein.
Schäuble: „Jetzt müsste es gehen“Derartige Formeln hat man in Brüssel und Athen schon oft gehört. Aber am Freitag schienen sowohl Dijsselbloem als auch Finanzminister Wolfgang Schäuble entschlossen, die Probleme kleinzureden. Es gebe nun zwischen allen Beteiligten ein Einvernehmen, sagte Schäuble. „Deshalb glaube ich, der größte Teil der Wegstrecke ist zurückgelegt, und jetzt müsste es eigentlich auch gehen.“Doch auf die Frage, was genau beschlossen wurde und ob der IWF weiter an Bord sei, erhielten Reporter in Valletta recht vage Antworten. „Die Grundzüge der Einigung wurden in der Nacht zu Mittwoch erzielt“, sagte Dijsselbloem. „In den letzten Tagen wurden mehr Details ausgearbeitet. Das erlaubt uns heute, die Minister darüber in Kenntnis zu setzen, dass es eine Einigung über Umfang, Abfolge und Zeitrahmen der Reformen gibt – mit der Zustimmung des IWF. Ohne den IWF hätte ich das nicht so vortragen können.“
Schon in den kommenden Wochen soll das griechische Parlament entsprechende Gesetze beschließen. Flankierende Sozialmaßnahmen in gleicher Höhe sollen hingegen nur in Kraft treten, wenn die vereinbarten Einsparziele erreicht werden und Geld übrig ist. Möglichst schon beim Treffen Ende Mai wollen die Finanzminister grünes Licht für die Auszahlung der nächsten Rate des dritten Hilfsprogramms geben. Mit dem Geld könnte die Athener Regierung im Juli und August fällige Altschulden in Milliardenhöhe zurückzahlen.
EZB-Direktoriumsmitglied Benoît Coeure mahnte, mit der Umsetzung müsse rasch begonnen werden. „Das Reformpaket hat starken Einfluss auf die Wirtschaft und den Bankensektor. Es ist keine Zeit zu verlieren, um die letzten Meter zu gehen.“Klaus Regling, Chef des EU-Rettungsfonds, sagte: „Die Wirtschaftsentwicklung in Griechenland stimmt uns positiv. Noch wichtiger ist die Haushaltsbilanz. Da liegt ein Überschuss oder die Schwarze Null im Bereich des Möglichen.“Die griechische Statistikbehörde hatte kürzlich aber Zahlen veröffentlicht, wonach die Wirtschaft 2016 nicht, wie zunächst angenommen, um 0,3 Prozent gewachsen ist, sondern stagniert.
In Brüssel und Valletta wurde am Freitag spekuliert, warum alle Beteiligten nun bereit sind, die immer noch negative Lage in rosigerem Licht zu sehen. In Deutschland rückt die Bundestagswahl näher, und die Regierung möchte das unangenehme Thema der Griechenlandkredite vermutlich vorher beenden. Dijsselbloem muss sich beeilen, wenn er seinem Nachfolger einen aufgeräumten Schreibtisch hinterlassen will. Zu Hause in den Niederlanden hat er eine Wahl verloren und ist nur noch kommissarisch Finanzminister. Den Brüsseler Job würde er gern fortsetzen, bis im Januar sein Mandat ausläuft. Dagegen gibt es Widerstand.
Dijsselbloem entschuldigt sich Er entzündet sich an einem Interview Dijsselbloems mit der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“am Tag nach der verlorenen Wahl. Darin sagte er an die Adresse Athens: „Als Sozialdemokrat halte ich Solidarität für äußerst wichtig. Aber ich kann nicht mein ganzes Geld für Schnaps und Frauen ausgeben und anschließend Sie um Ihre Unterstützung bitten.“Am Freitag entschuldigte er sich bei den anderen Finanzministern für den Lapsus. Ob ihm das den Job bis Januar sichert, ist noch nicht gewiss.