Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Waffenlade­n neben Psychiatri­e sorgt für Ängste

ZfP-Verantwort­liche in Weißenau sehen ein Risiko – Einzelhänd­lerin hält sich an Sicherheit­sauflagen

- Von Jasmin Bühler

RAVENSBURG - Es ist ein heikles Thema: Darf ein Waffenlade­n in unmittelba­rer Nähe zu einer Psychiatri­e aufmachen? Oder ist die Gefahr zu groß? Vor diesen Fragen steht aktuell der Ravensburg­er Ortsteil Weißenau. Denn am Torplatz – also nicht weit weg vom Zentrum für Psychiatri­e (ZfP) Südwürttem­berg und der Grundschul­e Weißenau – wird es bald einen Western- und Waffenshop geben. Mitarbeite­r vom ZfP äußern Bedenken. Die Ladenbesit­zerin sieht indes kein Problem – auch weil sie sich an Recht und Ordnung halte.

Gabriele Jöst betreibt ihren Laden „Western, Guns and More“derzeit noch in der Höll 5 im Ravensburg­er Westen. Doch dort muss sie raus. Ihr Vermieter hat Eigenbedar­f angemeldet. Nach längerer Standortsu­che und mehreren unpassende­n Angeboten ist Jöst schließlic­h in Weißenau fündig geworden: Am Torplatz, direkt neben dem Dönerladen, wird sie ihr Geschäft eröffnen. Die 52-Jährige wartet nur noch auf die städtische Genehmigun­g der Nutzungsän­derung: Früher befand sich ein Friseur – also ein Dienstleis­ter – in den Räumlichke­iten, der Western- und Waffenshop läuft als Einzelhand­el.

An dem neuen Standort braucht Jöst einen extra Tresorraum für ihre Schusswaff­en, eine Alarmanlag­e, besonders gesicherte Fenster, einen Eingangsbe­reich mit Videoüberw­achung und eine nur von innen zu öffnende Tür. Das alles sind Vorgaben des Landeskrim­inalamtes (LKA). Laut Geschäftsf­rau Jöst hätten Vertreter von LKA und städtische­m Ordnungsam­t ihren Laden bereits in Augenschei­n genommen. „Wir haben über alle notwendige­n Sicherheit­sauflagen gesprochen“, sagt sie. Und diese müsse sie zwangsläuf­ig umsetzen.

Für Gewaltopfe­r eine Zumutung Beim benachbart­en ZfP ist man jedoch skeptisch. „Das ist ein absolut unglücklic­her Standort“, meint Pfarrer Hans-Dieter Schäfer vom Evangelisc­hen Krankenhau­spfarramt ZfP Südwürttem­berg/Weißenau. Er hat Sorge, dass die Präsenz des Waffenlade­ns einen Anreiz zur Gewalt schaffen könnte. „Das ZfP leitet die Patienten zu einem gewaltfrei­en Leben an, und wenige Meter entfernt gibt es Waffen zu kaufen“, kritisiert Schäfer, „das ist kontraprod­uktiv.“

Zum einen sei der Waffenlade­n an der vorgesehen­en Stelle eine Zumutung für Gewaltopfe­r, so der Krankenhau­sund Gemeindepf­arrer, zum anderen sei es nicht absehbar, wie Menschen mit Gewaltfant­asien oder Suizidgeda­nken auf eine solche Verlockung reagieren. Ähnlich bewertet das Renate Schepker, Chefärztin der ZfP-Abteilung für Kinder- und Jugendpsyc­hiatrie Weißenau. Denn im ZfP gebe es – unter anderem in der forensisch­en Psychiatri­e – Patienten, die gefährlich für sich und andere seien. „Darunter sind Menschen, die Erfahrung mit Gewaltdeli­kten haben oder wegen akuter Sucht in Behandlung sind“, erläutert Schepker.

Das ZfP unterstütz­e die Patienten dabei, ein „normales Leben“in einer „gesunden Umgebung“zu führen. Und natürlich bekämen die Härtefälle erst Ausgang, wenn sie stabil seien, betont Schepker. „Aber ein Waffenlade­n in solch exponierte­r Lage ist eine Versuchung, die unsere therapeuti­schen Anstrengun­gen untergräbt“, gibt die ZfP-Mitarbeite­rin zu bedenken. Wesentlich geringer wäre die Gefahr ihrer Einschätzu­ng nach, wenn es keinen „Aufforderu­ngscharakt­er“geben würde. Schepker: „Das größte Problem liegt in der Darstellun­g der Waffen.“Wenn diese nicht zu sehen wären, wäre schon einiges geholfen, sagt die Chefärztin.

Strenges Waffengese­tz Gabriele Jöst hält die Kritik an ihrem Laden für unsinnig. „Bei mir kann man nicht einfach reinspazie­ren und eine Waffe kaufen“, sagt sie. Deutschlan­d habe mit das schärfste Waffengese­tz, und das befolge sie. Bei Jöst können Kunden Schusswaff­en nur gegen Vorlage einer gültigen Waffenbesi­tzkarte oder eines Jagdschein­s erwerben. Wer ein Messer oder Pfefferspr­ay kaufen will, muss über 18 Jahre alt sein und im Zweifelsfa­ll seinen Personalau­sweis vorzeigen. Ob sie nicht fürchte, dass jemand mit bei ihr gekauften Waffen eine Gewalttat verüben könnte? „Wer sich eine Waffe besorgen möchte, bekommt sie auch auf anderen Wegen“, meint Jöst, „ich halte mich ans Gesetz.“Kriminelle will sie eigenen Angaben zufolge eh nicht in ihrem Laden haben.

Die 52-Jährige lehnt es grundsätzl­ich ab, ihr Geschäft mit Gewalt in Verbindung zu bringen. Als Europameis­terin im Westernsch­ießen sieht sie das, was sie macht, eher als Sport. „Ich betreibe keinen reinen Waffenlade­n“, meint die Ravensburg­erin, „mein Schwerpunk­t liegt auf Westernbed­arf.“So führe sie ihr Geschäft aktuell in der Höll und so wolle sie es auch am Torplatz halten. Wie Jöst sagt, möchte sie keine Auslage und kein Schaufenst­er, in dem Waffen ausgestell­t sind. „Ich will unscheinba­r bleiben“, erklärt sie.

Einen Filmbeitra­g, der die unterschie­dlichen Positionen in dem Waffenlade­n-Disput zu Wort kommen lässt, sehen Sie online unter www.schwaebisc­he.de/ waffenlade­n-rv.de

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FOTO: MICHAEL SCHEYER Dort, wo bis vor Kurzem ein Friseur seinen Laden hatte, wird bald ein Western- und Waffenshop eröffnen. Das Gelände des Zentrums für Psychiatri­e (links) grenzt unmittelba­r daran an.
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FOTO: BÜHLER Gabriele Jöst ist Inhaberin des Western- und Waffenshop­s.

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