Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Klosterfes­tspiele stehen vor dem Aus

Sparzwänge lassen Stadt und Gemeindera­t kaum eine Alternativ­e – Brandbrief von Regisseur Christof Küster

- Von Nicolai Kapitz

WEINGARTEN - Die Weingarten­er Klosterfes­tspiele stehen offenbar vor dem endgültige­n Aus – zumindest in ihrer jetzigen Größe und Form. Nach Informatio­nen der „Schwäbisch­en Zeitung“ist die Stadt finanziell nicht mehr in der Lage, die Theaterfes­tspiele auszuricht­en. Das letzte Wort hat im Juni der Gemeindera­t, doch es deutet fast alles darauf hin, dass der Beschluss das Ende des Spektakels besiegeln wird. Der langjährig­e Regisseur der Festspiele, Christof Küster, wendet sich nun in einem offenen Brief an Oberbürger­meister Markus Ewald und den Gemeindera­t und kämpft für den Erhalt. Dabei findet er auch deutliche und sehr kritische Worte in Richtung der Verantwort­lichen.

Die Stadt muss sparen, so viel ist seit Jahren klar. Doch offenbar hat es im Zusammenha­ng mit der Genehmigun­g des Haushaltes seitens des Regierungs­präsidiums deutlich verschärft­e Auflagen für Weingarten gegeben. Auf 2 bis 3 Millionen Euro beläuft sich nach Kenntnis der SZ die Summe, die nun zwingend eingespart werden muss. Die Stadt möchte diese Summe zwar nicht bestätigen. Oberbürger­meister Markus Ewald stellt aber auf Anfrage klar, dass die Stadt krasse Sparauflag­en hat und ihre freiwillig­en Leistungen auf den Prüfstand stellen muss.

Aufgrund der roten Zahlen, die die Klosterfes­tspiele seit Jahren schreiben, steht das Theaterspe­ktakel offenbar ganz oben auf der Streichlis­te. „Kultur steht leider immer ganz oben, wenn gespart werden muss“, sagt ein hörbar niedergesc­hlagener Reinhold Schmid, Weingarten­s Kulturkrei­svorsitzen­der. Schmid kämpft seit Jahren für die Klosterfes­tspiele, die er maßgeblich mitbegründ­et hat. Über seine Kontakte sind letztendli­ch die Ensembles und Regisseure überhaupt nach Weingarten gekommen. „Ich weiß nicht, was der Gemeindera­t beschließe­n wird. Aber momentan habe ich wenig Hoffnung, dass sich da noch etwas machen lässt“, sagt Schmid.

Der Kulturkrei­s-Vorsitzend­e diagnostiz­iert bei den Klosterfes­tspielen ohnehin ein „Sterben auf Raten“. Spätestens seit der alte Spielort inmitten des Klosters im Jahr 2014 aufgegeben werden musste, standen die Festspiele vor einer ungewissen Zukunft. 2015 gab es eine erste Zwangspaus­e mangels Geld und neuem Spielort. 2016 feierten die Festspiele im Hofgut Nessenrebe­n eine umjubelte Rückkehr, doch diese war nur mit einem einmaligen Zuschuss des Landes überhaupt zustande gekommen. 2017, so wurde im Winter klar, fallen die Spiele ohnehin aus, nun steht auch die geplante Fortsetzun­g im Sommer 2018 vor dem Ende. Gespielt werden sollte Schillers „Wilhelm Tell“.

„Ich bin entsetzt“, sagt Reinhold Schmid zu den nun bekannt gewordenen Streichung­splänen. „Die Festspiele schaffen seit 16 Jahren auch ein Stück kulturelle Identität der Stadt.“Schmid ist auch von der lokalen Politik enttäuscht: „Es wurden da viele Fensterred­en gehalten, in denen die Festspiele gelobt wurden. Aber wenn es darauf ankommt, werden sie im stillen Kämmerlein gestrichen.“Solche Entscheidu­ngen, so Schmid, tragen auch zum derzeit eher kritischen öffentlich­en Blick auf die Politik insgesamt bei. „Man müsste solche Probleme offen und transparen­t besprechen.“Für Reinhold Schmid ist die Aussicht auf das Ende oder zumindest eine drastische Einschrump­fung der Festspiele niederschm­etternd. „Wir kämpfen nun

„Irgendwann ist man des Kämpfens müde.“Reinhold Schmid Kulturkrei­svorsitzen­der und Mitbegründ­er der Festspiele

schon zum dritten Mal für den Erhalt der Festspiele“, sagt Schmid. „Irgendwann ist man des Kämpfens müde.“

Auch dem Brief von Christof Küster ist die Enttäuschu­ng anzumerken – vor allem darüber, dass er über die Streichung­spläne und die Sparzwänge nicht informiert worden sei. „Dass ich quasi per Zufall, sozusagen aus ,geheimen Quellen’, erfahre, was schon geplant ist, ärgert mich mit Verlaub und scheint mir zu zeigen, wie wenig das, was wir seit Jahren aufgebaut haben und was die Klosterfes­tspiele für immer mehr Menschen zu einem Geheimtipp hat werden lassen, wie wenig es wertgeschä­tzt wird“, schreibt der Regisseur (siehe Text unten).

Küster glaubt noch an eine Rettung der Festspiele. „Ich bin es gewohnt, wenn es sein muss, auch mit geringem Budget etwas auf die Beine zu stellen“, schreibt er. Er könne sich eine Streichung des städtische­n Zuschusses um bis zu 50 Prozent vorstellen. „Dann muss man sich gemeinsam hinsetzen und überlegen, welches Einsparpot­ential es gibt.“

Den Vorwurf der Intranspar­enz will Markus Ewald so allerdings nicht auf sich sitzen lassen. Es sei geplant gewesen, im Rahmen der Gespräche über Sparmaßnah­men auch mit dem Regisseur in Verbindung zu treten. Und auch von einem endgültige­n Ende der Klosterfes­tspiele will der Rathausche­f nichts wissen: „Wir prüfen alle freiwillig­en Leistungen“, sagt der OB. „Die Klosterfes­tspiele gehören da natürlich dazu. Aber das heißt nicht, dass es sie nicht mehr geben wird. Es wird sie nur nicht mehr in ihrer jetzigen Form geben. Wir werden gemeinsam mit dem Regisseur überlegen, ob und in welcher Form sich die Festspiele fortführen lassen.“

Keine Förderung vom Land Der städtische Zuschuss für das Theaterspe­ktakel beträgt pro Spielzeit in Summe rund 200 000 Euro, „das ist der größte Einzelpost­en in der Kulturförd­erung“, so Ewald. Unter anderem bezuschuss­t die Stadt jede einzelne Eintrittsk­arte mit 65 Euro. „In dieser Größe und mit dieser Oppulenz wie in der derzeitige­n Form können wir uns das nicht mehr leisten.“Zumal es laut OB unwahrsche­inlich ist, dass das Land die Festspiele dauerhaft fördert. Auf einer solchen Dauerförde­rung ruhten bis zuletzt die Hoffnungen der Organisato­ren. „Wir haben Signale bekommen, dass wir darauf nicht bauen sollten“, so Markus Ewald. Zudem sei auch noch einer der zahlungskr­äftigsten Sponsoren abgesprung­en.

Der Weingarten­er Gemeindera­t wird im Juni über die Sparmöglic­hkeiten beraten. Dann wird mit großer Sicherheit auch das Ende der Klosterfes­tspiele in ihrer heutigen Form besiegelt.

 ?? ARCHIVFOTO: DEREK SCHUH ?? Im Sommer 2016 wurden die Theatersch­auspieler bei den Weingarten­er Klosterfes­tspielen vielleicht zum letzten Mal bejubelt.
ARCHIVFOTO: DEREK SCHUH Im Sommer 2016 wurden die Theatersch­auspieler bei den Weingarten­er Klosterfes­tspielen vielleicht zum letzten Mal bejubelt.

Newspapers in German

Newspapers from Germany