Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Klosterfestspiele stehen vor dem Aus
Sparzwänge lassen Stadt und Gemeinderat kaum eine Alternative – Brandbrief von Regisseur Christof Küster
WEINGARTEN - Die Weingartener Klosterfestspiele stehen offenbar vor dem endgültigen Aus – zumindest in ihrer jetzigen Größe und Form. Nach Informationen der „Schwäbischen Zeitung“ist die Stadt finanziell nicht mehr in der Lage, die Theaterfestspiele auszurichten. Das letzte Wort hat im Juni der Gemeinderat, doch es deutet fast alles darauf hin, dass der Beschluss das Ende des Spektakels besiegeln wird. Der langjährige Regisseur der Festspiele, Christof Küster, wendet sich nun in einem offenen Brief an Oberbürgermeister Markus Ewald und den Gemeinderat und kämpft für den Erhalt. Dabei findet er auch deutliche und sehr kritische Worte in Richtung der Verantwortlichen.
Die Stadt muss sparen, so viel ist seit Jahren klar. Doch offenbar hat es im Zusammenhang mit der Genehmigung des Haushaltes seitens des Regierungspräsidiums deutlich verschärfte Auflagen für Weingarten gegeben. Auf 2 bis 3 Millionen Euro beläuft sich nach Kenntnis der SZ die Summe, die nun zwingend eingespart werden muss. Die Stadt möchte diese Summe zwar nicht bestätigen. Oberbürgermeister Markus Ewald stellt aber auf Anfrage klar, dass die Stadt krasse Sparauflagen hat und ihre freiwilligen Leistungen auf den Prüfstand stellen muss.
Aufgrund der roten Zahlen, die die Klosterfestspiele seit Jahren schreiben, steht das Theaterspektakel offenbar ganz oben auf der Streichliste. „Kultur steht leider immer ganz oben, wenn gespart werden muss“, sagt ein hörbar niedergeschlagener Reinhold Schmid, Weingartens Kulturkreisvorsitzender. Schmid kämpft seit Jahren für die Klosterfestspiele, die er maßgeblich mitbegründet hat. Über seine Kontakte sind letztendlich die Ensembles und Regisseure überhaupt nach Weingarten gekommen. „Ich weiß nicht, was der Gemeinderat beschließen wird. Aber momentan habe ich wenig Hoffnung, dass sich da noch etwas machen lässt“, sagt Schmid.
Der Kulturkreis-Vorsitzende diagnostiziert bei den Klosterfestspielen ohnehin ein „Sterben auf Raten“. Spätestens seit der alte Spielort inmitten des Klosters im Jahr 2014 aufgegeben werden musste, standen die Festspiele vor einer ungewissen Zukunft. 2015 gab es eine erste Zwangspause mangels Geld und neuem Spielort. 2016 feierten die Festspiele im Hofgut Nessenreben eine umjubelte Rückkehr, doch diese war nur mit einem einmaligen Zuschuss des Landes überhaupt zustande gekommen. 2017, so wurde im Winter klar, fallen die Spiele ohnehin aus, nun steht auch die geplante Fortsetzung im Sommer 2018 vor dem Ende. Gespielt werden sollte Schillers „Wilhelm Tell“.
„Ich bin entsetzt“, sagt Reinhold Schmid zu den nun bekannt gewordenen Streichungsplänen. „Die Festspiele schaffen seit 16 Jahren auch ein Stück kulturelle Identität der Stadt.“Schmid ist auch von der lokalen Politik enttäuscht: „Es wurden da viele Fensterreden gehalten, in denen die Festspiele gelobt wurden. Aber wenn es darauf ankommt, werden sie im stillen Kämmerlein gestrichen.“Solche Entscheidungen, so Schmid, tragen auch zum derzeit eher kritischen öffentlichen Blick auf die Politik insgesamt bei. „Man müsste solche Probleme offen und transparent besprechen.“Für Reinhold Schmid ist die Aussicht auf das Ende oder zumindest eine drastische Einschrumpfung der Festspiele niederschmetternd. „Wir kämpfen nun
„Irgendwann ist man des Kämpfens müde.“Reinhold Schmid Kulturkreisvorsitzender und Mitbegründer der Festspiele
schon zum dritten Mal für den Erhalt der Festspiele“, sagt Schmid. „Irgendwann ist man des Kämpfens müde.“
Auch dem Brief von Christof Küster ist die Enttäuschung anzumerken – vor allem darüber, dass er über die Streichungspläne und die Sparzwänge nicht informiert worden sei. „Dass ich quasi per Zufall, sozusagen aus ,geheimen Quellen’, erfahre, was schon geplant ist, ärgert mich mit Verlaub und scheint mir zu zeigen, wie wenig das, was wir seit Jahren aufgebaut haben und was die Klosterfestspiele für immer mehr Menschen zu einem Geheimtipp hat werden lassen, wie wenig es wertgeschätzt wird“, schreibt der Regisseur (siehe Text unten).
Küster glaubt noch an eine Rettung der Festspiele. „Ich bin es gewohnt, wenn es sein muss, auch mit geringem Budget etwas auf die Beine zu stellen“, schreibt er. Er könne sich eine Streichung des städtischen Zuschusses um bis zu 50 Prozent vorstellen. „Dann muss man sich gemeinsam hinsetzen und überlegen, welches Einsparpotential es gibt.“
Den Vorwurf der Intransparenz will Markus Ewald so allerdings nicht auf sich sitzen lassen. Es sei geplant gewesen, im Rahmen der Gespräche über Sparmaßnahmen auch mit dem Regisseur in Verbindung zu treten. Und auch von einem endgültigen Ende der Klosterfestspiele will der Rathauschef nichts wissen: „Wir prüfen alle freiwilligen Leistungen“, sagt der OB. „Die Klosterfestspiele gehören da natürlich dazu. Aber das heißt nicht, dass es sie nicht mehr geben wird. Es wird sie nur nicht mehr in ihrer jetzigen Form geben. Wir werden gemeinsam mit dem Regisseur überlegen, ob und in welcher Form sich die Festspiele fortführen lassen.“
Keine Förderung vom Land Der städtische Zuschuss für das Theaterspektakel beträgt pro Spielzeit in Summe rund 200 000 Euro, „das ist der größte Einzelposten in der Kulturförderung“, so Ewald. Unter anderem bezuschusst die Stadt jede einzelne Eintrittskarte mit 65 Euro. „In dieser Größe und mit dieser Oppulenz wie in der derzeitigen Form können wir uns das nicht mehr leisten.“Zumal es laut OB unwahrscheinlich ist, dass das Land die Festspiele dauerhaft fördert. Auf einer solchen Dauerförderung ruhten bis zuletzt die Hoffnungen der Organisatoren. „Wir haben Signale bekommen, dass wir darauf nicht bauen sollten“, so Markus Ewald. Zudem sei auch noch einer der zahlungskräftigsten Sponsoren abgesprungen.
Der Weingartener Gemeinderat wird im Juni über die Sparmöglichkeiten beraten. Dann wird mit großer Sicherheit auch das Ende der Klosterfestspiele in ihrer heutigen Form besiegelt.