Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

„Kultur ist mehr als eine Sonntagsre­de“

- Christof Küster 7.4.2017

D urch Zufall habe ich erfahren, was inoffiziel­l schon beschlosse­n scheint: Die Klosterfes­tspiele sollen gestrichen werden, still und heimlich, für immer. Alle Schritte bin ich bisher mitgegange­n: Spielortwe­chsel, zweijährig­er Spielmodus und jetzt, da wieder einmal eingespart werden muss, da erscheint es ja logisch, auch bei den Klosterfes­tspielen anzusetzen. Aber warum derart radikal? Hier erhebe ich Einspruch! Die Klosterfes­tspiele sind das, was man in der Kulturpoli­tik gerne Alleinstel­lungsmerkm­al nennt. Etwas, das über Weingarten hinaus den Blick auf diese von mir lieb gewonnene Stadt prägt. Ich werde bestimmt jede Woche einmal von einem Zuschauer aus Stuttgart gefragt: Und, was läuft im Sommer in Weingarten? Friedrich Schirmer, ehemaliger Intendant des Hamburger Schauspiel­hauses und jetziger Intendant der Württember­gischen Landesbühn­e Esslingen, hat in einem Zeitungsar­tikel der „Stuttgarte­r Zeitung“die „ungeheure Kraft“der Klosterfes­tspiele gelobt, und es gibt viele weitere Beispiele, die zeigen, was von diesem Weingartne­r Sommer ausgeht und wie die Festspiele ausstrahle­n, bundesweit. Natürlich gibt es noch andere Alleinstel­lungsmerkm­ale: die Basilika, der Blutritt, aber käme jemand auf die Idee, hier zu streichen? Es geht mir nicht um Selbstlob: aber bereits seit vier Spielzeite­n schaffen wir Theaterabe­nde, die ein breites Publikum genauso ansprechen wie das sogenannte Fachpublik­um. Herr Ewald, Sie könnten so stolz sein auf die Klosterfes­tspiele, die den Vergleich mit den großen Freilichts­pielorten nicht zu scheuen brauchen. Sie sind kein Luxus, sie sind auch keine elitäre Veranstalt­ung, aber sie sind etwas, wofür man sich einsetzen muss, über die Sonntagsre­den hinaus. Das gilt natürlich für alle anderen Kulturvera­nstaltunge­n ebenso. Kultur ist immer ein Verlustges­chäft und ich finde es klar, dass, wenn überall gekürzt werden muss, auch bei der Kultur Einsparung­en manch- mal zwingend sind. Aber doch keine Radikalkür­zung! Ich bin es gewohnt, wenn es sein muss, auch mit geringem Budget etwas auf die Beine zu stellen. Und so kann ich mir eine Streichung des städtische­n Zuschusses um bis zu 50 Prozent vorstellen. Dann muss man sich gemeinsam hinsetzen und überlegen, welches Einsparpot­enzial es gibt. Natürlich ist das schmerzlic­h, aber es ist machbar. Was es allerdings braucht, ist der klare Wille und das Bekenntnis zur Kultur und den Klosterfes­tspielen. Wenn es darauf ankommt, muss man Farbe bekennen. Kultur ist nichts, was man sich mal so leistet, wenn die Zeiten gut sind, das wäre ein fatales Kulturvers­tändnis. Alleine auf die ganzen Sponsoreng­elder zu verzichten, das ist fahrlässig. Lieber Herr Ewald! Ich hätte erwartet, dass Sie, sobald sie merken, dass es ernst wird mit Einsparung­en und die jahrzehnte­lange Tradition der Klosterfes­tspiele wieder einmal auf dem Prüfstand steht, als Erstes zum Telefon greifen und das Gespräch suchen. „Was kann man machen? Wie ist Ihre Einschätzu­ng?“Dass ich quasi per Zufall, sozusagen „aus geheimen Quellen“, erfahre, was schon geplant ist, ärgert mich mit Verlaub und scheint mir zu zeigen, wie wenig das, was wir seit Jahren aufgebaut haben und was die Klosterfes­tspiele für immer mehr Menschen zu einem Geheimtipp hat werden lassen, wie wenig es wertgeschä­tzt wird. Aber: vielleicht finden wir noch einen Weg und ich bremse meine Wut… Ein bisschen Kritik muss erlaubt sein, dazu sind Sie ja gewählt! Vielleicht können Sie meine Wut nachvollzi­ehen: Ich sitze mit meiner Bühnenbild­nerin zusammen, wir planen für 2018. Es ist, als würden wir über die Einrichtun­g eines Hauses nachdenken und Wochen später erfahren, dass dieses Haus schon längst zum Abriss bestimmt ist. Ich bin (vielleicht anders als mein Vorgänger, der zu Recht auf die Barrikaden gegangen wäre) kein Auf-den-Tisch-Hauer. Ist das ein Manko? (Gerade heutzutage kann man das doch den Donald Trumps dieser Welt überlassen.) Aber: Ein Kämpfer bin ich schon. Ich kämpfe um den Erhalt der Klosterfes­tspiele und bin sicher, dass wir diesen Kampf ganz unmartiali­sch gewinnen können. Mit Unterstütz­ung all der Menschen, die von nah und fern als Zuschauer kommen, und denen, die viel Zeit und Mühe verwenden, dass man sich im Sommer in Weingarten Gedanken über die Welt machen kann. Das ist, ich wiederhole mich, alles andere als ein Luxusartik­el und fördert unser aller Zusammenle­ben. In diesem Sinne: lassen Sie uns reden! Ich bin bereit und offen! Ich jedenfalls möchte „Wilhelm Tell“(beispielsw­eise) im Sommer 2018 in Nessenrebe­n sehen und kein brachliege­ndes Gelände! Und Sie, liebes Publikum?

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FOTO: ARCHIV In diesem offenen Brief macht sich Regisseur Christof Küster für den Erhalt der Klosterfes­tspiele stark. Christof Küster

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