Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Ein Aufgeweckter ist hellwach
Danny aus den Birken, Eishockeytorhüter des EHC RB München, spielt bärenstarke Play-offs
Der Bandencheck von JeanFrançois Quintin blieb nicht folgenlos an diesem 22. Dezember 2002. Devin Edgerton, Topscorer der Adler Mannheim, krümmte sich auf dem Eis; Teamkollege Mike Kennedy klärte die Chose mit den Fäusten. Der Rest war Massenschlägerei, waren 272 Strafminuten ... und das DEL-Debüt Danny aus den Birkens. Der – 17 Jahre jung, geboren in Düsseldorf und Nummer 1 der Nachwuchs-Jungadler – war gegen Quintins Düsseldorfer EG (!) jäh gefordert, weil Stammtorhüter Mike Rosati Dienstende hatte nach 29:19 Minuten: Spieldauerdisziplinarstrafe. 3:2 stand es da; 4:2 hieß es 30:41 Minuten und 16 gehaltene Schüsse später. Die Adler-Fans hatten einen neuen Helden. Einen bemerkenswert ruhigen, unaufgeregten neuen Helden: „Am Anfang hatte ich natürlich schon Herzklopfen. Doch dann habe ich den ersten Schuss gehalten ...“
375 Partien in der Deutschen Eishockey-Liga sind seither dazugekommen, die stoische Ruhe ist Danny aus den Birkens Markenzeichen geblieben. Auch in den Play-offs 2016/17, die der 32-Jährige, inzwischen beim EHC Red Bull München, mit seinem dritten Meistertitel krönen will. Endspielgegner sind von Sonntag an die Grizzlys Wolfsburg – wie im Vorjahr.
Wie im Vorjahr? Nein: In der wichtigsten Saisonphase ist Trainer Don Jackson kein Freund von Rotation auf der wichtigsten Position. Vor zwölf Monaten entschied sich der Amerikaner für seinen Landsmann David Leggio. Der hielt in allen 14 Play-off-Partien – die gewonnenen Finalspiele inklusive –, nachdem er sich die Arbeit mit Fanghandschuh und Kelle zuvor noch mit Danny aus den Birken geteilt hatte. Das Jobsharing in der Hauptrunde hatte diese Saison Fortbestand, auch das Trainer-Votum vor dem Viertelfinale gegen die Fischtown Pinguins Bremerhaven gab es wieder. Ein Votum jetzt für Danny aus den Birken. Don Jackson: „Im Tor wird der stehen, von dem ich glaube, dass er uns die beste Chance gibt, die jeweilige Partie zu gewinnen.“
95,02 Prozent Fangquote Genau das tat Danny aus den Birken bisher. Eindrucksvoll sind die Zahlen: neun Play-off-Einsätze, acht Siege, 229 Paraden, zwölf Gegentreffer nur, 1,25 je Spiel. Fangquote 95,02 Prozent – in Worten ausgedrückt: „Danny hält einfach hervorragend.“Red-Bull-Kapitän Michael Wolf hat diese Meinung nicht exklusiv, der Hochgelobte selbst kontert alle Komplimente bescheiden. Spricht vom Vertrauen, das Sicherheit gebe. „Und Sicherheit ist etwas, was ein Torwart gut gebrauchen kann.“
Danny aus den Birken hatte beides nicht immer – Sicherheit Vertrauen. In Mannheim war er stets Stellvertreter nach jenem 22. Dezember 2002. Oder Stellvertreter des Stellvertreters. Von Mike Rosati, Marc Seliger, Richard Shulmistra, Cristobal Huet, Steve Passmore, Frédéric Chabot, Ilpo Kauhanen, Robert Müller, JeanMarc Pelletier, Adam Hauser, Fred Brathwaite. Ein „Who is who“der Torhütergilde – Danny aus den Birken spielte (fast ausnahmslos) bei Kooperationspartner Heilbronner Falken und lernte bei den Adlern. Exakt drei DEL-Auftritte wurden im Mannheimer Meisterwinter 2006/07 für ihn notiert. Dann, 2009, mit 24, wechselte Danny aus den Birken zu den Iserlohn Roosters, wurde Nummer-1-Schlussmann. Köln war von November 2010 bis 2015 nächste Karrierestation, in Köln gelang der nächste Schritt: Zum seit jeher starken Stellungsspiel kam Konstanz, Beständigkeit. Und eine bärenstarke Saison 2013/14, in der die Haie nach 17 Play-off-Spielen (Gegentorschnitt 1,6, Fangquote 94,78) Zweiter wurden. Eine Expertenkommission kürte Danny aus den Birken damals zum DEL-„Torhüter des Jahres“.
Dessen Erfolgsgeheimnis? Ist nichts Geheimes. Und doch schwierige Übung: „Es kommt darauf an, die – nicht zu vermeidenden – Schwächephasen so kurz wie möglich zu halten. Die entscheidenden Dinge passieren im Kopf.“Deshalb kam die Offerte des EHC Red Bull gerade recht im Frühjahr 2015. Köln hatte den Schweden Gustaf Wesslau fürs Tor verpflichtet, Danny aus den Birken sah Vertrauen schwinden. Im Kopf arbeitete es, in München bemühte sich Don Jackson.
Jetzt ist Danny aus den Birken Meister – ohne Play-off-Einsatz – und kann es wieder werden. Mit neun plus x Play-off-Einsätzen. Bis dahin ist der Weg das Ziel. Die Freude auch, das Genießen. „Play-offs“, hat der Rheinländer aus den Birken einmal gesagt, „kommen noch vor Weihnachten und Karneval. Und ich liebe Weihnachten und Karneval.“Play-offs, weiß Danny aus den Birken aber auch, sind – trotz aller Liebe – mental immens fordernd: „Es gibt keinen Moment, in dem du dir erlauben kannst, nicht hellwach zu sein.“
Aufgeweckt, Jean-François Quintin hat’s erlebt, war schon der 17-Jährige.
DEL, Play-off-Finale (Modus: best of seven), 1. Spiel am Sonntag, 16.45 Uhr: EHC Red Bull München – Grizzlys Wolfsburg (live auf Sport1).