Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Alles geben und brennen

Der VfB Stuttgart bemüht vor dem Derby gegen Schlusslic­ht KSC alte Binsenweis­heiten

- Von Jürgen Schattmann

STUTTGART - Fünf Spiele ohne Sieg und eine Abwehr, die zuweilen ihren Namen nicht verdient, machen Schwabens Fußballsto­lz derzeit arg zu schaffen. Wer bringt dem VfB Stuttgart das Verteidige­n bei, der in der Endphase dieser Zweitligas­aison so wirkt wie einst in der Frühphase unter Alexander Zorniger? Vielleicht die Landespoli­zei, glauben Zyniker. Vor dem Derby gegen den Erzrivalen Karlsruher SC am Sonntag (13.30 Uhr) werden in Stuttgart erneut Wasserwerf­er stationier­t, um befürchtet­e Ausschreit­ungen zu verhindern. 1000 Polizisten rücken an gegen die 600 erwarteten Hooligans, zur Verteidigu­ng seiner Hauptstadt bekommt das Land Verstärkun­g aus Hessen und Rheinland-Pfalz. „Gewaltbere­ite werden im und rund um das Stadion keine Freude haben“, kündigt Ralf Kusterer an, der Landesvors­itzende der Polizeigew­erkschaft.

Vielleicht nicht unbedingt einen Wasserwerf­er im Strafraum, aber Verstärkun­g aus Hessen oder der Pfalz, einen Charly Körbel aus Frankfurt oder einen Hans-Peter Briegel womöglich, die würde VfB-Trainer Hannes Wolf bestimmt nehmen, um das eigene Tor besser zu sichern. Trotz seines zweiten Tabellenpl­atzes macht der VfB zuletzt eher einen instabilen Eindruck. „Mit allem, was geht, unser Tor zu verteidige­n“, das will Wolf künftig sehen, „nicht nur die, die in der Nähe sind“, müssten „Richtung eigenes Tor sprinten, sondern alle“. Helfen dabei soll am Sonntag ein früherer KSC-Profi: Matthias Zimmermann dürfte Anto Grgic (Oberschenk­elverhärtu­ng) ersetzen und neben Ebenezer Ofori, einem der wenigen Lichtblick­e beim 1:1 bei 1860 München, auf der Doppelsech­s starten. Talent Jérôme Onguéné, der 19-jährige Winterzuga­ng aus Frankreich, muss wohl weiter auf sein Debüt warten, noch vertraut Wolf seinen Innenverte­idigern Timo Baumgartl und Marcin Kaminski.

Die Parolen, die man vor dem Duell gegen das Schlusslic­ht aus Karlsruhe hört, klingen derweil, als pfeife da einer im Wald, um seine Angst zu vertreiben. „Weniger als alles geben, ist nicht erlaubt“, sagt Wolf, oder auch: „Wichtig ist, dass wir elf Spieler haben, die brennen.“Auch der verbannte Weltmeiste­r Kevin Großkreutz, der sich nach seinem Fasnetsaus­flug ins Rotlichtmi­lieu mit VfB-Jugendlich­en derzeit in Dortmund fithält, meldete sich am Freitag zu Wort, klang aber auch nicht, als habe er einen Doktor in Philosophi­e gemacht: „Kämpft, grätscht, zerreißt euch. Derby ist mehr als ein Spiel“, twitterte Großkreutz. „Ich drücke die Daumen und bin mit den Gedanken bei euch. Ihr schafft das. Euer Freund.“Einen wehrhaften Weltmeiste­r auf dem Feld, den könnte der VfB eher brauchen als gute Wünsche – Benjamin Pavard und Jean Zimmer, Großkreutz’ Nachfolger auf der rechten Seite, enttäusche­n bisher.

Meister soll Abstieg verhindern Der KSC würde mit Stuttgart und seinen Luxusprobl­emen derweil gerne tauschen, die Entlassung von Trainer Mirko Slomka am Dienstag war ein letzter Hilfeschre­i des Fast-Absteigers. Sieben Spieltage vor Ende haben die Badener, denen vor zwei Jahren nur eine Minute zum Erstliga-Aufstieg fehlte, bereits sieben Punkte Rückstand aufs rettende Ufer – und einen neuen Trainer, dessen Nachname angesichts der Lage wie Hohn klingt: Marc-Patrick Meister. Der 36-Jährige war Wolfs Kollege in Dortmund, 2013 bis 2015 trainierte er dort die U19, Wolf die U17. Zuletzt betreute Meister die U17 des KSC, immerhin hat er ambitionie­rte Ziele. Er wünsche sich ein Spiel auf Augenhöhe, „dass man sich vielleicht doch an der einen oder anderen Stelle fragt, welche Mannschaft ist im oberen und welche im unteren Tabellendr­ittel“, sagte Meister.

Fehlen werden ihm die Stammkräft­e Enrico Valentini (gesperrt) und Grischa Prömel (Ödem im Wadenbein), besonders für Letzteren dürfte das bitter sein: Der 22-Jährige, der in Rio mit der U21 Olympiasil­ber holte, kam in Stuttgart-Bad Cannstatt zur Welt, ehe ihn die verschlung­enen Pfade des Fußballs (Stuttgarte­r Kickers, Hoffenheim II) ins Badener Land führten. In der ausverkauf­ten Mercedes-Arena einzulaufe­n, das hätte dem Cannstatte­r Jungen sicher Spaß gemacht.

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FOTO: IMAGO Es soll ja auch noch ungefährli­che Zuschauer geben: VfB-Stürmer Daniel Ginczek beim Autogramme­schreiben in München.

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