Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Die „Hölle des Nordens“als Abschiedsbühne
ROUBAIX (SID) - Im Grunde läuft die große Abschiedszeremonie seit einer Woche. Bereits das Prozedere vor dem Start der Flandern-Rundfahrt am Sonntag war eine einzige Tom-Boonen-Huldigung. Sein Auftritt wurde von Tausenden umrahmt. Am Sonntag folgt der Höhepunkt: Für den 36-Jährigen ist die 115. Ausgabe von Paris-Roubaix nach 15 Jahren der Schlussakt einer überaus erfolgreichen und bisweilen schillernden Profilaufbahn. „Mein Tag ist gekommen, ich bin mit mir im Frieden. Kein Grund, deswegen emotional zu werden“, so Boonen vor der letzten sportlichen Tortur seines Lebens.
Es ist in Deutschland schwer nachzuvollziehen, welche Bedeutung dieser Radprofi im Land der Flamen und Wallonen hat, er hat ohne Übertreibung sogar eine vereinigende Kraft unter den manchmal heftig rivalisierenden Volksgruppen. Wenn man Boonens Popularität etwa mit der eines Boris Becker zu seinen Glanzzeiten vergleicht, kommt man ihr nahe. „In Belgien kennt ihn jeder, vom Kind bis zur Großmutter“, erzählt Boonens deutscher Quick-Step-Kollege Marcel Kittel. Es hat etwas von einer bedingunglosen Liebe, die die Belgier mit ihrem „Tommeke“verbindet. Auch, weil der Routinier seine Makel hat, sportlich und privat tiefe Krisen durchlebte. Nun geht es aber noch einmal durch die „Hölle des Nordens“, durch das 257 km lange Rennen, das Boonen wie kaum ein anderes prägte. Vier Pflastersteine hat „Tornado Tom“im Velodrom von Roubaix gewonnen, der fünfte würde ihn zum Rekordsieger krönen. Und wäre gleichzeitig ein angemesser Schlusspunkt einer auch so überragenden Karriere.