Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
„Nagelsmann ist kein Baby-Mourinho“
Der Co-Trainer der TSG Hoffenheim verrät, wie der junge Erfolgscoach arbeitet
ZUZENHAUSEN (dpa/SID) - Niemand ist näher dran an Julian Nagelsmann als Alfred Schreuder. Keiner kann die Arbeit des jungen Erfolgstrainers von 1899 Hoffenheim deshalb so gut beurteilen wie sein Assistent, der stets in kurzen Hosen auf der Bank des Bundesligisten sitzt. Der erfahrene Niederländer kam einst mit Huub Stevens in den Kraichgau und erlebt und prägt nun den Höhenflug der TSG. „Für mich ist er der beeindruckendste Trainer, den ich je gesehen habe. Es gibt in Deutschland keinen Zweiten wie ihn – auch nicht in Europa“, sagt Schreuder über seinen erst 29 Jahre alten Chef. „Julian ist Julian, er muss einfach so bleiben. Er ist kein Baby-Mourinho, er ist keiner wie Pep Guardiola. Er ist Nagelsmann.“
Das ganze Training sei neu für ihn, erzählt Schreuder. „In den Niederlanden sagt man: Du musst viel für das System trainieren, viele gleiche Sachen einstudieren. Aber Julian sagt: Wir müssen weg von Automatismen.“Nagelsmann trainiere zu Beginn der Woche viele Dinge für den Kopf. „Er spricht am Spieltag nicht mehr viel über Taktik, das haben wir schon in den Tagen davor gemacht.“
Schreuder machte einst als Profi 338 Spiele in der Ehrendivision. Als Co-Trainer erlebte er Theo Bos bei Vitesse Arnheim, den Engländer Steve McLaren („Er hat viel gelernt von Alex Ferguson“) und den früheren belgischen Nationalkeeper Michel Preud’homme („Er war ein unfassbar harter Arbeiter“) beim FC Twente. Dann avancierte er zum „Null-Spiele“-Assistenten, wie es in seiner Heimat mal hieß, von Oranje: Der 44-Jährige sollte an der Seite von Bert van Marwijk die Nationalmannschaft trainieren, doch van Marwijk musste nach der verpatzten EM 2012 gehen. 2014 machte Twente seinen einstigen „Sechser“zum Chef. Im Herbst 2015 rief Huub Stevens Schreuder an: Ob er mit ihm in die Bundesliga gehen würde? Der einstige Schalker UEFA-CupSieger verriet jedoch nicht, zu welchem Verein. Schreuder dachte, Stevens heuere zum dritten Mal beim VfB Stuttgart an. Aber es war Hoffenheim.
Kürzlich hielt Matthias Sammer einen Vortrag vor niederländischen Spitzentrainern. Auch Nagelsmanns Co war dabei. „Er sagte: Am Ende geht es um das Gewinnen“, so Schreuder. „Ich glaube, dieses Gen hat Julian auch: Julian ist ein echter Gewinner und will der Beste sein.“Das hat Nagelsmann diese Woche beim 1:0-Coup gegen den FC Bayern bewiesen.
Und nicht nur deshalb hofft Mehrheitseigner Dietmar Hopp auf das Erreichen der Champions League und gibt bei Sky News zu, dass er sich „erst einmal an den Gedanken gewöhnen muss, vielleicht gegen die Großen zu spielen. Wir sind aber darauf eingestellt, dass es womöglich eine einmalige Geschichte sein wird, dass es kein Selbstläufer ist. Wir müssen ein Verein sein, der sich weiter an Financial Fairplay hält, der die Regeln einhält – und dazu müssen wir klug wirtschaften.“Mit einem Trainer wie Nagelsmann könnte dies einfacher werden.