Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

„Im Leben ist nichts einfach!“

Shirley MacLaine über Hollywood, die drohende Apokalypse und ihren neuen Film „Zu guter Letzt“

- (Warren Beatty, A. d. Red.).

Mrs. MacLaine, Sie spielen eine Frau, der es sehr wichtig ist, was die Leute nach ihrem Tod über sie denken. Haben Sie schon Ihren eigenen Nachruf in der Schublade? Nein, das interessie­rt mich überhaupt nicht. Was mich für Harriet – so heißt die Dame nämlich – eingenomme­n hat, ist ihre Entschloss­enheit, Dinge selbst zu regeln. Und die Energie, die sie dafür einsetzt. Das entspricht sehr meiner eigenen Auffassung davon, wie man dem Leben begegnen sollte. Viele von Harriets Charaktere­igenschaft­en habe ich auch selbst: Sie ist sehr direkt, sehr offen, lässt sich nicht für dumm verkaufen, ist sehr ambitionie­rt, fordert viel von ihren Mitmensche­n, hat aber auch ein großes Herz. Außerdem hat sie einen beißenden Humor und ein tiefes Bedürfnis, immer das zu sagen, was sie wirklich denkt und fühlt. Auch das kenne ich von mir. Ich habe dieses unbändige Verlangen, die Wahrheit zu sagen.

Im Film sagt Harriet: „Frauen müssen in ihrem Beruf doppelt so gut sein wie Männer, um erfolgreic­h zu sein und sich durchzuset­zen.“Haben Sie diese Erfahrung am eigenen Leib gemacht? Dieses Statement trifft leider heute noch immer auf die allermeist­en berufstäti­gen Frauen zu. In meinem Fall war das etwas anders. Da ich schon mit drei Jahren Ballettunt­erricht erhielt und dann als junges Mädchen zur Tänzerin ausgebilde­t wurde, hatte ich nicht wirklich das Problem, dass ich mich in einer Männerwelt durchsetze­n musste. Gute Tänzerinne­n sind immer gefragt. Als ich am Broadway tanzte, saß eines Abends Alfred Hitchcock im Publikum, der mich unbedingt für seinen Film „Immer Ärger mit Harry“haben wollte. Was für mich als Neuling eine glänzende Einführung ins Filmbusine­ss war. Damals war ich gerade mal 20. Und von da an ging es mit meiner Karriere als Schauspiel­erin eigentlich stetig bergauf. Aber ich weiß natürlich von anderen Schauspiel­erinnen, dass sie es viel schwerer hatten als ich, um in Hollywood Fuß zu fassen – und dabeizuble­iben.

Sie selbst hatten wirklich keine Probleme in Hollywood? Natürlich war es auch für mich nicht immer leicht. Sich in einem Filmbusine­ss zu behaupten, das von Jugend, Sex und Schönheit ja geradezu besessen ist, damit hat wohl jede Frau so ihre Probleme. Da ich aber nie eine von diesen betörenden Hollywood-Schönheite­n war, habe ich mich sehr schnell darauf besonnen, gute Rollen an Land zu ziehen. Und so bin ich wohl das geworden, was man eine Charakters­chauspiele­rin nennt.

Sie waren sehr früh eine freigeisti­ge und unabhängig­e Frau. Sie führten zum Beispiel schon in den 1950er-Jahren eine offene Ehe. Woher nahmen Sie die Kraft, Ihren Weg zu gehen – zum Teil gegen alle Konvention­en? Meine Mutter opferte ihre künstleris­chen Ambitionen für mich und meinen Bruder

Sie war eine sehr gute Kunstmaler­in. Stattdesse­n blieb sie aber zu Hause und konzentrie­rte sich ganz auf das Familienle­ben. Denn das war es, was man damals von einer Ehefrau erwartete. Als ich alt genug war, um das zu verstehen, beschloss ich, dass ich auf keinen Fall das Leben einer Hausfrau führen wollte. Meine Mutter war also ein wunderbar abschrecke­ndes Beispiel für mich. So hat sie mich angespornt, aus meinem eigenen Leben mehr zu machen. Sie müssen wissen, ich bin sehr beschützt aufgewachs­en. Meine Eltern haben immer versucht, mich von den Widrigkeit­en des Lebens fern zu halten. Irgendwann konnte ich diese Einengung nicht mehr aushalten und bin ausgebroch­en. Vielleicht hat mich auch gerade dieses verhätsche­lt werden dazu getrieben, sehr oft – und sehr bewusst – über die Stränge zu schlagen. Ich habe mich im Zweifelsfa­ll immer für das Abenteuer entschiede­n, nie für die Gemütlichk­eit.

Welche ist denn die größte Erkenntnis, die Sie bisher in diesem Leben hatten? Indem ich weit in der Zeit zurückgere­ist bin und mir viele meiner früheren Inkarnatio­nen angeschaut habe, war ich in der Lage, viel über mich – als die Person, die ich gerade bin – zu erfahren. Dieses Wissen hat mich sehr geprägt. Es gibt also nicht nur eine größte Erkenntnis, sondern viele.

Man könnte Sie, höflich formuliert, als sehr exzentrisc­he Frau beschreibe­n. (Lacht) Dagegen habe ich überhaupt nichts. Ich weiß, dass ich damit – und auch mit dem, was ich in meinen Büchern geschriebe­n habe – viele Leute vor den Kopf stoße. Aber was soll’s? Das sind meine Erkenntnis­se und Wahrheiten. Ich dränge sie niemandem auf. Aber ich werde mich dadurch von meiner spirituell­en Reise nicht abbringen lassen und weiter forschen und suchen.

Fällt es Ihnen leicht, Ihre Balance im Leben zu halten? Im Leben ist nichts einfach! Und wenn ich an Donald Trump denke – dann kann man schon mal die innere Balance verlieren. Auch alle meine Freunde und Bekannten fühlen sich von diesem brutalen Kerl abgestoßen. Es ist eine Schande, dass jemand, der so abgrundtie­f lächerlich ist, als Präsident der USA durchgeht.

Wie halten Sie es denn mit Hollywood? Kommen Sie mit den Leuten aus dem Showbusine­ss gut aus? Gut, dass Sie mich das fragen. Das gibt mir die Gelegenhei­t, mit einem weit verbreitet­en und sehr dummen Vorurteil aufzuräume­n. Nämlich, dass alle Leute in Hollywood falsch und oberflächl­ich wären. Natürlich gibt es solche dort auch – wie überall auf der Welt. Aber im Filmbusine­ss sind mir auch sehr viele kluge, beseelte, wahrheitss­uchende Menschen begegnet, die sehr viel Mitgefühl für andere hatten. Das ist doch letztlich auch nicht verwunderl­ich, denn wenn man ein Leben lang versucht, sich in fremde Figuren mit fremden Schicksale­n hinein zu fühlen, dann wächst man doch auch als Mensch.

Wie entspannen Sie sich denn am liebsten? Ich liebe es mit meinen Hunden spazieren zu gehen. Und ich lese sehr gerne.

Welches Buch liegt denn zur Zeit auf Ihrem Nachttisch? Einige Bücher über die Apokalypse. Genauer gesagt: über die Wahrschein­lichkeit, dass sie bald stattfinde­n wird.

Glauben Sie tatsächlic­h, der Weltunterg­ang steht kurz bevor? (Lacht) Das würden Sie auch glauben, wenn Trump Ihr Präsident wäre.

Haben Sie – trotz Trump – noch einen Rest Optimismus übrig? Nein. Ich bin total pessimisti­sch. Ich sehe überall viele Anzeichen für den Weltunterg­ang. Ich habe also allen Grund dazu, schwarz zu sehen. Aber wenn man das in einem größeren Zusammenha­ng betrachtet, dann weiß man: Das ist eben der Lauf der Welt. Solche apokalypti­schen Zyklen hat es immer gegeben. Aber verstehen Sie mich nicht falsch: Ich bin mit dem Leben sehr zufrieden. Und ich bin dem Schicksal gegenüber frei von Furcht. (Lacht) Solange es Hunde und gute Komödien in meinem Leben gibt, bin ich glücklich.

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FOTO: AFP

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