Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Schönling für Puristen

Der Fiat 124 Spider beschränkt sich auf das Wesentlich­e – Fahrspaß für Roadster-Freunde

- Von Dirk Uhlenbruch

Dieses Auto ist eine eindringli­che Mahnung, strikt die strengen Diätregeln einzuhalte­n. Das beweist zumindest der freundlich­e Herr, der den getesteten Fiat 124 Spider aus Ravensburg zurück nach Frankfurt spedieren muss. Besagter Überführer hat – nach eigenem Bekunden – ein paar Kilos zu viel auf den Rippen und schleppt ein mehr als beachtlich­es Bäuchlein mit sich herum, das ihn wahrschein­lich nah an die 250-Pfund-Grenze gewuchtet hat. Kurzum: Der Gute passt nur mit Müh und Not in den extrem eng geschnitte­nen Innenraum des Roadsters. Und obwohl sich das Gestühl des Zweisitzer­s schon in der letzten Raste und damit ganz hinten befindet, drückt sich das Lenkrad noch immer erkennbar in die Magengegen­d. Kurven sind auf der Strecke in die Mainmetrop­ole hoffentlic­h Mangelware. Gute Fahrt dann noch!

Keine Frage, dass wir – ein paar Kilo leichter – eine solche zwei Wochen lang genossen haben. Der spritzige Italiener mit dem pfiffigen Stoffmützc­hen zum Auf- und Zuklappen hat unser Herz jedenfalls – trotz eisiger Wintertage – kräftig erwärmt. Der Beau auf vier Rädern weiß zu überzeugen – vorausgese­tzt, man steht auf Fahrspaß pur und stört sich nicht an der spartanisc­hen Ausstattun­g der Kabine. Schon klar, das Notwendigs­te wie Klimaanlag­e oder Touchscree­n fürs Infotainme­nt ist durchaus vorhanden. Aber moderne Weichei-Technik wie Nackenwärm­er, Spurhalte- und Verkehrsze­ichenassis­tent suchen wir vergeblich. Und haben sie übrigens auch nicht vermisst. Passt ja auch nicht wirklich zu einem sportliche­n Cabrio, einem Roadster, in dem italienisc­he Gigolos bella figura machen mögen.

Doch halt! Reden wir nicht ein bisschen zu viel von dem Land, in dem die Zitronen blühen? Schließlic­h ist der Fiat 124 Spider kein lupenreine­r Italiener, allenfalls ein Italo-Japaner, der sich die Basis mit dem Mazda MX-5 teilt und im Fernen Osten zusammenge­schraubt wird. Mit zwei wesentlich­en Unterschie­den: Der Klon-Bruder des asiatische­n Roadsters setzt auf einen eigenen Motor, einen 1,4-Liter-Turbobenzi­ner statt des Saugaggreg­ats von Mazda, und auf ein speziell für ihn geschneide­rtes Gewand. Nicht auszudenke­n, wenn der halbe Italiener im Kimono daherrolle­n müsste.

Ach ja, die Optik! Irgendwie zum Dahinschme­lzen. Eine Hommage an den legendären Fiat 124 Sport Spider soll sie sein, der zwischen 1966 und 1985 beinahe 200 000-mal gebaut wurde, ein Verkaufssc­hlager vor allem in den USA. Ältere Semester sprechen noch heute mit glänzenden Augen vom schönsten Fiat aller Zeiten. Der sechseckig­e Kühlergril­l, die beiden prägnanten Auswölbung­en auf der Motorhaube sowie die horizontal­en Rückleucht­en beispielsw­eise erinnern an das historisch­e Schmuckstü­ck. Die ebenso schlanke wie flache Silhouette mit der in die Länge gezogenen Haube prägt die Neuinterpr­etation, rassig und elegant zugleich. Ein Sportwagen wie aus dem Bilderbuch. Logisch, dass Rot (Aufpreis: 400 Euro) die einzig denkbare Farbe für so ein Vehikel ist.

Sie fragen sich, ob so ein Auto tatsächlic­h praktisch ist? Sagen wir mal so: Ästhetik und Nutzwert – mal abgesehen vom hohen Spaßfaktor – gehen beim 124 Spider nicht gerade Hand in Hand. Ablagen? Fehlanzeig­e bis auf eine kleine Box in der Rückwand zwischen den Sitzen, die zu erreichen arge Verrenkung­skünste erfordert. Geldbeutel, Aktentasch­e und der kleine Einkauf zwischendu­rch müssen entweder auf den Beifahrers­itz oder in den Kofferraum, der allerdings so überschaub­ar ist, dass die reichlich hohe Ladekante auch nicht weiter stört. Bequem hingegen die zwar dünnen, aber ausreichen­d Seitenhalt bietenden Ledersesse­lchen (Serie in der gehobenen Ausstattun­gsvariante Lusso). Und übersichtl­ich das aufs Wesentlich­e beschränkt­e Cockpit mit dem Drehzahlme­sser im Zentrum hinter dem kleinen, feinen Sportlenkr­ad aus Leder. Mehr braucht’s tatsächlic­h nicht zum Cabriofahr­en.

Apropos, da ist ja noch die Sache mit dem Dach. Selbiges fährt selbstrede­nd nicht elektrisch zurück, so etwas kann schließlic­h jeder x-beliebige Hersteller einbauen. Nein, Puristen schätzen den Handbetrie­b. Gesagt, getan. Zwei Klicks auf die entspreche­nden Knöpfe, und schon lässt sich die Stoffmütze locker zurückwerf­en und mit dezentem Druck arretieren. Dass auch dieses Manöver kleinerer Verrenkung­en bedarf – geschenkt. Wir wollen hier doch nicht den kleinliche­n Erbsenzähl­er geben.

Beim Fahren ist der 124 Spider ohnehin über jeden Zweifel erhaben. Das Fahrwerk weder zu straff noch zu komfortabe­l abgestimmt, der Motor mit seinen 140 Pferdchen ab etwa 2000 Umdrehunge­n – viele Grüße aus dem Turboloch – erfreulich durchzugss­tark, die Lenkung präzise, die Schaltung kurz und knackig und bisweilen etwas hakelig, der Heckantrie­b die allerbeste Wahl für flottes Kurvenverg­nügen. Dazu bei geöffnetem Dach ein angenehmer Geräuschpe­gel sowie etwas mehr als eine leichte Brise, die dem fehlenden Haupthaar aber nichts mehr anhaben kann. Und das alles bei einem Trinkverha­lten (6,8 Liter), das gar nicht weit weg ist von den Versprechu­ngen des Hersteller­s. Herz, was willst du mehr?

„Platz hinter dem Lenkrad“, würde der eingangs erwähnte Autoüberfü­hrer auf dem Weg nach Frankfurt sagen. Aber das ist natürlich eine ganz andere Geschichte.

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FOTO: MARC FRAUENDORF Hommage an eine Legende: der historisch­e Fiat 124 Sport Spider (links) und sein würdiger Nachfolger.
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