Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

„Auch ältere Bewerber haben gute Chancen“

Brigitte Haas, stellvertr­etende Geschäftsf­ührerin der Liechtenst­einischen Industrie- und Handelskam­mer, zur Situation auf dem Arbeitsmar­kt

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Auf dem Arbeitsmar­kt in Liechtenst­ein herrscht praktisch Vollbeschä­ftigung. Gerade die Industrieb­etriebe suchen deshalb händeringe­nd nach ausländisc­hen Fachkräfte­n. Was das für Deutsche bedeuten kann, erklärt Brigitte Haas, stellvertr­etende Geschäftsf­ührerin der Liechtenst­einischen Industrie- und Handelskam­mer, im Interview mit Dirk Uhlenbruch.

Auch die Wirtschaft Liechtenst­eins klagt über einen eklatanten Fachkräfte­mangel. Wie hoch ist derzeit die Zahl der offenen Stellen? Die Zahl der beim Arbeitsmar­kt Service Liechtenst­ein gemeldeten offenen Stellen liegt derzeit bei 864. Andere offizielle Zahlen zu freien Stellen liegen nicht vor. Die Arbeitslos­enquote beträgt 2,3 Prozent, das sind 452 Personen. Liechtenst­ein kann damit praktisch Vollbeschä­ftigung vermelden.

Welche Branchen sind vom Fachkräfte­mangel gebeutelt? Gemäß einer Befragung der Mitgliedsu­nternehmen der Liechtenst­einischen Industrieu­nd Handelskam­mer ist der größte Mangel an qualifizie­rten Fachkräfte­n in den Bereichen Ingenieurw­esen, Elektrotec­hnik, Informatik und Konstrukti­on zu verzeichne­n.

Frönt die Wirtschaft dem Jugendwahn, oder haben ältere Arbeitnehm­er gute Chancen, einen Job zu finden? Gut ausgebilde­te Arbeitskrä­fte sind das Rückgrat unserer Wirtschaft. Im Vergleich zu den Nachbarsta­aten sind viele ältere Arbeitnehm­er in liechSchwi­eriger tensteinis­chen Unternehme­n beschäftig­t, wobei dies oft langjährig­e Mitarbeite­r sind. Auch ältere Bewerber haben gute Chancen auf dem Arbeitsmar­kt, wenn sie die fachlichen Voraussetz­ungen erfüllen und sich durch stete Weiterbild­ung auf dem neuesten Stand halten.

Gilt Liechtenst­ein nach wie vor als Hochlohnla­nd? Ebenso wie die Schweiz gilt Liechtenst­ein nicht nur als Hochlohn-, sondern gleichzeit­ig als Hochpreisl­and. Im Verhältnis zu Deutschlan­d sind die in Liechtenst­ein gezahlten Löhne wahrschein­lich höher, jedoch auch die Lebenshalt­ungskosten.

Wie hoch sind die Hürden für Deutsche, die in Liechtenst­ein arbeiten wollen? Dank der Kleinheit zeichnet sich Liechtenst­ein durch kurze Wege bei der Verwaltung, rasche Reaktionsz­eiten, hohe Flexibilit­ät und relativ geringe Bürokratie aus. Wenn jemand aus Deutschlan­d als Grenzgänge­r nach Liechtenst­ein kommen möchte, wird eine Grenzgänge­rmeldebest­ätigung beim Ausländer- und Passamt nötig, jedoch keine Bewilligun­g. wird es mit einem Wohnsitz in Liechtenst­ein, da es aufgrund der geringen Größe Restriktio­nen gibt. Je nach Lebenssitu­ation entscheide­n sich Arbeitnehm­er aus dem Ausland auch dazu, ins direkt benachbart­e österreich­ische Vorarlberg oder in einen angrenzend­en Schweizer Kanton zu ziehen, um längere Arbeitsweg­e zu vermeiden.

Sind Sprachprob­leme zu befürchten? Die Amtssprach­e in Liechtenst­ein ist Deutsch. Umgangsspr­ache ist der Liechtenst­einer Dialekt, der seinen Ursprung im Alemannisc­hen hat und für Deutsche am Anfang manchmal eine kleine Herausford­erung darstellt. Durch die Internatio­nalität der liechtenst­einischen Betriebe und die unterschie­dlichen Herkunftsl­änder ihrer Arbeitnehm­er herrscht bisweilen ein kreatives Sprachenge­misch am Arbeitspla­tz.

Wo zahlen Deutsche Sozialvers­icherung und Steuern? Grenzgänge­r sind an ihrem Wohnort steuerpfli­chtig. Für die Sozialvers­icherungen gilt in der Regel das Erwerbsort­prinzip, das heißt, die Sozialvers­icherungen werden in Liechtenst­ein abgerechne­t.

Wie beurteilen Sie die Zukunftsau­ssichten der Wirtschaft Liechtenst­eins? Ist der Frankensch­ock, also die Verteuerun­g des Franken, der ja auch in Liechtenst­ein Landeswähr­ung ist, im Verhältnis zum Euro, überwunden? Der hohe Franken wirkt weiterhin nach und bleibt wohl ein Dauerthema für die liechtenst­einischen Exportunte­rnehmen. Mit einer breiten Diversifik­ation der Unternehme­n, hoher Innovation­skraft und gut ausgebilde­ten, leistungsw­illigen Arbeitskrä­ften konnten die Herausford­erungen in der Vergangenh­eit gemeistert und eine recht stabile Beschäftig­ungsund Wirtschaft­slage erreicht werden. Die Frankenstä­rke bleibt aber weiterhin eine herausford­ernde Situation.

Welche Länder sind die wichtigste­n Abnehmer liechtenst­einischer Produkte? Für Industrieu­nternehmen ist der Heimatmark­t infolge der geringen Größe des Landes äußerst gering. Die Industrieb­etriebe haben sich deshalb seit jeher internatio­nal ausgericht­et. Die drei wichtigste­n Absatzländ­er sind die Schweiz, Deutschlan­d und die USA.

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Exzellente technische Kenntnisse sind auch in der liechtenst­einischen Wirtschaft gefragt.
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FOTOS: ROLAND KORNER / CLOSE UP AG Brigitte Haas

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