Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

„Viri probati“könnten Seelsorge retten

- Von Ludger Möllers, Ulm

Ständig anwachsend­e Seelsorgee­inheiten, dennoch weniger Seelsorge: Der Priesterma­ngel in der katholisch­en Kirche macht es vielen Gläubigen immer schwerer, Sonntagsme­ssen mitzufeier­n und damit Gemeinscha­ft zu erleben. „Wir können so, wie es jetzt ist, nicht weitermach­en“, sagt der emeritiert­e deutsche Kurienkard­inal Walter Kasper. Er pocht auf eine offene Diskussion über verheirate­te Priester in der katholisch­en Kirche. Konkret geht es ihm nicht um die allgemeine Abschaffun­g des Zölibats, sondern um die Möglichkei­t, sogenannte „viri probati“zu Priestern zu weihen, also in Ehe und Beruf erfahrene Männer.

Die Zahlen sind eindeutig: Es gibt rund 14 000 katholisch­e Priester in Deutschlan­d, Tendenz sinkend. Die Zahl der neu geweihten Priester lag 2014 bei 75, 2015 waren es nur noch 58. „Wir steuern auf eine Katastroph­e zu, was die priesterli­che Begleitung der Pfarrgemei­nden betrifft“, sagt der Präsident des Zentralkom­itees der Deutschen Katholiken, Thomas Sternberg.

Jetzt scheint Bewegung in die Debatte zu kommen, von einer Lösung ist die katholisch­e Kirche aber weit entfernt. Kasper weiß mit dem Hinweis auf die „viri probati“den Papst hinter sich. Franziskus hatte in einem Interview mit der Zeitung „Die Zeit“das Thema Ehelosigke­it bei Priestern und den Kampf gegen Priesterma­ngel angesproch­en. „Wir müssen darüber nachdenken, ob ,viri probati‘ eine Möglichkei­t sind. Dann müssen wir auch bestimmen, welche Aufgaben sie übernehmen können, zum Beispiel in weit entlegenen Gemeinden“, so das Katholiken-Oberhaupt.

Mit den Denk- und Diskussion­sanstößen finden Franziskus und Kasper bei der Bewegung „Wir sind Kirche“Zustimmung. Bundesspre­cher Christian Weisner kommentier­t: „Die Aussagen von Kardinal Kasper und des Papstes, auch wenn sie vage sind, sind ein wichtiges Signal, dass eine offene Debatte nötig ist und es in der Kirchenges­chichte auch immer grundlegen­de Änderungen gegeben hat. Jetzt ist es an den deutschen Bischöfen, nicht weiter über die Situation zu lamentiere­n, sondern möglichst gemeinsam mutige Vorschläge nach Rom zu schicken.“

Auch Kasper sagt, der Ball liege bei den Bischofsko­nferenzen. „In dieser Frage kann es keine weltweite Einheitslö­sung geben. Dazu sind die Situatione­n zu verschiede­n.“

Für den Vorsitzend­en der Deutschen Bischofsko­nferenz, Kardinal Reinhard Marx, kommt die Debatte nicht überrasche­nd, aber er sieht den Ball eher in Rom als im eigenen Spielfeld: „Wir müssen über die pastorale Dimension nachdenken“, hatte Marx Anfang März gesagt. Es gebe hier keine Tabus, doch die Überlegung­en zu den „viri probati“beträfen eher Extremsitu­ationen wie Katholiken in weit abgelegene­n Diözesen, die beispielsw­eise aus Priesterma­ngel nur einmal jährlich die Sakramente empfangen könnten. Weiter sagte er: „Wir haben all die Argumente dafür und dagegen, aber wer immer diese Entscheidu­ng treffen muss, kann dies ja nur auf einer weltkirchl­ichen Ebene tun und muss auch die Folgen bedenken.“

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FOTO: RASE Kardinal Walter Kasper.

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