Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Paris besiegelt Aus von Fessenheim
Atomkraftwerk soll 2018 vom Netz gehen – Grüne zweifeln am Ende des Pannenreaktors
FESSENHEIM (dpa) - Frankreich hat die Schließung des umstrittenen Atomkraftwerks Fessenheim an der Grenze zu Baden-Württemberg unweit von Freiburg besiegelt. Ein entsprechendes Dekret wurde am Sonntag im Amtsblatt veröffentlicht, wie Energie- und Umweltministerin Ségolène Royal via Twitter mitteilte. Die Sozialistin hatte den Schritt bereits vor einigen Tagen angekündigt und die Abschaltung für 2018 versprochen. Deutschland und Umweltschützer sehen das älteste französische Atomkraftwerk schon lange als Sicherheitsrisiko.
Der baden-württembergische Umweltminister Franz Untersteller (Grüne) sprach einer am Sonntag in Stuttgart veröffentlichten Mitteilung zufolge von „Augenwischerei“. Das Abschalten des Atomkraftwerks in Fessenheim sei „sicher nicht näher gerückt“. Er meinte: „Das Dekret ist so formuliert, dass es den Betrieb von Fessenheim auf Jahre hinaus zementiert. So ist es mehr eine Betriebserlaubnis als ein Abschaltdekret. Das findet nicht meine Zustimmung.“
Von einem „schlechten Deal“sprach die Grünen-Bundestagsabgeordnete Sylvia Kotting-Uhl. Vor allem der französische Energiekonzern EDF profitiere davon stark. Die GrünenSprecherin für Atompolitik warnte zudem davor, dass nach der französischen Präsidentenwahl im Mai die Karten neu gemischt werden könnten.
Der Betreiber EDF hatte der Schließung in der zurückliegenden Woche nur unter Bedingungen zugestimmt. So soll Fessenheim erst dann geschlossen werden, wenn der Europäische Druckwasserreaktor (EPR) in Flamanville am Ärmelkanal ans Netz geht – er soll nach langen Verzögerungen Ende 2018 fertig sein. ANZEIGE Das Dekret nimmt diese Bedingung auf. Es bindet die Aufhebung der Betriebserlaubnis für Fessenheim an den EPR-Starttermin.
Wahlversprechen von Hollande
Das Projekt sorgte allerdings bisher mit Verzögerungen und Kostensteigerungen für Schlagzeilen. So prüfte die Atomaufsicht Materialprobleme am Reaktorbehälter. Solange sie keine Zustimmung gibt, kann es nicht losgehen. Eine Entscheidung wird in den kommenden Monaten erwartet.
Die Schließung von Fessenheim war ein Wahlversprechen von Präsident François Hollande, der im Mai aus dem Amt scheidet. Fessenheim ist das älteste französische Atomkraftwerk, das noch in Betrieb ist. Es ging 1977 ans Netz. Aus Sicht von Umweltschützern ist die Anlage veraltet, es bestehe die Gefahr einer Panne. Auch die deutsche Bundesregierung fordert schon länger die Abschaltung. Ein Reaktor ist bereits seit vergangenem Jahr vom Netz, weil Materialfehler an einem Dampferzeuger überprüft werden. Die deutschen Grünen bezeichnen das Kraftwerk als „Schrottreaktor“. Frankreich setzt seit Jahrzehnten auf die Nuklearenergie. Drei Viertel des Strombedarfs kommen aus Atommeilern.