Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Kultur leben
F ederico Fellinis Spielfilm von 1983, „E la nave va“, „Schiff der Träume“war eine gallige Parabel auf das im Ersten Weltkrieg untergehende Europa und seine herrschende Bourgeoisie, die in ihrem Luxus jeden Bezug zur Realität verloren hat und 1914 auf einem Luxusdampfer im Meer vor Italien untergeht. Der Plot des Filmes ist bis heute so brisant, dass er mehrfach für die Bühne adaptiert wurde – in Dresden, Düsseldorf und München. Nun in einer dramaturgisch gut gestrafften Fassung von dem Regisseur Bernd Liepold-Mosser am Vorarlberger Landestheater in Bregenz. Acht gesellschaftlich so veranwortungs-wie nutzlose Chargen aus Adel und Edel-Kultur heuern die „Gloria N“an, um die Asche von Edmea Tutua, der größten Operndiva ihrer Zeit, im Meer zu verstreuen. Kultur ist für diese Klasse amüsantes Dekor. Früher hielt man sich dafür einen Mozart oder Händel. Und so ist es ein wundervoll ironischer Bezug dazu, dass auf dem Schiffsdeck in Bregenz live ein exzellentes Streichquartett spielt, dem dekadenten Kulturbegriff dieser dauerschwadronierenden Clique entsprechend von Nabucco bis Heino. Mit fabelhaften Gesangsleistungen der Schauspieler. In Fellinis Film ist die wirkliche Welt ganz plötzlich auf dem Deck: Es herrscht Krieg, im Meer treiben serbische Flüchtlinge vom SarajevoAttentat. Der Kapitän nimmt sie auf – auch in der Bühnenversion, freilich tauchen sie da nur in den plötzlich von Panik, Fremdenangst und Horrorklischees erfüllten Gesprächen auf. Das „L‘art-pour-l‘art“-Geplänkel gefriert. Die Historie bleibt in der Bühnenversion unverändert. Der österreichisch-ungarische Panzerkreuzer fordert die Auslieferung der Kriegsflüchtlinge. Und plötzlich liegt die heutige Wirklichkeit des Mittelmeers in der zuvor noch aufgedrehten Theater-Atmosphäre. Die nächsten Vorstellungen unter www.landestheater.org Das Flatz-Museum in Dornbirn ist wenig bekannt in der Region, doch dieser kleine Ort mit einem winzigen Etat und einem engagierten Team ist in seiner Offenheit für künstlerische Formen, gesellschaftliche Themen und Sichtweisen ein lohnender Ort. Bis 22. Juli zeigt das Flatz den britischen Magnum-Fotografen Martin Parr mit seiner neuen Farb-Serie „Cakes & Balls“. Ergebnisse von zwei Wien-Aufenthalten, in denen er mit der Kamera berühmte, visuell ausgelutschte oder von Klischees besetzte Orte besuchte, aber mit einem ganz anderen, einem in den Foto-Ergebnissen verblüffenden Blick. Das Flatz-Museum, Marktstraße 33 in der Dornbirner Innenstadt, ist immer nur Freitag und Samstag geöffnet. Details unter www.flatzmuseum.at
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