Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Phänomen Petersen und die Lust auf Europa

Freiburg feiert 18. Jokertor des Stürmers – Mainz hält an Trainer Martin Schmidt fest

- Von Alfred Moosmann

FREIBURG - Der Respekt in schwerer Stunde war Martin Schmidt gewiss. Freiburgs Trainer Christian Streich ließ nach dem glückliche­n 1:0-Sieg gegen Mainz 05 keinen Zweifel an der Wertschätz­ung für seinen Kollegen, der nach der fünften Niederlage in Serie um seinen Job fürchten musste. „Man sieht doch, wie intakt die Mainzer Mannschaft ist“, sagte Streich. „Es fehlte nur das Quäntchen Glück, um bei uns zu gewinnen.“Dem Plädoyer folgte 18 Stunden später das Treuebeken­ntnis von MainzSport­direktor Rouven Schröder: „Martin Schmidt hat das einhundert­prozentige Vertrauen. Die Frage nach dem Trainer brauchen Sie mir jetzt nicht mehr zu stellen. Wir werden das bis zum Ende mit ihm durchziehe­n. Wir drehen die Mechanisme­n um.“

Von den Mechanisme­n der Branche hat Streich noch nie etwas gehalten, weshalb er bereits im Vorfeld des Spiels Partei für Schmidt ergriffen hatte. Die Umarmung der beiden Trainer nach den 90 Minuten fiel denn auch besonders herzlich aus. Schmidt bedankte sich für die „warmen Worte, die mir und meiner Familie sehr gutgetan haben“. Streich sei „ein wichtiger Mann in der Liga. Ich nenne ihn das Gewissen der Liga.“Dazu passt, dass dem SCF-Trainer der schmeichel­hafte Sieg unangenehm war. „So, wie wir gespielt haben – das war nicht Freiburg. Normalerwe­ise versucht Freiburg zu kicken.“Nach mehreren Verletzung­sausfällen wollte Streich aber „vor allem auf Stabilität achten. Es ging heute nur so. Wir mussten schauen, dass wir gut verteidige­n. Aufgrund des Spielverla­ufs hätten wir mit einem Punkt zufrieden sein müssen. Mainz war fußballeri­sch besser.“

Es dauert nur 27 Sekunden Den besseren Torriecher aber besaß ein Freiburger. Nur 27 Sekunden nach seiner Einwechslu­ng traf Nils Petersen zum 1:0 (70.). Einen hoch abgewehrte­n Ball im Strafraum hatte Lukas Kübler Richtung Tor befördert, Florian Niederlech­ner verlängert­e – und mit der ersten Ballberühr­ung traf Petersen. Der Rekord ist damit eingestell­t: 18 Tore als Joker hat in der Bundesliga-Geschichte neben Petersen nur Alexander Zickler erzielt. „Er hat eine außergewöh­nliche Technik, hadert nicht mit der Ersatzroll­e, kommt total fokussiert auf den Platz und haut sich voll rein“, erklärte Streich das Phänomen Petersen. „Er ist Gold wert mit seiner Abstrahlun­g auf junge Spieler, die mit solchen Dingen noch nicht gut umgehen können.“Niederlech­ner hatte im Stadionmag­azin den Stimmungse­ffekt so beschriebe­n: „Wenn er hier im Stadion eingewechs­elt wird, kocht es noch mal richtig, da hat auch jeder Gegner brutalen Respekt.“

Petersen gab auch nach dem Spielschlu­ss die Richtung vor: „Wir haben jetzt 41 Punkte, das hat uns kaum jemand zugetraut. Jetzt sind wir durch und können uns neue Ziele setzen. Den Abstiegsdr­uck sind wir los, jetzt freu’ ich mich auf positiven Druck. Ich habe Lust darauf, noch viele Punkte zu holen und ein bisschen zu träumen von Europa.“

Klopp motiviert 05 aus Liverpool Eher Alpträume plagen die Mainzer. „Der Druck für den Verein wird immer größer“, sagte Sportdirek­tor Schröder. Die Mainzer Malaise hat im fernen Liverpool selbst Ex-05Trainer Jürgen Klopp auf den Plan gerufen. In einem Motivation­svideo, das zwei Mainzer Fans bei einem Besuch in Liverpool aufgenomme­n haben, appelliert­e Klopp an die ganze Stadt, im Abstiegska­mpf Zusammenha­lt zu beweisen. Trotz zweier Meistertit­el mit Borussia Dortmund 2011 und 2012 sei sein größter Erfolg als Trainer der Aufstieg 2004 mit Mainz gewesen, verriet Klopp und hielt eine flammende Rede: „Jeder, der sich daran wieder erinnern kann, der muss jetzt aufstehen. Muss sich eine Karte fürs Stadion kaufen und muss im Heimspiel gegen Hertha BSC dabei sein. Das ist das, was Mainz immer ausgemacht hat. Wir haben mehr Schläge abbekommen als möglicherw­eise die meisten anderen Vereine. Aber wir sind immer gestärkt daraus hervorgega­ngen.“Klopp beendete seinen Aufruf mit einem Wunsch: „Da ich irgendwann nach Mainz zurückkehr­en werde, um dort zu leben, wär’ ich, ehrlich gesagt, froh, wenn da Erstliga-Fußball gespielt wird.“

Für so viel Herzblut und Verbundenh­eit mit Mainz kann es nur ein Wort geben: Respekt. Regionalli­ga Südwest (32. Spieltag) SSV Ulm 1846 – Hessen Kassel 1:2 (1:1) Tore: 1:0 Halili (3.), 1:1, 1:2 Albrecht (29., 83., Foulelfmet­er). – Gelb-Rote Karte: Bagceci (Ulm; 85.). – Rote Karten: Reichert (Ulm; 90.+4), grobes Foul; Khadraoui (Kassel; 90.+4), Tätlichkei­t.

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FOTO: DPA Die „18“trifft zum 18. Mal als Joker: Nils Petersen bejubelt sein 1:0 mit Caglar Söyüncü.

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