Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Der Meister zeigt, warum
Der FC Bayern München lässt Borussia Dortmunds B-Elf beim 4:1 keine Chance
MÜNCHEN - Manchmal kokettiert Arjen Robben mit seinem Alter. „In meinem Alter“, sagt er dann, „muss man so ein Spiel genießen“, und das klingt dann immer so, als komme er schlurfend aus der Geriatrie mit dem Rat des Arztes, seine verbleibenden Jahre noch in Würde zu verbringen. In Wahrheit ist der 33-jährige Niederländer im Gegensatz zu früher, als ihn alle zehn Tage eine neue Bänderverletzung plagte, pumperlgsund, wie sie in München sagen, und das sieht man, wenn er sein Trikot in die Menge wirft – Robbens Oberkörper ist eindrucksvoll gemustert mit Muskeln und Trapezen. Wie fit der Rechtsaußen im Innersten ist, sah man Samstagabend bei Bayerns 4:1-(2:1)-Vorführung gegen Borussia Dortmund.
Schmelzer schlief wohl schlecht Viele halten Robbens Trick, mit dem linken Fuß links parallel an den Gegenspielern vorbeizuziehen und dann loszufeuern, ja für billig. In Wahrheit macht Lionel Messi, der Wundermann aus Argentinien, ja nichts anderes, nur mit noch mehr Tempo, mehr Trippelschritten und mit rechts. Robben steht zu seinem Trick, und wie gut der ist, zeigte sich gegen den BVB. Siebenmal glückte Robben die Aktion, ein Tor resultierte daraus, das 3:1, außerdem fünf gefährliche Chancen. Weil Robben zwischendurch auch mal rechts vorbeiging oder durch die Mitte, dürfte sein armer Widerpart Marcel Schmelzer eine schlaflose Nacht verbracht haben. Womöglich haben er und Innenverteidiger Marc Bartra Schleudertraumata erlitten von all den Umkurvungen Robbens.
Kapitän Schmelzer, 29, führte Samstagnacht im angeblichen Bundesliga-Topspiel einen BVB an, der auf allen Ebenen enttäuschte, auch in puncto Widerstand. Nur einen irritierte das nicht: Trainer Thomas Tuchel. Er habe nichts anderes erwartet als dieses Resultat, sagte der 43-Jährige, schließlich hätten sieben Spieler gefehlt (Reus, Weigl, Kagawa, Piszczek, Götze, Schürrle, Durm), mit drei A-Jugendlichen (Pulisic, Passlack, Mor) und sechs Spielern, die erstmals in München in der Startelf standen, sei mehr nicht möglich. „Wir können hier nur bestehen, wenn all unsere Spieler fit und am Maximum sind. Die Aufgabe ist so einfach zu schwer, vor allem, wenn du nach zehn Minuten 0:2 hinten liegst. Wir können das Spiel sofort abhaken. Das war eine bittere Erfahrung, die so allerdings nötig ist, um hier im Pokal-Halbfinale zu bestehen“, sprach der Trainer.
Lewandowski – Aubameyang 2:0 Dass der viel gerühmte Rechtsaußen Ousmane Dembélé nichts zustande brachte – außer in der 2. Minute eine hochkarätige Chance kläglich zu versieben –, erklärte sich damit aber nicht, ebenso wenig der müde Auftritt des Gabuners Pierre-Emerick Aubameyang. Vor dem Spiel hatten Experten Dortmunds 25-Tore-Stürmer mit Bayerns 24-, nun 26-ToreMann Robert Lewandowski in allen nur denkbaren Kategorien verglichen und waren auf ein 8:8 gekommen. Am Samstag ging das Duell gefühlt 8:0 für den Polen aus. Lewandowski traf per Freistoß (2:0) und per Elfmeter (4:1), er ließ sich auch von diversen Fouls nicht stoppen. Zuweilen, wenn er seinen gewaltigen Körper dazwischenstellte, erinnerte er an eine uneinnehmbare altrömische Festung.
Der Meister zeigte auf imposante Art, warum. Warum er den fünften Titel in Folge holen wird und vermutlich – dank der klar besseren Bank als Dortmund und der kommenden internationalen Zusatzstrapazen der Leipziger – auch den sechsten. Warum er trotz des verletzungsbedingten Ausfalls von Mats Hummels in den Champions-League-Duellen gegen Titelverteidiger Real Madrid, der ohne Pepe und Varane antreten muss, leicht favorisiert ist. Bayern ist noch immer hungrig – zuvorderst seine Routiniers, die sich auf dem Höhepunkt verabschieden wollen. Die Spritzigkeit eines Philipp Lahm, die Umsicht eines Xabi Alonso, die Kaltschnäuzigkeit eines Franck Ribéry, der nach LahmFlanke zum 1:0 traf (4.), haben über die Jahre nichts an Qualität und Schärfe eingebüßt. Spielgestalter Thiago, der jede Aktion zum Trick und kleinen Kunstwerk nutzt, ist stark wie nie und versteht es meisterhaft, die Flügelflitzer zur Seite einzusetzen. Man habe kurz- und mittelfristig nicht vor, Dortmunder Spieler zu verpflichten, sagte Bayern-Chef Karl-Heinz Rummenigge vor dem Gipfel. Klar: Sie brauchen keine mehr, sie haben bessere – respektive die besten, Lewandowski und Hummels, schon geholt.
Ancelottis Kuss versöhnt Ribéry Auch Ribéry, Robbens kongenialer Kollege, gehört noch immer dazu. Wie der 34-jährige Franzose lamentierte, als er rausmusste, gehörte zu den amüsantesten Momenten am Samstag. Ribéry schimpfte wie ein Rohrspatz über die 16 verpassten Spielminuten, doch Trainer Carlo Ancelotti nahm ihn einfach in den Arm und küsste ihn auf die Stirn, so lange, bis Ribéry lachen musste. „Er hat ein großes Spiel gemacht und am Tag zuvor Geburtstag gehabt, da wollte ich ihm gratulieren“, sagte der Italiener, der jedes Störmanöver auf der Mission Triple charmant wegmoderiert.
Für die Dortmunder könnte die Saison noch im Jammertal enden. Als Liga-Vierter, sofern Hoffenheim seinen Vorsprung hält. Als Pokal-Halbfinalist, sofern in zwei Wochen kein Wunder passiert. Und als ChampionsLeague-Viertelfinalist, sollte der BVB gegen Frankreichs Himmelsstürmer vom AS Monaco am Dienstag im Heimspiel nicht seine Tugenden, seine Automatismen und seine Stammkräfte wiederfinden. „Wir brauchen dringend alle Spieler“, sagte Thomas Tuchel, „wir brauchen sie mit Kraft, Form und Energie. Es werden Spieler zurückkommen, aber wir wissen nicht in welcher Verfassung.“