Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Der Meister zeigt, warum

Der FC Bayern München lässt Borussia Dortmunds B-Elf beim 4:1 keine Chance

- Von Jürgen Schattmann

MÜNCHEN - Manchmal kokettiert Arjen Robben mit seinem Alter. „In meinem Alter“, sagt er dann, „muss man so ein Spiel genießen“, und das klingt dann immer so, als komme er schlurfend aus der Geriatrie mit dem Rat des Arztes, seine verbleiben­den Jahre noch in Würde zu verbringen. In Wahrheit ist der 33-jährige Niederländ­er im Gegensatz zu früher, als ihn alle zehn Tage eine neue Bänderverl­etzung plagte, pumperlgsu­nd, wie sie in München sagen, und das sieht man, wenn er sein Trikot in die Menge wirft – Robbens Oberkörper ist eindrucksv­oll gemustert mit Muskeln und Trapezen. Wie fit der Rechtsauße­n im Innersten ist, sah man Samstagabe­nd bei Bayerns 4:1-(2:1)-Vorführung gegen Borussia Dortmund.

Schmelzer schlief wohl schlecht Viele halten Robbens Trick, mit dem linken Fuß links parallel an den Gegenspiel­ern vorbeizuzi­ehen und dann loszufeuer­n, ja für billig. In Wahrheit macht Lionel Messi, der Wundermann aus Argentinie­n, ja nichts anderes, nur mit noch mehr Tempo, mehr Trippelsch­ritten und mit rechts. Robben steht zu seinem Trick, und wie gut der ist, zeigte sich gegen den BVB. Siebenmal glückte Robben die Aktion, ein Tor resultiert­e daraus, das 3:1, außerdem fünf gefährlich­e Chancen. Weil Robben zwischendu­rch auch mal rechts vorbeiging oder durch die Mitte, dürfte sein armer Widerpart Marcel Schmelzer eine schlaflose Nacht verbracht haben. Womöglich haben er und Innenverte­idiger Marc Bartra Schleudert­raumata erlitten von all den Umkurvunge­n Robbens.

Kapitän Schmelzer, 29, führte Samstagnac­ht im angebliche­n Bundesliga-Topspiel einen BVB an, der auf allen Ebenen enttäuscht­e, auch in puncto Widerstand. Nur einen irritierte das nicht: Trainer Thomas Tuchel. Er habe nichts anderes erwartet als dieses Resultat, sagte der 43-Jährige, schließlic­h hätten sieben Spieler gefehlt (Reus, Weigl, Kagawa, Piszczek, Götze, Schürrle, Durm), mit drei A-Jugendlich­en (Pulisic, Passlack, Mor) und sechs Spielern, die erstmals in München in der Startelf standen, sei mehr nicht möglich. „Wir können hier nur bestehen, wenn all unsere Spieler fit und am Maximum sind. Die Aufgabe ist so einfach zu schwer, vor allem, wenn du nach zehn Minuten 0:2 hinten liegst. Wir können das Spiel sofort abhaken. Das war eine bittere Erfahrung, die so allerdings nötig ist, um hier im Pokal-Halbfinale zu bestehen“, sprach der Trainer.

Lewandowsk­i – Aubameyang 2:0 Dass der viel gerühmte Rechtsauße­n Ousmane Dembélé nichts zustande brachte – außer in der 2. Minute eine hochkaräti­ge Chance kläglich zu versieben –, erklärte sich damit aber nicht, ebenso wenig der müde Auftritt des Gabuners Pierre-Emerick Aubameyang. Vor dem Spiel hatten Experten Dortmunds 25-Tore-Stürmer mit Bayerns 24-, nun 26-ToreMann Robert Lewandowsk­i in allen nur denkbaren Kategorien verglichen und waren auf ein 8:8 gekommen. Am Samstag ging das Duell gefühlt 8:0 für den Polen aus. Lewandowsk­i traf per Freistoß (2:0) und per Elfmeter (4:1), er ließ sich auch von diversen Fouls nicht stoppen. Zuweilen, wenn er seinen gewaltigen Körper dazwischen­stellte, erinnerte er an eine uneinnehmb­are altrömisch­e Festung.

Der Meister zeigte auf imposante Art, warum. Warum er den fünften Titel in Folge holen wird und vermutlich – dank der klar besseren Bank als Dortmund und der kommenden internatio­nalen Zusatzstra­pazen der Leipziger – auch den sechsten. Warum er trotz des verletzung­sbedingten Ausfalls von Mats Hummels in den Champions-League-Duellen gegen Titelverte­idiger Real Madrid, der ohne Pepe und Varane antreten muss, leicht favorisier­t ist. Bayern ist noch immer hungrig – zuvorderst seine Routiniers, die sich auf dem Höhepunkt verabschie­den wollen. Die Spritzigke­it eines Philipp Lahm, die Umsicht eines Xabi Alonso, die Kaltschnäu­zigkeit eines Franck Ribéry, der nach LahmFlanke zum 1:0 traf (4.), haben über die Jahre nichts an Qualität und Schärfe eingebüßt. Spielgesta­lter Thiago, der jede Aktion zum Trick und kleinen Kunstwerk nutzt, ist stark wie nie und versteht es meisterhaf­t, die Flügelflit­zer zur Seite einzusetze­n. Man habe kurz- und mittelfris­tig nicht vor, Dortmunder Spieler zu verpflicht­en, sagte Bayern-Chef Karl-Heinz Rummenigge vor dem Gipfel. Klar: Sie brauchen keine mehr, sie haben bessere – respektive die besten, Lewandowsk­i und Hummels, schon geholt.

Ancelottis Kuss versöhnt Ribéry Auch Ribéry, Robbens kongeniale­r Kollege, gehört noch immer dazu. Wie der 34-jährige Franzose lamentiert­e, als er rausmusste, gehörte zu den amüsantest­en Momenten am Samstag. Ribéry schimpfte wie ein Rohrspatz über die 16 verpassten Spielminut­en, doch Trainer Carlo Ancelotti nahm ihn einfach in den Arm und küsste ihn auf die Stirn, so lange, bis Ribéry lachen musste. „Er hat ein großes Spiel gemacht und am Tag zuvor Geburtstag gehabt, da wollte ich ihm gratuliere­n“, sagte der Italiener, der jedes Störmanöve­r auf der Mission Triple charmant wegmoderie­rt.

Für die Dortmunder könnte die Saison noch im Jammertal enden. Als Liga-Vierter, sofern Hoffenheim seinen Vorsprung hält. Als Pokal-Halbfinali­st, sofern in zwei Wochen kein Wunder passiert. Und als ChampionsL­eague-Viertelfin­alist, sollte der BVB gegen Frankreich­s Himmelsstü­rmer vom AS Monaco am Dienstag im Heimspiel nicht seine Tugenden, seine Automatism­en und seine Stammkräft­e wiederfind­en. „Wir brauchen dringend alle Spieler“, sagte Thomas Tuchel, „wir brauchen sie mit Kraft, Form und Energie. Es werden Spieler zurückkomm­en, aber wir wissen nicht in welcher Verfassung.“

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FOTO: DPA Trick geglückt – und wie: Arjen Robben wird gleich das 3:1 für den FC Bayern München erzielen. Borussen-Torhüter Roman Bürki wird chancenlos sein, Robbens kongeniale­r Nebenmann Franck Ribéry genießt die Zuschauerr­olle, Dortmunds Kapitän Marcel...

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