Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Herbe Kritik an der Stadtpolitik
Altstadtforum spricht von „Scheindemokratie“in Ravensburg
RAVENSBURG - Mit Sorge beobachtet das Bürgerforum Altstadt die jüngste Ravensburger Stadtentwicklung. In einem Brief an die Verwaltung und alle Stadträte stellt die Bürgergruppe ein „unkontrolliertes Fortschrittsdenken“in Ravensburg fest – und das trotz Klimaverschlechterung, Luftschadstoffbelastung und „ungebremstem Flächenverbrauch“.
Kritik gibt es vonseiten des Altstadtforums am Umgang der Stadtverwaltung mit dem Beirat für Städtebau, einem Gemeinderatsausschuss, in dem die Forumsvorstände Dietmar Hawran und Volker Petzold selbst Mitglied sind. „Man hat den Eindruck, der Beirat sei ein ungeliebtes Kind, das nur abgespeist wird.“Entweder die Sitzungen würden ausfallen, oder aber, so Volker Petzold „wird dort die Fassadengestaltung an einem einzelnen Haus gesprochen, nicht aber über ganzheitliche städtebauliche Fragen“.
Aktuelle Themen wie der geplante Umbau des Frauentorplatzes, die Situation der Räuberhöhle oder die Neubebauung des Rinkerareals seien im Beirat für Städtebau gar nicht erst behandelt worden. In seinem Schreiben fordert das Bürgerforum daher: „Der Beirat für Städtebau muss für alle anstehenden städtebaulichen Fragen einschließlich des Verkehrskonzepts zuvor beratend hinzugezogen werden.“
Forderung nach nachhaltigem Grünflächenkonzept Sorge machen den Ehrenamtlichen auch die jetzt amtlich nachgewiesene Schadstoffbelastung in der Luft und das Verschwinden von wertvollem Grün. Sie fordern daher ein nachhaltiges und ökologisches Grünflächenkonzept für die ganze Innenstadt.
Bürgerforum: Stadtverwaltung ignoriert den Denkmalschutz Angesichts des Mangels an bezahlbarem Wohnraum in Ravensburg setze die Stadt auf immer weitere Baugebiete, anstatt „das Naheliegendste“zu versuchen, nämlich die Belegung der zahlreichen leer stehenden Wohnungen. Dietmar Hawran, der von Hunderten leer stehenden Wohnungen in der Stadt ausgeht, spricht von einem „Bündnis gegen Leerstand“. Die Verwaltung müsse Besitzern anbieten, Wohnungen an die Stadt zu vermieten oder sie bei einer Vermietung zu unterstützen.
Nichts anfangen kann das Altstadtforum damit, wie in Ravensburg mit dem Thema Wachstum umge- gangen wird. Immer hieße es „Wir brauchen mehr...“, egal ob es sich um Gewerbeflächen, Baugebiete oder Hotelbetten handle. „Was wir wirklich brauchen ist ein Wachstum an Lebensqualität in allen Bereichen“, heißt es in dem Brief des Forums. Dafür benötige man in Gemeinderat und Verwaltung allerdings „langfristig denkende Köpfe und nicht nur auf den nächsten Wahltermin fixierte Schnellschießer“.
Nicht zuletzt wirft das Bürgerforum der Stadtverwaltung vor, den Denkmalschutz und die eigene Erhaltungssatzung zu ignorieren – beim Eschersteg, bei der Räuberhöhle, beim Haus der katholischen Kirche. Großen Investoren werde es gestattet, sich ebenfalls über diese Regelungen hinwegzusetzen. „Die Menschen in der Stadt haben das Gefühl, die Bauverwaltung macht, was sie will“, sagt Altstadtforumsvorstand Maria Ballarin.
Der Gemeinderat, sagt Dietmar Hawran, sei vielfach überfordert „Die eigentliche Politik läuft hinter den Kulissen ab“, heißt es in dem Brief des Bürgerforums an Verwaltung und Gemeinderat. Es werde zwar von Bürgerbeteiligung gesprochen, aber ernsthaft betrieben werde sie nicht. Der Gemeinderat, sagt Dietmar Hawran, sei vielfach überfordert: „Die Verwaltungsvorschläge sind so schlüssig ausgearbeitet, dass man eigentlich nicht dagegen sein kann.“
Volker Petzold vermutet dahinter Absicht: „Die Verwaltung müllt die Gemeinderäte mit Vorlagen zu, kein Mensch kann das alles lesen.“„Für mich“, sagt Maria Ballarin bitter, „ist das nur noch eine Scheindemokratie.“