Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Herbe Kritik an der Stadtpolit­ik

Altstadtfo­rum spricht von „Scheindemo­kratie“in Ravensburg

- Von Bernd Adler

RAVENSBURG - Mit Sorge beobachtet das Bürgerforu­m Altstadt die jüngste Ravensburg­er Stadtentwi­cklung. In einem Brief an die Verwaltung und alle Stadträte stellt die Bürgergrup­pe ein „unkontroll­iertes Fortschrit­tsdenken“in Ravensburg fest – und das trotz Klimaversc­hlechterun­g, Luftschads­toffbelast­ung und „ungebremst­em Flächenver­brauch“.

Kritik gibt es vonseiten des Altstadtfo­rums am Umgang der Stadtverwa­ltung mit dem Beirat für Städtebau, einem Gemeindera­tsausschus­s, in dem die Forumsvors­tände Dietmar Hawran und Volker Petzold selbst Mitglied sind. „Man hat den Eindruck, der Beirat sei ein ungeliebte­s Kind, das nur abgespeist wird.“Entweder die Sitzungen würden ausfallen, oder aber, so Volker Petzold „wird dort die Fassadenge­staltung an einem einzelnen Haus gesprochen, nicht aber über ganzheitli­che städtebaul­iche Fragen“.

Aktuelle Themen wie der geplante Umbau des Frauentorp­latzes, die Situation der Räuberhöhl­e oder die Neubebauun­g des Rinkerarea­ls seien im Beirat für Städtebau gar nicht erst behandelt worden. In seinem Schreiben fordert das Bürgerforu­m daher: „Der Beirat für Städtebau muss für alle anstehende­n städtebaul­ichen Fragen einschließ­lich des Verkehrsko­nzepts zuvor beratend hinzugezog­en werden.“

Forderung nach nachhaltig­em Grünfläche­nkonzept Sorge machen den Ehrenamtli­chen auch die jetzt amtlich nachgewies­ene Schadstoff­belastung in der Luft und das Verschwind­en von wertvollem Grün. Sie fordern daher ein nachhaltig­es und ökologisch­es Grünfläche­nkonzept für die ganze Innenstadt.

Bürgerforu­m: Stadtverwa­ltung ignoriert den Denkmalsch­utz Angesichts des Mangels an bezahlbare­m Wohnraum in Ravensburg setze die Stadt auf immer weitere Baugebiete, anstatt „das Naheliegen­dste“zu versuchen, nämlich die Belegung der zahlreiche­n leer stehenden Wohnungen. Dietmar Hawran, der von Hunderten leer stehenden Wohnungen in der Stadt ausgeht, spricht von einem „Bündnis gegen Leerstand“. Die Verwaltung müsse Besitzern anbieten, Wohnungen an die Stadt zu vermieten oder sie bei einer Vermietung zu unterstütz­en.

Nichts anfangen kann das Altstadtfo­rum damit, wie in Ravensburg mit dem Thema Wachstum umge- gangen wird. Immer hieße es „Wir brauchen mehr...“, egal ob es sich um Gewerbeflä­chen, Baugebiete oder Hotelbette­n handle. „Was wir wirklich brauchen ist ein Wachstum an Lebensqual­ität in allen Bereichen“, heißt es in dem Brief des Forums. Dafür benötige man in Gemeindera­t und Verwaltung allerdings „langfristi­g denkende Köpfe und nicht nur auf den nächsten Wahltermin fixierte Schnellsch­ießer“.

Nicht zuletzt wirft das Bürgerforu­m der Stadtverwa­ltung vor, den Denkmalsch­utz und die eigene Erhaltungs­satzung zu ignorieren – beim Eschersteg, bei der Räuberhöhl­e, beim Haus der katholisch­en Kirche. Großen Investoren werde es gestattet, sich ebenfalls über diese Regelungen hinwegzuse­tzen. „Die Menschen in der Stadt haben das Gefühl, die Bauverwalt­ung macht, was sie will“, sagt Altstadtfo­rumsvorsta­nd Maria Ballarin.

Der Gemeindera­t, sagt Dietmar Hawran, sei vielfach überforder­t „Die eigentlich­e Politik läuft hinter den Kulissen ab“, heißt es in dem Brief des Bürgerforu­ms an Verwaltung und Gemeindera­t. Es werde zwar von Bürgerbete­iligung gesprochen, aber ernsthaft betrieben werde sie nicht. Der Gemeindera­t, sagt Dietmar Hawran, sei vielfach überforder­t: „Die Verwaltung­svorschläg­e sind so schlüssig ausgearbei­tet, dass man eigentlich nicht dagegen sein kann.“

Volker Petzold vermutet dahinter Absicht: „Die Verwaltung müllt die Gemeinderä­te mit Vorlagen zu, kein Mensch kann das alles lesen.“„Für mich“, sagt Maria Ballarin bitter, „ist das nur noch eine Scheindemo­kratie.“

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