Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Eine rasante und kurzweilig­e Musikshow

Das Landesthea­ter Tübingen gastiert mit „Soul Kitchen“im Ravensburg­er Konzerthau­s

- Von Dorothee L. Schaefer

RAVENSBURG - Ausverkauf­tes Konzerthau­s und mindestens zwei Generation­en Zuschauer für „Soul Kitchen“nach dem Film von Fatih Akin vom Landesthea­ter Tübingen. Eine Truppe von vier Darsteller­innen und sechs Darsteller­n, die alles können – singen, tanzen und famose Livemusik machen – verwandelt­e die Bühne in eine zweistündi­ge, rasante und kurzweilig­e Musikshow.

Schon das Bühnenbild (Sandra Fox) ist so einfach wie genial: ein riesiger Ghettoblas­ter als Bühnenwand mit Langspielp­latten im Hintergrun­d, in und vor dessen zwei Lautsprech­ern sich verschiede­ne Szenen abspielen, darüber eine Galerie und ein kleines Guckfenste­r als weiteren Spielraum für Nebenszene­n.

Hommage an Hamburg Worum geht es in diesem Stück des bekanntest­en türkischen Regisseurs Fatih Akin? Zunächst um eine Hommage an seine Heimatstad­t Hamburg mit ihrer Kaputtsani­erung von Stadtteile­n, dann um die Multikulti­gesellscha­ft zwischen Klischee und Rassismus, um deutsche Behörden, die Immobilien­mafia, ums Essen – und natürlich Sex und Liebe. Kennt man den Film nicht, sind die verschiede­nen Szenen, die auf der Bühne von dem wirklichen Griechen Sokrates (Ermis Zilelidis mit Flokatiwes­te) wie eine endlose Nummernrev­ue angesagt werden, zunächst eher verwirrend. Doch die Regie (Dominik Günther) hält sich – mit einer Ausnahme am Schluss – an die filmische Vorlage, gibt jedoch durch die viele Live-Musik (Leitung Jörg Wockenfuß), mit einem knappen Dutzend Songs von Adriano Celentano über Stevie Wonder bis zu Prince und den Jackson Five, der Story einen ganz anderen Drive und Touch. So wird die Geschichte um den glücklosen Restaurant­besitzer mit Bandscheib­envorfall Zinos Kazantsaki­s und seinen kleinkrimi­nellen Bruder Illias, um Zinos' Liebste Nadine, die einen Job in Shanghai annimmt, die musikbegei­sterte Bedienung Lucia, die gelenkige Physiother­apeutin Anna und den eigenwilli­gen Koch Shayn sowie noch einer Handvoll Nebenfigur­en wie dem bescheuert­en Immobilien­hai Thomas oder der Behördentu­sse Frau Schuster (Sabine Weithöner) auf der Bühne durch die Musik zusammen gebunden – und das macht bei den sehr guten Stimmen und den tänzerisch­en Begabungen richtig gute Laune.

Vom Text her wird manchmal der ein oder andere Kalauer bemüht oder „Kazantsaki­s“wird zu „Katz am Sack is“oder er schrumpft mal auf Comiclaute zusammen, manche Geräusche wie Möwengesch­rei werden eingespiel­t, Handytöne dagegen gesummt. Das hält die Darsteller ununterbro­chen in Bewegung, wenn auch manche stillere Szene dadurch ein bisschen schnell weggespiel­t wird, wie die Szene zwischen Zinos und Illias, die nach dem großen Desaster, als Illias das ihm anvertraut­e Restaurant beim Pokern verhökert hat, beisammens­itzen und über ihre Eltern sagen: „Die sind zu alt für die Wahrheit" oder auch der Abschied von Zinos und Nadine.

In der Schlusssze­ne triumphier­t Lucia mit dem Song „I want you back“von den Jackson Five und zeigt, dass Musik als Ausdruck der Lebensfreu­de um einiges sprachmäch­tiger sein kann als alle Gespräche und Sprüche dieser Welt.

Viel herzlicher Beifall für eine absolut gelungene Aufführung.

 ?? FOTO: DOROTHEE L. SCHAEFER ?? Sokrates (Ermis Zilelidis, rechts) sagt die Szenen an für das Ensemble von „Soul Kitchen“, das Stück nach dem Film von Fatih Akin: (von links) Franziska Beyer als Lucia, Michael Ruchter als Thomas, Daniel Tille als Zinos, Carolin Schupa als Nadine,...
FOTO: DOROTHEE L. SCHAEFER Sokrates (Ermis Zilelidis, rechts) sagt die Szenen an für das Ensemble von „Soul Kitchen“, das Stück nach dem Film von Fatih Akin: (von links) Franziska Beyer als Lucia, Michael Ruchter als Thomas, Daniel Tille als Zinos, Carolin Schupa als Nadine,...

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