Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Eine rasante und kurzweilige Musikshow
Das Landestheater Tübingen gastiert mit „Soul Kitchen“im Ravensburger Konzerthaus
RAVENSBURG - Ausverkauftes Konzerthaus und mindestens zwei Generationen Zuschauer für „Soul Kitchen“nach dem Film von Fatih Akin vom Landestheater Tübingen. Eine Truppe von vier Darstellerinnen und sechs Darstellern, die alles können – singen, tanzen und famose Livemusik machen – verwandelte die Bühne in eine zweistündige, rasante und kurzweilige Musikshow.
Schon das Bühnenbild (Sandra Fox) ist so einfach wie genial: ein riesiger Ghettoblaster als Bühnenwand mit Langspielplatten im Hintergrund, in und vor dessen zwei Lautsprechern sich verschiedene Szenen abspielen, darüber eine Galerie und ein kleines Guckfenster als weiteren Spielraum für Nebenszenen.
Hommage an Hamburg Worum geht es in diesem Stück des bekanntesten türkischen Regisseurs Fatih Akin? Zunächst um eine Hommage an seine Heimatstadt Hamburg mit ihrer Kaputtsanierung von Stadtteilen, dann um die Multikultigesellschaft zwischen Klischee und Rassismus, um deutsche Behörden, die Immobilienmafia, ums Essen – und natürlich Sex und Liebe. Kennt man den Film nicht, sind die verschiedenen Szenen, die auf der Bühne von dem wirklichen Griechen Sokrates (Ermis Zilelidis mit Flokatiweste) wie eine endlose Nummernrevue angesagt werden, zunächst eher verwirrend. Doch die Regie (Dominik Günther) hält sich – mit einer Ausnahme am Schluss – an die filmische Vorlage, gibt jedoch durch die viele Live-Musik (Leitung Jörg Wockenfuß), mit einem knappen Dutzend Songs von Adriano Celentano über Stevie Wonder bis zu Prince und den Jackson Five, der Story einen ganz anderen Drive und Touch. So wird die Geschichte um den glücklosen Restaurantbesitzer mit Bandscheibenvorfall Zinos Kazantsakis und seinen kleinkriminellen Bruder Illias, um Zinos' Liebste Nadine, die einen Job in Shanghai annimmt, die musikbegeisterte Bedienung Lucia, die gelenkige Physiotherapeutin Anna und den eigenwilligen Koch Shayn sowie noch einer Handvoll Nebenfiguren wie dem bescheuerten Immobilienhai Thomas oder der Behördentusse Frau Schuster (Sabine Weithöner) auf der Bühne durch die Musik zusammen gebunden – und das macht bei den sehr guten Stimmen und den tänzerischen Begabungen richtig gute Laune.
Vom Text her wird manchmal der ein oder andere Kalauer bemüht oder „Kazantsakis“wird zu „Katz am Sack is“oder er schrumpft mal auf Comiclaute zusammen, manche Geräusche wie Möwengeschrei werden eingespielt, Handytöne dagegen gesummt. Das hält die Darsteller ununterbrochen in Bewegung, wenn auch manche stillere Szene dadurch ein bisschen schnell weggespielt wird, wie die Szene zwischen Zinos und Illias, die nach dem großen Desaster, als Illias das ihm anvertraute Restaurant beim Pokern verhökert hat, beisammensitzen und über ihre Eltern sagen: „Die sind zu alt für die Wahrheit" oder auch der Abschied von Zinos und Nadine.
In der Schlussszene triumphiert Lucia mit dem Song „I want you back“von den Jackson Five und zeigt, dass Musik als Ausdruck der Lebensfreude um einiges sprachmächtiger sein kann als alle Gespräche und Sprüche dieser Welt.
Viel herzlicher Beifall für eine absolut gelungene Aufführung.