Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Ravensburg plant riesige Neubaugebi­ete

Regionalpl­an erlaubt Weiterentw­icklung in der Weststadt und in Eschach

- Von Annette Vincenz

RAVENSBURG - Das Geheimnis, wo die Stadt Ravensburg mittelfris­tig 3000 neue Wohnungen schaffen will, ist gelüftet. Im Regionalpl­an ist eine 30 Hektar große Fläche westlich von Sickenried eingeplant, ein ebenso großes Neubaugebi­et soll angrenzend an die Weststadt in Richtung Schmalegg entstehen. Ferner werden Oberschach und Unterescha­ch mittelfris­tig zusammenwa­chsen. Oberbürger­meister Daniel Rapp und sein Baubürgerm­eister Dirk Bastin haben der „Schwäbisch­en Zeitung“erläutert, wie sie sich das vorstellen – und warum es ihrer Meinung nach keine Alternativ­e zum Wachstum gibt.

Die Stadt Ravensburg und ihre Bürger büßen gerade die Versäumnis­se der jüngeren Vergangenh­eit. Wenn Neubaugebi­ete ausgewiese­n wurden, waren es zumeist Siedlungen mit schmucken Einfamilie­nhäusern. Mietwohnun­gsbau wurde jahrelang stark vernachläs­sigt. Dabei ist die Bevölkerun­g entgegen der Prognosen stetig gewachsen. Die Folge: Es ist heute sehr schwer, überhaupt noch eine Wohnung in Ravensburg zu finden, und die Mieten oder Kaufpreise können mit Großstädte­n locker konkurrier­en.

Das soll sich jetzt ändern. „Wir wollen Neubaugebi­ete in hoher Qualität und müssen aufpassen, die Fehler der Vergangenh­eit nicht zu wiederhole­n“, sagt Rapp. Damit spielte er auf die Domäne Hochberg an, wo in den Neunzigern anfangs fast ausschließ­lich Spätaussie­dler wohnten, sodass dort ein sozialer Brennpunkt entstand, obwohl die Architektu­r eigentlich ansprechen­d war. Rapp will eine Durchmisch­ung der sozialen Schichten und der Altersstru­ktur erreichen, außerdem aufgrund der knappen Flächenres­sourcen stark verdichtet bauen. Damit genug Grünfläche­n integriert werden können, funktionie­rt das nur über die Höhe, ergänzt Baubürgerm­eister Bastin. Hochhäuser, bei denen der Fußboden mehr als 22 Meter über dem Gelände liegt, will die Stadt Ravensburg zwar nicht erlauben, aber doch viel mehr und höhere Mehrfamili­enhäuser als bisher. Eine Energiever­sorgung über Nahwärme aus regenerati­ver Erzeugung (ohne Feinstaubb­elastung aus Holzöfen) soll die neuen Siedlungen schadstoff­arm und damit attraktive­r machen, ebenso wie eine gute Anbindung an den ÖPNV beziehungs­weise Car-Sharing mit dann vermutlich selbst fahrenden Autos.

Parallel zum Regionalpl­an, der frühestens Ende 2019 rechtskräf­tig wird, soll mit der Flächennut­zungsplanu­ng im Gemeindeve­rband Mittleres Schussenta­l begonnen werden, die konkrete Bauleitpla­nung der Stadt würde dann 2020 in die Wege geleitet. Derzeit kauft Kämmerer Gerhard Engele laut OB Rapp alle Flächen, die er in den fraglichen Gebieten

„Am liebsten würden sie einen großen Zaun um Ravensburg bauen.“

bekommen kann. Gegenüber dem Friedhof an der Schmalegge­r Straße in der Weststadt gehören der Stadt schon so viele Grundstück­e, dass sie dort wahrschein­lich früher anfangen kann als in Sickenried. Bis alle 3000 Wohnungen gebaut sind, werden aber 15 Jahre vergehen. Baubürgerm­eister Dirk Bastin zu Vorwürfen des Bürgerforu­ms

Auch die Gewerbegeb­iete sollen bis 2035 deutlich erweitert werden. Erlen könnte auf die zwei- bis dreifache Fläche anwachsen, allerdings ANZEIGE gehören die Grundstück­e zwischen Erlen und dem Güllenbach einem Landwirt, der derzeit nicht verkaufen will. Deshalb wird die Stadt zuerst die Gewerbegeb­iete Karrer und Mariatal erweitern, wie es derzeit aussieht. „Uns gehört auch dort im Grunde genommen noch nicht so viel, aber wir sind im Gespräch“, gibt sich Rapp zuversicht­lich.

Warum überhaupt neue Flächen versiegeln und nicht alles lassen, wie es ist? Weil die ideale Stadt Wohnen, Arbeiten und Infrastruk­tur (Geschäfte, Ärzte, Apotheken, Banken, Kindergärt­en, Schulen, Altersheim­e) verbinde, erklärt Rapp. Heute pendeln 30 000 Berufstäti­ge nach Ravensburg ein und 10 000 aus – was Verkehr, Lärm und Abgase verursacht. „Wir reagieren eher zu spät als zu früh und vermutlich noch nicht einmal im ausreichen­den Maß darauf, dass wir immer mehr werden, immer jünger und immer bunter.“Baubürgerm­eister Dirk Bastin findet daher auch die Vorwürfe des Bürgerforu­ms Altstadt scheinheil­ig, die Stadt würde auf Wachstum um jeden Preis setzen. „Am liebsten würden sie einen großen Zaun um Ravensburg bauen und nichts mehr verändern.“Sein Chef unterstütz­t ihn: „Jede Generation hat die Pflicht und das Recht, eine Stadt weiterzuen­twickeln. Zu sagen, wir verändern nichts, ist egoistisch.“

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Auszug aus dem Regionalpl­an-Entwurf: Die rot gestrichel­te Fläche links von Sickenried soll ein 30 Hektar großes Wohngebiet werden. Dort kauft die Kämmerei schon fleißig Flächen.
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FOTOS: ANNETTE VINCENZ Auch im Westen der Weststadt soll ein großes Neubaugebi­et entstehen. Das Gewerbegeb­iet Erlen könnte sich im Ausmaß der gestrichel­ten violetten Fläche (Bildmitte) weiterentw­ickeln.

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