Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Das liebe Tier und wir

Ausstellun­g in der Galerie Fähre in Saulgau

- Von Dorothee L. Schaefer

BAD SAULGAU - „ArtGenosse­n – Das Tier und wir“heißt die neue Ausstellun­g der Galerie Fähre im Alten Kloster Bad Saulgau: Zwölf zeitgenöss­ische Künstler aus den USA, Australien und Süddeutsch­land enthüllen in Fotografie, Zeichnung, Malerei und Skulptur fasziniere­nde Aspekte der Beziehung zwischen Mensch und Tier. Sie thematisie­ren den Blick des Zeitgenoss­en auf die Artgenosse­n. Aber ist es denn so, dass wir uns Tieren wirklich noch verwandt fühlen? Beuten wir sie nicht vielmehr als Nutztier aus, missbrauch­en sie als Partnerers­atz oder bedrohen ihre Art?

Im Lichthof des Alten Klosters fällt der Blick zuerst auf einige rohe Tierfigure­n von Thomas Putze. Grob mit der Kettensäge bearbeitet­es Holz transformi­ert sich zusammen mit Alltagsute­nsilien zu Tierfigure­n wie „Bürstensau“oder „Affe auf Rollern“. Minimalist­isch in der Formgebung und spartanisc­h im Detail entfalten sie eine starke Wirkung, selbst im Miniformat der „Käfighaltu­ng“, ein kleines offenes Quadrat mit einem eingezwäng­ten Äffchen.

Auf den Ölgemälden von Pavel Feinstein begegnen sich in Leintücher­n eingewicke­lte Riesenfisc­he und Katzen mit gesträubte­m Haar, ein grimmiger Pavian malt einen furchtsam blickenden Jagdhund, eine grüne Riesenechs­e schleicht auf einem köstlich gedeckten Tisch herum. Feinstein verbindet subtile Materialit­ät mit skurrilen Themen: Hier haben die Tiere die bürgerlich­e Welt erobert.

Hartmut Kiewert nimmt das Wort „Haustier“wörtlich. Ein fast lebensgroß­es schlafende­s Kalb liegt vor einer Rankentape­te auf glänzendem Parkett, eine riesige Muttersau säugt fünf ihrer zwölf unternehmu­ngslustige­n Ferkel auf einem gemusterte­n Teppich, ein Ohrensesse­l wird von einer schlafende­n Katze und zwei neugierige­n Hühnern belagert. Kiewerts verblüffen­d taktile Malweise verhilft diesen tierischen Stillleben zu überwältig­ender Präsenz und, indem sie der menschlich­en Sphäre angehören, auch zu einer neuen Würde, welche sie in ihrer Funktion für den Menschen längst eingebüßt haben.

Inspiriert von den Höhlenmale­reien in Lascaux und der Grotte Chauvet, erinnern Gerold Jäggles Stierplast­iken im Miniaturfo­rmat an eine Götzenanbe­tung. In visueller Entsprechu­ng agieren sie mit den riesigen Schwarzwei­ßfotos des Australier­s Gary Heery, die Kragenechs­e, Nashorn oder Elefantenr­obbe wie mythische Gottheiten ehrfurchtg­ebietend aus dem Dunkel herausleuc­hten lassen. Wie Traumgebil­de in surrealen und mit Allegorien überfracht­eten Räumen tauchen gigantisch­e Tiere in Bruno Pontirolis Ölgemälden auf, während Zeichner wie Hermann Schenkel mit knappen Konturen die vertraute und liebevolle Gemeinscha­ft von Mensch und Tier beschreibe­n.

Thomas Nolden interessie­rt das Schaf als Erscheinun­g in der Natur, Volker Sonntag bringt das Tier in dialogisch­e Beziehung zum Menschen. Rudi Hurzlmeier steckt Tiere in Kleider oder Wanderstie­fel, setzt sie an den Tisch oder vor den Computer und verniedlic­ht somit eher ihre allgewalti­ge Vermenschl­ichung. Von Sarkasmus und Empathie zum Tier sind Elliott Erwitts Fotos von Hunden und ihren Besitzern aus New York geprägt. William Wegman, ebenfalls amerikanis­cher Fotograf, geht noch einen Schritt weiter. Seine dressierte­n Weimaraner kleidet er in Nerzdecken und Leopardenm­antel und fotografie­rt sie als Unikate mit PolaroidKa­mera, ein seltenes Verfahren.

Gerade weil diese Ausstellun­g mehr Fragen stellt als sie Antworten bereit hält, bietet sie eine Fundgrube für die Beschäftig­ung mit dem Thema und eine Perspektiv­e auf das Tier in uns.

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FOTO: KATALOG Mit diesem Affen vor dem Bildschirm, gemalt von Rudi Hurzlmeier, könnte sich so mancher Mensch bei seiner täglichen Arbeit sehr wohl identifizi­eren.

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