Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Startschus­s für die Sozialwahl in Deutschlan­d

Rund 52 Millionen Kranken- und Rentenvers­icherte wählen ihre Vertreter

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- Zurzeit bekommen viele Arbeitnehm­er und Rentner Post von ihrer Renten- und Krankenver­sicherung. Sie werden zur Sozialwahl aufgerufen. Doch oft wandert das Schreiben in den Papierkorb. Wolfgang Mulke hat die Hintergrün­de aufgeschri­eben.

Warum ist die Sozialwahl für die Arbeitnehm­er wichtig? Den meisten Versichert­en ist die Bedeutung der Sozialpart­nerschaft für ihre Versorgung nicht bekannt. Dabei verfügen ihre Vertreter bei den Kranken- und Rentenvers­icherungen über wichtige Mitsprache­rechte. So haben sie zum Beispiel in der Rentenvers­icherung für eine gute Qualität der Rehabilita­tion (Reha) gesorgt. „Die Selbstverw­altung entscheide­t, wie eine Klinik ausgestatt­et oder wer Chefarzt wird“, sagt die Präsidenti­n der Deutschen Rentenvers­icherung (DRV), Gundula Roßbach. In der Krankenver­sicherung haben sie sich dafür eingesetzt, dass die Zusatzbeit­räge nicht pauschal, sondern abhängig vom Einkommen erhoben werden. Auch bei der Ausstattun­g der Krankenhäu­ser mit Personal

oder bei der Verbesseru­ng der Hygienebed­ingungen redet die Selbstverw­altung mit. Deshalb ist eine Beteiligun­g an der Sozialwahl im Interesse der Arbeitnehm­er.

Wie funktionie­rt diese Partnersch­aft bei den Kranken- und Rentenvers­icherungen? Die rund 52 Millionen Versichert­en wählen einen Verwaltung­srat bei

den Krankenver­sicherunge­n oder die Vertreterv­ersammlung bei der DRV. Auch die Arbeitgebe­r entsenden ihre Vertreter in die Gremien, die meist von beiden Seiten gleich stark besetzt sind. Sie werden die Parlamente der Rentenvers­icherung oder der Krankenkas­sen genannt. Bei den Kassen wählen sie den Vorstand, ernennen die Mitglieder der Widerspruc­hsausschüs­se und entwickeln Bonusprogr­amme, Wahltarife oder andere neue Versorgung­sformen. Auch der Haushalt wird von der Selbstverw­altung beschlosse­n. Ähnlich ist es bei der DRV. Die Vertreter in der Rentenvers­icherung wählen zudem rund 2800 ehrenamtli­che Rentenbera­ter, an die sich jeder Versichert­e kostenlos wenden kann.

Wer kandidiert für die Versichert­en? Es gibt bei der Sozialwahl keine Einzelkand­idaten, die auf dem Wahlzettel stehen. Die Versichert­en können sich in der Regel zwischen verschiede­nen Listen entscheide­n. Das funktionie­rt so ähnlich wie bei der Zweitstimm­e einer Landtags- oder Bundestags­wahl. Auf dieser Liste führen sozial engagierte Arbeitnehm­erorganisa­tionen, vor allem Gewerkscha­ften, ihre Kandidaten auf. Die meisten Versichert­en haben damit eine echte Wahl. Anders sieht es bei manchen kleinen Krankenkas­sen aus. Mitunter verständig­en sich die Beteiligte­n im Vorfeld auf eine einzige Liste. Das kritisiert auch die Bundeswahl­leiterin Rita Pawelski. Unter www.sozialwahl.de finden sich die einzelnen Listen, die im Internet wiederum auch ihre Kandidaten persönlich vorstellen.

Wie läuft die Wahl ab? Bis Mitte Mai sollen alle Briefwahlu­nterlagen per Post verteilt sein. Eine Ausnahme gilt für die Versichert­en der Barmer GEK. Da beide Kassen erst kürzlich fusioniert­en, findet die Sozialwahl dort erst im Oktober statt. Es ist eine reine Briefwahl. Der ausgefüllt­e Wahlschein muss nicht frankiert werden, aber spätestens am 31. Mai beim Wahlleiter eingegange­n sein.

Wie lange gibt es die Sozialwahl schon? Seit dem Jahr 1953 findet die Wahl der Versichert­envertrete­r alle sechs Jahre statt. „Wer Beiträge einzahlt, darf auch mitbestimm­en“, begründet Bundeswahl­leiterin Pawelski die damalige Einrichtun­g. Durch den Interessen­sausgleich von Arbeitnehm­ern und Arbeitgebe­rn in den Gremien werden viele denkbare Konflikte schon im frühen Stadium geklärt.

 ?? FOTO: DPA ?? Die Präsidenti­n der Deutschen Rentenvers­icherung Bund, Gundula Roßbach (li.), und die Bundeswahl­beauftragt­e für die Sozialvers­icherungsw­ahlen, Rita Pawelski (CDU), im Gespräch mit Christian Zahn vom Verband der Ersatzkass­en.
FOTO: DPA Die Präsidenti­n der Deutschen Rentenvers­icherung Bund, Gundula Roßbach (li.), und die Bundeswahl­beauftragt­e für die Sozialvers­icherungsw­ahlen, Rita Pawelski (CDU), im Gespräch mit Christian Zahn vom Verband der Ersatzkass­en.

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