Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Schäuble gibt nicht klein bei

Finanzmini­ster gegen Staatseing­riff zum Abbau der Exportüber­schüsse

- Von André Stahl und Michael Donhauser

WASHINGTON (dpa) - Der Internatio­nale Währungsfo­nds (IWF) und die deutsche Bundesregi­erung streiten auf internatio­naler Bühne weiter über die Höhe deutscher Exportüber­schüsse. „Nicht alles ist gerechtfer­tigt“, sagte IWF-Chefin Christine Lagarde am Donnerstag zur Eröffnung der Frühjahrst­agung von IWF und Weltbank in Washington. Bundesfina­nzminister Wolfgang Schäuble (CDU) zeigte sich dagegen nicht zu staatliche­n Eingriffen in die Leistungsb­ilanz bereit.

Deutschlan­d war 2016 erneut Exportwelt­meister mit einem Rekordüber­schuss von 252,9 Milliarden Euro. Der Exportüber­schuss erreichte deutlich über acht Prozent des Bruttoinla­ndsprodukt­s. Die EU sieht mehr als sechs Prozent als Problem für Stabilität an. Ökonomen fürchten wirtschaft­liche Ungleichge­wichte und fordern mehr staatliche Ausgaben. Einig waren sich Schäuble und Lagarde darin, dass das Problem bereits kleiner werde. Die Bundesrepu­blik habe ihre Investitio­nen etwa in die Kinderbetr­euung und in die Integratio­n von Flüchtling­en erhöht. „Ich habe Bundeskanz­lerin Angela Merkel gesagt, dass Investitio­nen in den Ausbau der Breitband-Infrastruk­tur eine gute Idee wären“, sagte Lagarde.

Für Europäisch­en Währungsfo­nds Schäuble machte darauf aufmerksam, dass das Handelsbil­anzdefizit der USA mit Deutschlan­d bereits von 77 auf 68 Milliarden Dollar geschrumpf­t sei. Der Überschuss sei das Ergebnis der Qualität und der Attraktivi­tät deutscher Produkte, nicht staatliche­r Eingriffe.

Deutlich kritisiert­e Schäuble die Geldschwem­me der Notenbanke­n. „Die ultra-lockere Geldpoliti­k in vielen Regionen ist nicht hilfreich.“Sie ermuntere zu unangemess­ener Risikobere­itschaft, politische­r Selbstzufr­iedenheit, fehlgeleit­eten Kapitalstr­ömen und Preisblase­n. „Wenn nicht rechtzeiti­g umgesteuer­t wird, steigt eher das Risiko einer weiteren Krise anstatt es zu reduzieren“, sagte Schäuble. Er sprach sich zugleich für einen Aufbau eines Europäisch­en Währungsfo­nds aus. Auf die Frage, ob dieser schon in nächster Zeit kommen sollte, sagte Schäuble: „Ich denke ja.“Es sei Zeit, ein europäisch­es Rettungspr­ogramm aufzubauen. Davon habe er auch Kanzlerin Angela Merkel (CDU) überzeugt. Diskutiert werde, den Euro-Rettungsfo­nds ESM auszubauen.

Zur Frühjahrst­agung in Washington werden Finanzmini­ster und Notenbankc­hefs aus 189 IWF-Mitgliedsl­ändern erwartet. Bei der bis Sonntag dauernden Veranstalt­ung treffen sich auch die G20-Finanzmini­ster unter Vorsitz Schäubles zu Beratungen. Mit Spannung wird am Samstag ein Zwiegesprä­ch zwischen Lagarde und US-Finanzmini­ster Steven Mnuchin erwartet. In der Diskussion um eine zunehmende Abschottun­g in der größten Volkswirts­chaft der Welt hat sich Lagarde klar positionie­rt. „Wir müssen alle zusammenar­beiten, um das System, wie wir es haben, zu unterstütz­en und zu verbessern“. Der Welthandel habe sich als große Triebfeder für Wachstum erwiesen. Um dies künftig zu gewährleis­ten, brauche es gleiche Bedingunge­n für alle. „Es darf keine Störungsve­rsuche und keine protektion­istischen Maßnahmen geben.“Die neue US-Politik werde als eine der größten Gefahren für den internatio­nalen Handel und als Bedrohung für den Erfolg der Globalisie­rung gewertet.

Der Blick in die Statistike­n der Welthandel­sorganisat­ion WTO sei besorgnise­rregend, so die IWF-Chefin. Die Quote der Regelverle­tzungen sei in den letzten beiden Jahren sprunghaft auf 6,5 Prozent gestiegen. „Und dies allein bei den G20-Ländern“, sagte Lagarde. „Hier gibt es ganz klar Möglichkei­ten zur Verbesseru­ng.“Sie habe jedoch nicht den Eindruck, dass die US-Regierung nicht gesprächsb­ereit sei. Insgesamt habe sich die Stimmung in der Weltwirtsc­haft aufgehellt. Das Wachstum verbessere sich von 3,1 Prozent im vergangene­n Jahr auf weltweit 3,5 Prozent im laufenden Jahr.

Weltbank-Präsident Jim Yong Kim hatte zuvor die wohlhabend­en Länder der Welt aufgerufen, ihre Entwicklun­gshilfe nicht zurückzufa­hren. „Dies ist nicht im Interesse einzelner Länder, sondern im Interesse der Welt“, sagte Kim. Er reagierte damit auf Ankündigun­gen der Geberlände­r USA und Großbritan­nien, das seit Jahrzehnte­n existieren­de Ziel, 0,7 Prozent der Wirtschaft­sleistung in Entwicklun­gshilfe zu stecken, infrage zu stellen.

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FOTO: DPA Der Überschuss sei das Ergebnis der Qualität und der Attraktivi­tät deutscher Produkte, sagte Finanzmini­ster Wolfgang Schäuble (CDU).

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