Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Warum Flüge nach Köln funktionieren
Keine Strecke ab Friedrichshafen ist so umkämpft wie die nach Nordrhein-Westfalen
FRIEDRICHSHAFEN - Mit dem Rückzug der „People’s Viennaline“von der Fluglinie Friedrichshafen-Köln liegt die Strecke zum dritten Mal in kurzer Folge brach. Das weckt Zweifel, ob eine Verbindung nach Nordrhein-Westfalen vom Bodensee aus überhaupt funktionieren kann. Ein Blick in die Vergangenheit spricht eine deutlich andere Sprache.
So schön und vor allem lukrativ ist Fliegen im Jahr 2010: In 50-sitzigen Propellermaschinen der damals noch erfolgreichen Fluggesellschaft Intersky im Verkehr zwischen Friedrichshafen und Düsseldorf, später Köln, sind die Reihen fast voll besetzt. Kein Wunder, Friedrichshafen ist T-City. Zahlreiche Geschäftsreisende der in Bonn beheimateten Telekom fliegen damals regelmäßig an den Bodensee. Restplätze wirft das Unternehmen aus Vorarlberg mitunter für ganze 29 Euro unters Volk. „Wir hatten bis zu 83000 Passagiere im Gesamtjahr 2010 auf der Strecke Friedrichshafen-Köln/Bonn“, sagt Flughafensprecher Andreas HumerHager heute über diese Zeiten.
Zu viele freie Sitze Das Geschäft und die Propeller, so sagen es auch andere Luftfahrtexperten aus der Region, brummen damals um die Wette. Es läuft so gut, dass sich im März 2010 Luftfahrtriese (und Lufthansa-Tochter) Germanwings nach Friedrichshafen wagt – und parallel zur Intersky eine zweite Fluglinie, per Jet ins Rheinland, aufbaut. Das macht der kleineren Intersky zwar schwer zu schaffen – doch der Zweikampf um Geschäftsreiseflüge vom Bodensee nach Köln oder Düsseldorf macht deutlich: Mit dieser Linie ließ sich trefflich Geld verdienen. Warum klappt das im Jahr 2017 nicht mehr?
Heute scheint die Lage der 1990 von Delta Air erstmals geflogenen Strecke trostlos. Vor wenigen Wochen hat Peoples Viennaline, schweizerische Regionalairline, als drittes Unternehmen nach der 2015 tragisch in die Pleite geflogenen Intersky und der ebenso gescheiterten belgischen VLM das Geschäft mit dem Rheinland ab Friedrichshafen eingestellt. Scheinbar aus gutem Grund, wie Zahlen, die der Schwäbischen Zeitung vorliegen, belegen. So saßen in einer Woche im März im Durchschnitt nur 19 Personen, die auf die Strecke Friedrichshafen-Köln gebucht waren, im 76-sitzigen People’sJet. Auch wenn zusätzlich eine Handvoll Buchungen aus dem Schweizerischen Altenrhein Plätze gefüllt haben dürfte, lag die Auslastung des Flugzeugs kaum über 35 Prozent.
Zu teure Tickets 40 Prozent Auslastung der Sitze gelten unter Branchenkennern aber als sehr kritische Marke, um wirtschaftlich fliegen zu können. Manche Billig-Airlines brauchen gar 90 Prozent belegte Sitze, um schwarze Zahlen zu schreiben. Vielleicht ist es so zu erklären, dass People’s Tickets für teure 380 Euro verkauft hat – um Verluste zu begrenzen.
Doch solche Preise können laut eines Luftfahrtexperten aus der Region fast nur Geschäftskunden zahlen. Privatreisende oder BodenseeTouristen Die ehemalige Intersky setze jahrelang erfolgreich auf Kölnflüge.
für die Rückfluge, stets wichtig um Sitzreihen aufzufüllen, wurden mit 380-Euro-Tickets eher vergrault. „Dieselbe Strecke gibt es bei der Bahn für 120 Euro pro Person“, so der Insider. Er wirft People’s deshalb schlechte Preispolitik vor.
Außerdem habe People’s kaum Werbung für die Strecke gemacht, weder am Bodensee, noch in Köln. Hinzu kämen – das sagt ein anderer Luftfahrtexperte der Region – weitere Fehler, die die Schweizer gemacht hätten. Zum einen sei die 76-sitzige Maschine von People’s zu groß gewesen – ein 50-Sitzer war bislang das passende Fluggerät für die Strecke. Zum anderen habee der Versuch, Passagiere aus der Schweiz per Kurzflug über den Bodensee herbeizuschaffen, enorme Kosten verursacht, die eine tägliche Handvoll zusätzlicher Buchungen nach Köln nicht kompensieren konnten. „Man darf diese Strecke niemals mit einer Zwischenlandung anbieten, wenn man wirtschaftlich fliegen will“, so der Luftfahrtmanager. People’s selbst gibt auf Anfrage dazu keine Auskunft. Auch beim Blick auf die gescheiterten Vorgänger von People’s – VLM und Intersky – ist nicht die Fluglinie nach Nordrhein-Westfalen Ursache ihres Scheiterns. So sagen Branchenkenner, dass die Belgier in die Pleite flogen, weil sie Altschulden und die eigene Umstrukturierung nicht mehr schultern konnten. Intersky soll dagegen vom Preiskampf gegen Germanwings und spätere Managementfehler in die Knie gezwungen worden sein. Nicht zuletzt hat sich der Branchengröße Germanwings 2015 von der Strecke Friedrichshafen-Köln verabschiedet, nachdem sein Zusammenschluss mit Eurowings eine komplette Neuausrichtung des Unternehmens zur Folge hatte. Zusammengefasst sagen die beiden Branchenkenner: Die grundsätzliche Wirtschaftlichkeit der Kölnflüge vom Bodensee habe niemals zur Debatte gestanden.
„Die Notwendigkeit für diese Strecke ist da“, sagt deshalb auch Andreas Humer-Hager, Sprecher des Flughafen Friedrichshafen. Er sieht ein Potenzial von 40000 bis 50000 Passagieren pro Jahr für die Kölnstrecke. Doch die Geschichte ihres ständigen Scheiterns schwebt derzeit wie ein Damoklesschwert über sämtlichen Versuchen, einen neuen Betreiber für die brachliegende Verbindung zu finden.