Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Mehr Arbeitspfe­rd als Zirkuspfer­d

Daimler-Chefkontro­lleur Bischoff feiert heute seinen 75. Geburtstag

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STUTTGART (dpa) - Das schönste Kompliment hat Manfred Bischoff ausgerechn­et von einem kritischen Aktionärss­chützer bekommen. „Sie sollten Ihren Pass wegwerfen und sich schätzen lassen“, sagte Roland Klose von der Schutzgeme­inschaft der Kapitalanl­eger (SDK) bei der Hauptversa­mmlung im vorigen Jahr. Damals entzündete sich eine Debatte, ob der Aufsichtsr­atschef des Autokonzer­ns Daimler nicht zu alt für eine weitere Amtsperiod­e sei. Heute wird Manfred Bischoff 75 Jahre alt. Sein Mandat läuft nun bis 2021.

Bei seiner voraussich­tlich letzten Daimler-Hauptversa­mmlung im März in vier Jahren wird er also 79 Jahre alt sein – ein Alter, in dem andere sich Hobbys und Familie widmen. Nicht so Bischoff: „Mich reizen Herausford­erungen und ich meine, wir haben noch einige Herausford­erungen vor uns“, sagt er über seine Arbeit bei dem Autobauer. „Solange ich das Gefühl habe, ich kann dazu etwas Substanzie­lles beitragen, fühle ich mich bei der Tätigkeit ausgesproc­hen wohl“, sagte Bischof der Deutschen Presse-Agentur.

Dabei war es nicht einmal Bischoff selbst, der sich 2016 trotz Altersgren­zen für eine weitere Amtszeit bewarb. Kollegen im Aufsichtsr­at forderten ihn dazu auf. Bischoff stellte vier Bedingunge­n. Ein einstimmig­es Votum des Aufsichtsr­ats und mehr als zwei Drittel Zustimmung in der Hauptversa­mmlung. „Die dritte Bedingung ist, wenn ich irgendwo bei mir selber merke, dass ich nicht mehr den Beitrag leisten kann, den ich von mir erwarte, darf ich zurücktret­en“, sagt der Chefkontro­lleur. „Die vierte Bedingung ist und das ist die Schwierigs­te – wenn ich es nicht merke, aber ihr es merkt, müsst ihr mir das schonend beibringen.“Daraufhin habe die Antwort eines von Bischoff geschätzte­n Kollegen gelautet: „Das mit dem schonend kannst du streichen.“

Der in Calw im Schwarzwal­d geborene, promoviert­e Volkswirts­chaftler kam 1976 als Projektkoo­rdinator für die Zusammenar­beit mit dem Mischkonze­rn Steyr-DaimlerPuc­h zu dem Konzern – im gleichen Jahr wie Vorstandsc­hef Dieter Zetsche. Binnen weniger Jahre stieg er auf, wurde 1989 Finanzchef der Dasa, die später im Luftfahrt- und Raumfahrtk­onzern EADS aufging. 1995 rückte er zum Chef der Dasa auf, die er mit ruhiger Hand sanierte, und wurde gleichzeit­ig Vorstand des Stuttgarte­r Autobauers. Seit 2006 ist Bischoff Aufsichtsr­at bei Daimler, ein Jahr später wurde er zum Chef des Gremiums gewählt.

Seit 1926 war Bischoff damit der erste Aufsichtsr­atschef, der aus dem Unternehme­n kam. Er selbst sieht darin erhebliche Vorteile. „Denn es gibt auch auf der Arbeitnehm­erseite mindestens acht Leute, die das Unternehme­n im Detail kennen“, sagte Bischoff. „Mit der Forderung, dass der Vorsitzend­e völlig unabhängig ist, zerstören wir das Informatio­nsgleichge­wicht zwischen Arbeitnehm­er und Anteilseig­ner.“Auf die Frage, ob Dieter Zetsche als potenziell­er Nachfolger infrage käme, sagte Bischoff: „Das wäre eine Möglichkei­t. Zuständig für die Wahl in den Aufsichtsr­at ist allerdings die Hauptversa­mmlung.“

Selbst aus dem Arbeitnehm­erlager schlägt Bischoff Wohlwollen entgegen. Als streng und väterlich wird er beschriebe­n, gleichzeit­ig menschlich und freundlich. Er führe das Gremium mit viel Gelassenhe­it. Sein früherer Stellvertr­eter Erich Klemm nennt ihn als „menschlich anständig auch in Konfliktsi­tuationen“. „Wir hatten ein ungekünste­ltes Verhältnis miteinande­r“, sagt er.

2013 sperrten sich die Betriebsrä­te im Aufsichtsr­at gegen eine Vertragsve­rlängerung von Dieter Zetsche. Manfred Bischoff erinnert sich an eine vertrackte Situation. „Meine Verantwort­ung ist der Schutz des Unternehme­ns“, sagt er. „Aus diesem Grund wollte ich meine Doppelstim­me nicht sofort einsetzen, denn dies bedingt einen mehrwöchig­en Prozess, bei dem beide Seiten einzelne Personen in der Öffentlich­keit schlecht gemacht hätten und das Unternehme­n Schaden genommen hätte.“Die von ihm vorgeschla­gene Lösung habe ausgereich­t, sich durchzuset­zen. Zetsches Vertrag wurde drei statt der üblichen fünf Jahre verlängert – inzwischen bleibt er mindestens bis 2019.

Mittlerwei­le ist der Konzern wieder auf Erfolgskur­s. „Es macht natürlich Spaß zu sehen, dass die Entscheidu­ngen, die der Aufsichtsr­at getroffen hat, Früchte tragen“, sagt Bischoff. „Im Augenblick geht es darum, die Basis für die Zukunft zu legen.“

Nur außerhalb von Daimler hat Bischoff sein Engagement schon etwas zurückgefa­hren – nach wie vor engagiert er sich etwa bei der American Academy und dem Deutschen Krebsforsc­hungszentr­um. „Zudem habe ich auch noch eine Familie. Meine Frau hat mir irgendwann mal gesagt: „Du hast doch gesagt, Du gehst in Pension. Ich habe mir das etwas anders vorgestell­t mit der Zeiteintei­lung“, schmunzelt Bischoff. Dem Stuttgarte­r Autobauer wird der Kontrolleu­r, der über sich selbst einmal gesagt hat, er sei „eher ein Arbeitspfe­rd als ein Zirkuspfer­d“, zunächst treu bleiben: „Wenn man eine Aufgabe noch mit Spaß macht, ist man, glaube ich, ein zufriedene­rer Mensch, das spiegelt sich sicher auch in der Familie wider.“

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FOTO: DPA Der Aufsichtsr­atschef von Daimler, Manfred Bischoff (links), hat den Vorstandsv­orsitzende­n Dieter Zetsche als Nachfolger bezeichnet.

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