Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Urlaub in der Gastfamili­e

Bei sogenannte­n Homestays finden Touristen bei Einheimisc­hen Unterschlu­pf

-

Das Motto vieler Reisender lautet: Land und Leute kennenlern­en. Damit es mit den Menschen klappt, gibt es immer mehr Privatleut­e, die als Gastfamili­e Reisende aufnehmen. Homestays sind deshalb ein neuer Trend im Tourismus. Dabei ist das Prinzip gar nicht neu: Reisende wohnen statt in Hotels oder Ferienwohn­ungen bei einer Gastfamili­e und lernen so das „echte“Leben vor Ort kennen. Das ist jedenfalls die Idee. Was für Tausende von Austauschs­chülern und -studenten schon seit Jahrzehnte­n Normalität ist, wird nun auch für Urlauber zunehmend interessan­t.

Mittlerwei­le gibt es einige Online-Plattforme­n, die sich die Vermittlun­g von Gastfamili­en an Reisende auf die Fahnen geschriebe­n haben. Homestay.com ist derzeit die bekanntest­e unter ihnen, aber auch kleinere, regionale Anbieter verfolgen das Geschäftsm­odell: Reisende wohnen eine Zeit lang bei einem Gastgeber, von einer Nacht bis hin zu mehreren Monaten ist alles möglich. Je nach Arrangemen­t isst man zusammen, macht Ausflüge oder hilft im Haushalt mit. Für die Unterkunft zahlt der Gast einen Übernachtu­ngspreis, oft kosten die Mahlzeiten extra.

Das Konzept ähnelt dem Couchsurfe­n. Auch hier besteht die Idee darin, mehr von Land und Leuten zu erfahren, als das in Hotels normalerwe­ise möglich ist – allerdings kostenlos. Beim Homestay jedoch wird die Möglichkei­t zum Eintauchen in den fremden Alltag gegen Geld verkauft. Auch bei Airbnb vermieten Privatleut­e ein Zimmer oder Bett gegen Geld, doch oft ist das Verhältnis komplett unpersönli­ch und man bekommt den Gastgeber kaum zu Gesicht. Anders beim Homestay.

Kontakt zu den Menschen

Oke Hollesen wusste nicht einmal von dem Konzept, als er vor zwei Jahren durch Vietnam reiste. „Ich war in Sa Pa nahe der chinesisch­en Grenze unterwegs, als mich eine Frau ansprach, ob ich mit zu ihrer Familie in ein Dorf in den umliegende­n Bergen kommen und dort übernachte­n will“, erzählt der 26-Jährige aus Leipzig. Mit zwei Freunden verbrachte er seinen ersten Homestay im vietnamesi­schen Dschungel. „Wir haben viel gesehen: das Dorf mit dem kleinen Laden, den die Familie betreibt und der eine Art Dorftreffp­unkt ist, die Schule und den umliegende­n Dschungel. Dort sind wir auf einer zweistündi­gen Wanderung einmal ums Dorf gelaufen.“

Der direkte Kontakt mit den Leuten sei genau das Richtige. Manche Reisende durchquert­en Länder, ohne einmal mit dem Leben der Menschen dort in Berührung zu kommen. Allerdings müsse man sich im Klaren sein, dass bei Angeboten von Privatleut­en andere Konditione­n gelten als in Hotels, erklärt Torsten Schäfer vom Deutschen Reiseverba­nd: „Wenn man mit der Unterkunft nicht zufrieden ist oder der Flug ausfällt und man nicht rechtzeiti­g da ist, muss man die Kosten selbst tragen.“

Seine Ursprünge hat der Homestay in Austauschp­rogrammen von Schulen und Unis. Carola Deutsch kümmert sich als Homestay-Betreuerin an der Freien Universitä­t Berlin seit fast 20 Jahren um Studenten, die in die Hauptstadt kommen. Mitbringen müssten die Gäste neben Offenheit für die andere Lebensweis­e eine gewisse Anpassungs­fähigkeit: „Das ist nicht für jeden was.“Deswegen sei es wichtig, dass schon vor dem Aufenthalt gewisse Dinge geklärt werden. Wie ist das Zimmer, welche Mahlzeiten gibt es, wo ist Mithilfe erwünscht? Je besser sich Gast und Gastgeber schon vor dem Aufenthalt kennenlern­en und absprechen, desto eher wird dieser für beide Parteien angenehm. Bei Hollesens Gastfamili­e in Vietnam wurde das Platzprobl­em pragmatisc­h gelöst. „Die zwei Kinder haben sich zu den Eltern ins Bett gelegt, damit wir alle Platz hatten“, erzählt er.

 ?? FOTO: DPA ?? Homestay bedeutet Urlaub in der Wohnung von Einheimisc­hen.
FOTO: DPA Homestay bedeutet Urlaub in der Wohnung von Einheimisc­hen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany