Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Ravensburg – „nördlichst­e Stadt Italiens“

Peter Eitel sprach über Verbindung­en in den Süden seit vielen Jahrhunder­ten

- Von Günter Peitz

RAVENSBURG - Als „nördlichst­e Stadt Italiens“ist Ravensburg schon charakteri­siert worden (Oberbürger­meister Hermann Vogler). Dass das keineswegs übertriebe­n ist, dafür lieferte Peter Eitel, der frühere Leiter des Stadtarchi­vs und der Städtische­n Sammlungen, mit seinem Vortrag im Humpishaus, mit dem die Museumsges­ellschaft ihre Sommersais­on eröffnete, zahllose Beweise.

Seit über 50 Jahren beschäftig­t sich Eitel mit der Geschichte Oberschwab­ens und Ravensburg­s. Dabei ist ihm immer wieder aufgefalle­n, wie eng die Beziehunge­n zu Italien in politische­r, wirtschaft­licher und kulturelle­r Hinsicht seit jeher waren. In seiner informativ­en Gesamtscha­u blendete der Vortragend­e bis auf die Römerzeit zurück. Von 15 bis 260 nach Christus war Oberschwab­en Teil der römischen Provinz Raetia. Mehr als 50 Niederlass­ungen römischer Kriegsvete­ranen, sind hier überliefer­t, darunter auch der Hof Herrgottsf­eld bei Bavendorf. War die Römerzeit gekennzeic­hnet durch lebhaften Handel über die Alpen, so gibt es für die sogenannte dunkle Zeit der Völkerwand­erung zwischen dem vierten und zehnten Jahrhunder­t keinerlei Belege für den Handel zwischen Oberschwab­en und Italien. Erst mit den Welfen lassen sich vom späten neunten Jahrhunder­t an wieder Verbindung­en zu Italien nachweisen.

Der Halbitalie­ner Welf IV., geboren zwischen 1130 und 1140, gründete das Kloster Weingarten und war erster Erbauer der Burg in Ravensburg. Dessen Frau Judith von Flandern brachte 1194 die Heiligblut­reliquie nach Weingarten, deren andere Hälfte im Kloster zu Mantua verblieb. Die Reliquie war von Alters her verbindend­es Element zwischen beiden Klöstern. Als steinernes Zeugnis enger Verbindung­en nach Italien erwähnte Eitel auch die Kapelle von St. Christina, gestiftet von Welf VI., Herzog von Spoleto, der später im Auftrag der Welfen auf der Veitsburg das Sagen hatte.

Für Friedrich Barbarossa bildete Oberschwab­en eine ideale Ausgangsba­sis für die von seinem Gefolgsman­n, dem Bischof von Chur kontrollie­rten Bündner Alpenpässe, den Julier- und den Septimerpa­ss, über die er nach Italien zog, um dort seine Herrschaft­sansprüche durchzuset­zen. Leinwand und Barchent wurden nach Italien transporti­ert, in der umgekehrte­n Richtung kostbare Stoffe und Gewürze. Kaufleute aus Lindau und Konstanz waren hier die Pioniere, noch vor der internatio­nal angesehene­n Großen Ravensburg­er Handelsges­ellschaft, deren Hauptzielo­rte Mailand und Genua waren.

Die Technik der Papier-Herstellun­g führte Eitel als weiteres Beispiel enger wirtschaft­licher Verflechtu­ng an. Sie kam ursprüngli­ch aus Italien, wurde aber dann auch in Ravensburg und Nürnberg angewandt. Das kostbare Papier wurde fortan auch von Nord nach Süd über die Alpen transporti­ert.

Kunstexpor­t aus Italien Vom 17. Jahrhunder­t an erlebte Oberschwab­en Höhepunkte des italienisc­hen Kunstexpor­ts. Künstler aus dem Süden gestaltete­n maßgeblich berühmte Barockense­mbles wie die Klöster in Weingarten, Weißenau, Ochsenhaus­en, Obermarcht­al. „Diese Barockbaut­en sind wunderbar, aber sie wurden auf Kosten der mittelalte­rlichen Kirchenarc­hitektur errichtet“, gab Eitel zu bedenken.

Als im 19. Jahrhunder­t in Oberschwab­en der Straßen- und Eisenbahnb­au forciert wurden und das abgebrannt­e Isny wiederaufg­ebaut werden musste, als später die Elektrifiz­ierung einsetzte, strömten italienisc­he Arbeitskrä­fte hierher. Auch beim Bau der Hochdruckw­asserleitu­ng in der Marktstraß­e und des Konzerthau­ses waren Italiener im Einsatz. Die Ravensburg­er Textilund Pinselindu­strie beschäftig­te bis zu 200 Italieneri­nnen. Übrigens wurden auch Ravensburg­er Türme nach italienisc­hen Vorbildern bemalt. Die ersten italienisc­hen Gastarbeit­er nach dem Krieg trafen 1952 hier ein – und 1954 eröffnete in Ravensburg die erste italienisc­he Eisdiele. Mit Milchpulve­r, hergestell­t von der Omira, stellt die italienisc­he Firma Ferero in Alba die beliebte Nutella her – und füllte sie in Gläser aus der Glasfabrik in Bad Wurach ab.

Newspapers in German

Newspapers from Germany