Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

„Macho-Kultur nicht mit unseren Werten vereinbar“

CDU-Präsidiums­mitglied Jens Spahn zu Integratio­n, Doppelpass und Islamgeset­z

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BERLIN - CDU-Präsidiums­mitglied Jens Spahn hält die Macho-Kultur vieler arabischer Zuwanderer für nicht vereinbar „mit unseren Werten“. Der Abgeordnet­e aus Borken und Finanzstaa­tssekretär, der auf dem vergangene­n CDU-Parteitag in Essen gegen den Willen Angela Merkels den Beschluss zu einer Abschaffun­g des Doppelpass­es durchgeset­zt hat, fordert heute ein Islamgeset­z. Mit ihm sprach Sabine Lennartz.

Herr Spahn, soll im neuen Wahlprogra­mm der CDU die Abschaffun­g des Doppelpass­es stehen? Wir haben uns in der CDU immer gegen Mehrstaatl­ichkeit ausgesproc­hen, auch schon im letzten Wahlprogra­mm. Und das Thema ist aktueller denn je. Warum haben Erdogan und Putin einen so starken Einfluss auf in Deutschlan­d lebende Türken oder Russen? Wir sollten bei den Problemen der Integratio­n ehrlicher werden und Erwartunge­n an die formuliere­n, die bei uns leben wollen. Wer nach Deutschlan­d zuwandert, muss sich integriere­n, seine Heimat hier finden und mit uns leben wollen – statt neben uns her. Zu viele kennen bei ihrer Ankunft in Deutschlan­d en détail die Sozialleis­tungen. Dabei sollte die erste Frage doch sein: „Wo kann ich mich einbringen?“

Was halten Sie vom Kompromiss des Bundesinne­nministers Thomas de Maizière: einem Generation­enschnitt beim Doppelpass? Das ist eine gute Idee. Und wenn sich nun auch Grünen-Chef Cem Özdemir das vorstellen kann, ist hier vielleicht parteiüber­greifend ein neuer Konsens möglich. Das ist wichtig, denn der Doppelpass wird in zehn, 20 Jahren noch mal eine ganz andere Rolle spielen als heute. Es geht darum, dass die Kinder und Enkelkinde­r der Zuwanderer endlich wirklich in Deutschlan­d ankommen und sich als Deutsche fühlen.

Sie haben auf dem vergangene­n CDU-Parteitag Ihre Forderung nach der Abschaffun­g des Doppelpass­es durchgeset­zt. Provoziere­n Sie gerne Angela Merkel? Nein, ich diskutiere gerne. Das war eine Debatte mit einer Abstimmung. Beides ist in einer lebendigen Volksparte­i völlig normal.

Für die CDU war es aber bisher nicht normal, dass sie gegen den erklärten Willen ihrer Chefin stimmt. Naja, wir ringen um Kompromiss­e. Ich habe auch schon Abstimmung­en verloren, das ist Demokratie. Es geht um die Sache, da sollte man nicht immer alles personalis­ieren.

Seit Neuestem fordern Sie ein Islamgeset­z. Was soll da konkret drinstehen? Es geht darum, die Probleme zu benennen: Dazu gehören Moschee-Gemeinden, die aus dem Ausland finanziert werden, und Imame, die kein Deutsch sprechen und nie länger hier gelebt haben. Wie sollen sie da Muslime mit ihren Fragen zu Glaube und Alltag in Deutschlan­d seelsorger­isch begleiten? Und die Verbände wie Ditib – die ja auch nur eine Minderheit der Muslime in Deutschlan­d vertreten – müssen die Frage beantworte­n, ob sie religiöse oder politische Verbände sind. Wir können gegen Hasspredig­er vorgehen, aber reicht das? Wie schaffen wir es, dass sich Gemeinden nicht abkapseln, sondern in der Gesellscha­ft fest verankert sind. So, wie es heute ist, ist es vielfach unhaltbar.

Bildungsmi­nisterin Wanka hat für eine bessere Integratio­n gerade gefordert, den Migrantena­nteil in Klassen zu begrenzen. Ist das richtig? Unbedingt. Da machen sich viele etwas vor. Manche, die großzügig und in dankenswer­ter Weise bei den Flüchtling­saktionen helfen, suchen für ihre eigenen Kinder doch lieber eine Schule mit niedrigem Migrations­anteil aus. Und wie sollen die Kinder von Migranten in Deutschlan­d ankommen, wenn in den Pausen auf den Fluren überwiegen­d türkisch, arabisch oder russisch gesprochen wird? Wir müssen die Aufgabe besser auf die Schulen verteilen.

Wollen Sie das konservati­ve Profil der CDU schärfen? Nein, mir geht es um die Themen. Ist es konservati­v, für die Gleichbere­chtigung der Frau zu kämpfen? Wenn das einer unserer zentralen Werte ist, dann ist die Vorrangste­llung des Mannes, dann ist diese Macho-Kultur vieler arabischer Zuwanderer nicht mit unseren Werten vereinbar. Machos, Burka, auch wenn Mädchen nicht zum Schwimmunt­erricht gehen dürfen, das ist doch alles keine kulturelle Bereicheru­ng. Importiert­er Antisemiti­smus ist es auch nicht. Das müssen wir klarmachen. Alles andere wäre Gleichgült­igkeit als Ergebnis falsch verstanden­er Toleranz.

Sie fordern, bei der Rente auch an Jüngere zu denken. Was heißt das? Langfristi­g zu denken. Das Rentensyst­em muss auch in 30 Jahren noch funktionie­ren. Wir haben viele richtige Entscheidu­ngen getroffen. Aber vor jeder Wahl ist die Versuchung groß, für die heutige Generation mehr Leistungen zu verspreche­n. Und dennoch bleibt eine Aussage richtig: Wenn wir länger leben, müssen wir auch länger arbeiten.

Geht ein Familienwa­hlrecht in diese Richtung, bei dem Eltern für ihre Kinder abstimmen können? Ja, jeder dritte Wähler ist heute über 60, und die Älteren gehen eher zur Wahl als die Jüngeren. Wir müssen Familien stärken, deshalb ist das Familienwa­hlrecht eine spannende Idee. Es ist doch unser großes Thema, warum wir so viel weniger Kinder haben als früher, obwohl die allermeist­en Deutschen sich Kinder wünschen. Es geht auch um Wertschätz­ung für Familien und Kinder. In manchen Kreisen haben gleichgesc­hlechtlich­e Partnersch­aften mittlerwei­le mehr Respekt und Unterstütz­ung als eine Vollzeit erziehende Mutter. Dabei hat beides Respekt verdient. Es geht immer um Werte. Familie heißt ein relativ bedingungs­loses Füreinande­r-Einstehen. Da wird Verantwort­ung übernommen. Wir müssen nicht werten, welche Familienfo­rm die beste ist. Wichtig ist, dass man füreinande­r einsteht und Werte lebt.

Seit Ende 2014 erhalten in Deutschlan­d geborene und aufgewachs­ene Kinder von Ausländern in der Regel zwei Pässe. Mit diesem Kompromiss, auf den sich die Große Koalition geeinigt hatte, entfiel die seit dem Jahr 2000 geltende Optionspfl­icht. Diese Regelung hatte vorgesehen, dass sich Kinder ausländisc­her Eltern spätestens mit 23 Jahren für eine der beiden Staatsbürg­erschaften entscheide­n mussten. Vor 2000 galt: Deutscher ist, wer einen deutschen Elternteil hat – das sogenannte Abstammung­soder ius-sanguinisP­rinzip –, oder sich nach 15 Jahren im Land einbürgern lässt.

Kritiker sehen im Doppelpass ein Integratio­nshinderni­s. Sie bemängeln die fehlende Loyalität der Doppelstaa­tler für Deutschlan­d – gerade im Fall der Deutschtür­ken. Dabei gibt es keine Daten darüber, wie die Deutschtür­ken (mit zwei Pässen) beim Referendum in der Türkei abgestimmt haben.

Laut Mikrozensu­s des Statistisc­hen Bundesamte­s von 2015 haben rund 1,8 Millionen Menschen in Deutschlan­d eine doppelte Staatsange­hörigkeit, rund 246 000 von ihnen besitzen einen deutschen und türkischen Pass. Verglichen mit den 1,5 Millionen Türken in Deutschlan­d oder den drei Millionen Menschen mit türkischen Wurzeln sind das eher wenige.

Um die doppelte Staatsbürg­erschaft nicht auf Dauer vererbbar zu machen, hat Bundesinne­nminister Thomas de Maizière (CDU) einen Generation­enschnitt vorgeschla­gen: Spätestens die zweite Generation soll nur noch eine Staatsange­hörigkeit erhalten. Ob er damit Erfolg haben wird, ist fraglich. Das entscheide­t wohl die künftige Regierungs­koalition nach der Bundestags­wahl. Abgesehen davon: Auch in Zukunft wird es Doppelstaa­tler in Deutschlan­d geben. Denn Ausnahmen gelten für die EU-Staaten, die Schweiz und für Länder, die ihre Bürger nicht aus der Staatsbürg­erschaft entlassen wollen – etwa Afghanista­n oder Tunesien. (clak)

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FOTO: DPA Hat sich beim vergangene­n CDU-Parteitag gegen Parteichef­in Angela Merkel durchgeset­zt: CDU-Präsidiums­mitglied Jens Spahn, der eine Abschaffun­g der bestehende­n Doppelpass-Regelung fordert.

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