Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Gemeinsam und ökologisch verträglich
Winfried Kretschmann spricht bei der IHK über die Wirtschaft der Zukunft.
WEINGARTEN - Ministerpräsident Winfried Kretschmann hat in Weingarten beim Festakt der Industrieund Handelskammer BodenseeOberschwaben (IHK) anlässlich ihres 150-jährigen Bestehens die Bedeutung von umweltverträglicher Wirtschaft hervorgehoben und an ein gemeinsames Europa appelliert. Deutschland lebe vom Export, daher sei in schwierigen politischen Zeiten wie heute ein starkes Europa wichtiger denn je. „Nationalismus und Protektionismus sind die falschen Antworten“, sagte Kretschmann vor rund 850 geladenen Gästen im Kulturund Kongresszentrum Oberschwaben (Kuko). „Wir dürfen uns nicht über Trump aufregen. Europa muss zusammen stehen.“
In diesem Europa sei die Vernetzung der Wirtschaft besonders bedeutend. Man stehe vor gigantischen Herausforderungen. Diese könne man nur gemeinsam bewältigen. „Das interdisziplinäre Arbeiten ist der Stein der Weisen“, sagte Kretschmann. Damit auch Baden-Württemberg innovativer werde, müsse auch die entsprechende Infrastruktur – unter den Stichworten Breitbandausbau und Verkehrsanbindung – geschaffen werden.
Baubeginn noch in diesem Jahr Daher sprach der Ministerpräsident, wie auch IHK-Präsident Heinrich Grieshaber in seiner Rede, von einem Geschenk, das die Landesregierung der IHK und Oberschwaben gemacht habe. „Die Elektrifizierung der Südbahn, dieses Lied wird ja nun wirklich seit 35 Jahren gesungen. Es ist höchste Zeit – und es ist wirklich ein Geschenk an Oberschwaben, denn es ist nicht die Aufgabe des Landes, Schienenwege zu finanzieren. Aber jetzt kommt sie die Elektrifizierung“, sagte Kretschmann und bestätigte auf Nachfrage der „Schwäbischen Zeitung“, dass der Baubeginn noch in diesem Jahr erfolgen solle. Dies sei von großer Bedeutung für die „boomende Region“. Friedrichshafen, Ravensburg, Biberach, Laupheim, Ulm sei eine „Achse, bei der richtig die Post abgeht.“
Keine Wohnung in Weingarten Zuvor hatte der Ministerpräsident betont, wie wohl und heimisch er sich in eben dieser Region fühle. Auf die Frage, ob sich beim dritten Weingarten-Besuch innerhalb von zwei Jahren, nicht bald auch das Anmieten einer Wohnung lohne, verneinte Kretschmann zwar. Allerdings sei er privat ohnehin häufig in der Region, da sein Sohn mit seinem ersten Enkel in Wolfegg, seine Schwestern in Ravensburg wohnen würden. „Ich bin sowieso oft und auch gerne hier“, sagte er.
Doch als zentrale Botschaft hob der Ministerpräsidenten, der sich herzlich bei allen Klein- und Mittelständlern mit „Lob, Preis und Anerkennung“bedankte, die ökologische Industrie hervor. Es gelte, den vermeintlichen Gegensatz von Ökologie und Ökonomie zu überwinden. Gerade im „Land der Tüftler“habe man eine große Verantwortung. Man könne die Erde nicht alleine in BadenWürttemberg retten, doch man müsse vormachen, dass umweltfreundliche Industrie keinen finanziellen Nachteil bedeute. „Wenn man in der Welt sieht, dass man mit grünen Produktlinien auch gute Geschäfte machen kann, dann werden das andere Regionen auch machen“, sagte Kretschmann. „Auch ein kommunistischer Funktionär will keine schlechte Luft einatmen.“
Selbstverwaltung der Wirtschaft Zuvor hatte IHK-Präsident Grieshaber die geladenen Gäste aufgefordert, sich für die Selbstverwaltung der Wirtschaft einzusetzen. Das hätten schon die Gründer der IHK vor 150 Jahren gemacht, um sich besser zu strukturieren und Freiheiten zu erlangen. „Warum ist Selbstverwaltung so wichtig“, fragte Grieshaber und schob die Antwort hinterher: „Weil sie das schafft, was eine Demokratie lebendig macht: Beteiligung. Betroffene werden unmittelbar an der Erfüllung staatlicher Aufgaben beteiligt und nehmen ihre Belange selbst in die Hand. Das ist ein hohes Gut und ein Ausdruck von Freiheit.“
Ein kurzes Interview mit Winfried Kretschmann gibt es online unter www.schwaebische.de/ihkkretschmann