Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Schatten der Vergangenheit
Es ist ein klassischer Zielkonflikt: Damit die Wirtschaft florieren kann, brauchen Unternehmen günstige Bedingungen, sowohl auf staatlicher als auch auf kommunaler Ebene. Die Stadt Ravensburg will deshalb eine möglichst wirtschaftsfreundliche Umgebung schaffen. Verständlich und klug, denn sie ist auf Gewerbesteuern angewiesen, von den Arbeitsplätzen ganz zu schweigen.
Eine wirtschaftsfreundliche Politik stört allerdings viele Nachbarn, die davon betroffen sind: Sei es durch Lärm, Verkehr oder – wie im Fall Weißenau – eine Verletzung des ästhetischen Empfindens. Ob die neue Halle der Firma Grieshaber tatsächlich so potthässlich ist, wie von den Bürgern für Ravensburg behauptet, sei dahingestellt. So schön wie die angrenzende Klosteranlage ist sie nicht, da sind sich alle einig. Der Fehler, direkt neben einem Kulturdenkmal Industrie anzusiedeln, ist aber schon im 19. Jahrhundert gemacht worden. 2006 hätte die Stadt nach der Insolvenz von Ulmia dann die einmalige Chance gehabt, das ganze Gelände aufzukaufen und neu zu überplanen. Das ist versäumt worden, warum auch immer. Aber einen Garten wie in Versailles rund ums Kloster Weißenau, wie ihn sich Stadtrat Höflacher erträumt, hätte Ravensburg ohnehin niemals finanzieren können.
Die Firma Grieshaber an den Pranger zu stellen, die auf ihrem eigenen Grundstück eine Halle baut und sich dabei genau an die Richtlinien eines rechtsgültigen Bebauungsplans aus dem Jahr 1990 hält, ist unfair. Zumal sie sich freiwillig bereit erklärt hat, das Gebäude zu begrünen und als Sichtschutz Bäume pflanzen zu lassen.
Vielleicht ergibt sich irgendwann ja noch einmal die Chance, das Gelände zu kaufen. Dann sollte die Stadt zuschlagen. Denn in einem Punkt haben die Kritiker recht: Es gibt geeignetere Orte für Gewerbegebiete. Bis es so weit ist, muss Weißenau mit dem Anblick der Hallen neben dem Barockensemble leben.
a.vincenz@schwaebische.de