Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Wohnzimmer mit 21 000 Medien
Die Bücherei Weingarten feiert ihr zehnjähriges Jubiläum
WEINGARTEN – Einladend ist es im Erdgeschoss des klassizistischen Gebäudes in der Abt-Hyller-Straße 19 in Weingarten. Hohe Räume, große Fenster, korinthische Säulen, anthrazitgraue Regale mit hellbeigen Einlegebrettern und einem fein parkettieren Holzboden. Blaue Sessel laden zum Schmökern ein, in der Kinderabteilung steht ein großer Tisch mit kleinen bunten Stühlen. Man fühlt sich wie in einem riesigen Wohnzimmer, in dem es auf insgesamt 300 Quadratmetern Bücher, Zeitschriften, Hörbücher, CDs, Brett- und Konsolenspiele gibt – 21 000 Medien insgesamt.
Petra Hasenfratz ist mehr als bloß die Leiterin der Bücherei Weingarten, deren Träger die Stadt Weingarten und die katholische Kirchengemeinde sind. Mit Leidenschaft und Hingabe hat die 59-Jährige die Räumlichkeiten vor gut 10 Jahren eingerichtet. Damals nämlich zog die Bibliothek vom Gemeindehaus Sankt Martin, wo sie seit 1965 ihren Sitz hatte, in die Abt-Hyller-Straße. „Als wir die Räume hier zum ersten Mal gesehen haben, waren noch Waschbecken an den Wänden“, erinnert sie sich an den Zustand der Räumlichkeiten in der ehemaligen Schule. Neben ihr arbeiten noch 29 Ehrenamtliche in der Bibliothek.
Ein Umzug, der sich aber gelohnt hat. Innerhalb kürzester Zeit verdoppelte sich die Besucherzahl von 35 000 auf 70 000. Die Anzahl der Medien stieg von 12 000 auf 21 000. Eigentlich sind es sogar 29 000, zählt man die rund 8000 E-Books und EZeitschriften des Onlineportals „libell-e“ dazu, die die Leser auf ihren Smartphones oder Tablets lesen können.
Überhaupt: Die Bibliothek bietet allen modernen Komfort, Möglichkeiten und einen barrierefreien Zugang. Die Nutzer können über die Homepage Bücher recherchieren, vorbestellen oder verlängern. An einem Schreibtisch können Besucher einen Rechner zur Internetrecherche nutzen. Manche nutzen den Platz auch, um zu arbeiten. „Hier sind sogar schon Bewerbungen entstanden“, erzählt Petra Hasenfratz. Wer einen Tee oder Kaffee trinken möchte, kann dies im Erwachsenenbereich tun, die Regale in der Kinderabteilung sind in Greifhöhe.
„Krimis und Reiseführer“, antwortet Petra Hasenfratz auf die Frage, welche Bücher ihre derzeit 3500 eingetragenen Leser denn am häufigsten ausleihen. Bei den Krimis sind vor allem regionale Serien gefragt, in denen auch die persönliche Geschichte des Ermittlers erzählt wird – eine Vorliebe, die sie selbst ebenfalls hat. Kochbücher – einst Bibliotheksrenner - sind in der Gunst der Nutzer stark zurückgegangen. „Leider“, bedauert sie. „Hier merken wir sehr die Konkurrenz zum Internetangebot, in dem Rezepte einfach schneller und spontaner verfügbar sind.“Dauerbrenner sind auch Comics wie Asterix oder Lucky Luke, die sie regelmäßig ersetzen muss. Nach 60 Ausleihen fallen sie auseinander, egal wie pfleglich man damit umgeht. Hörbücher sind hoch im Kurs, vor allem bei Nutzern, die viel unterwegs sind.
Welche Bücher oder Medien ins Bücherei-Angebot aufgenommen werden, bestimmt sie selbst. „Ich bekomme ein Budget und kann frei entscheiden“, sagt die 59-Jährige. Anregungen für Neues bekommt sie vor allem in sogenannten Rezensionszeitschriften, in denen Bücher kurz vorgestellt sind. Aktualität sei das wichtigste Kriterium für eine attraktive Bibliothek, sagt Petra Hasenfratz. Alle vier Wochen geht sie auf Einkaufstour – und trennt sich von „alten“Büchern. „Die Leute wollen Neues und keine Ladenhüter.“Eine gute Bücherei erkenne man daran, wie viele Bücher hinausgehen und nicht wie viele man einstellt. „Wir sind kein Archiv.“Natürlich gibt es auch Klassiker von Goethe oder Schiller – die zwar zu den Highlights der deutschen Literatur zählen, aber wenig bis gar nicht verlangt werden. Sie stehen aber aus Platzgründen nicht im frei zugänglichen Regal.
Wie in einem Wohnzimmer eben.