Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Bis zu 75 Prozent der Ernte sind vernichtet
Jahrhundertfrost im Anbaugebiet am Bodensee: Obstbauern sprechen von Katastrophe
FRIEDRICHSHAFEN - Der nachösterliche Optimismus bei den Obstbauern ist totaler Ernüchterung gewichen. Die Frostschäden im Anbaugebiet Bodensee haben ein wesentlich größeres Ausmaß erreicht als nach den Wetterprognosen nach Ostern vorhersehbar war: Nach Worten von Eugen Setz
Eugen Setz, Geschäftsführer von Obst am Bodensee, wurden 60 bis 75 Prozent der Ernte vernichtet.
Es ist weit schlimmer gekommen als prognostiziert. Vor allem von Donnerstag auf Freitag vergangener Woche zogen Minusgrade von mehr als fünf Grad ins Anbaugebiet. „Bei zwei bis drei Grad Minus wird’s für die Blüte kritisch“, verdeutlicht Setz. Was dann aber kam „ist für die Obstbauern am See eine Katastrophe“. Eine am Dienstag in Friedrichshafen einberufene Sitzung mit Vermarktern und Obstbauern zog ein „ernüchterndes Resümee“: Im 6400 Hektar großen Anbaugebiet am See mit seinen 1100 Obstbaubetrieben ist für die Kernobsternte im Herbst 2017 zu befürchten, so meint Setz, „dass ein Anteil einer Normalerntemenge (hängende Ernte) – bei den einzelnen Sorten zwar unterschiedlich zu 60 bis 75 Prozent vernichtet wurde. Positiv ausgedrückt: Die Ernte wird zwischen 25 und 40 Prozent einer Normalernte liegen. Regionale Unterschiede „gibt es kaum“. Das ganze Anbaugebiet sei betroffen – von Markdorf bis nach Lindau.
Insider der Szene gehen davon aus, dass der Verbraucher trotz der hohen zu erwartenden Ernteeinbußen auch in diesem Jahr Äpfel, Kirschen, Zwetschgen oder Himbeeren genießen kann. Der globalisierte Markt wird dafür sorgen. Die regionalen Produkte, so sind sich die Vermarkter sicher, „werden 2017 aber deutlich teurer sein“. Diese Einschätzung kommt von Peter Hauk, Landwirtschaftsminister in BadenWürttemberg.
Steuerliche Erleichterungen Hauk hat bereits angekündigt, dass er den Landwirten helfen wolle: „Das Land ist nicht der Rückversicherer der landwirtschaftlichen Branche, aber dort, wo Existenzen gefährdet sind, muss sich der Staat engagieren.“Der Minister erklärte Anfang der Woche, er werde das Thema auch beim Bund ansprechen – in vielen anderen Bundesländern gab es ebenfalls erhebliche Schäden. Daneben hat Hauk, wie er erklärt, beim Finanzministerium in Stuttgart steuerliche Erleichterungen für die betroffenen Landwirte angeregt. Am See hat man die Hilfserklärungen auf ministerieller Ebene gerne vernommen. Eugen Setz: „Wir werden uns an die Willensbekundung des Ministers klammern. Es geht wirklich um Existenzen.“
„Es ist weit schlimmer gekommen als von den Wettervorhersagen prognostiziert.“
Die Kernobsternte 2017 ist mehr oder weniger ein Totalausfall. Obstbauern erklären im Video ihre Situation unter www.schwaebische.de/ obstfrost17