Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Schweigen im Gerichtssaal
Beim Verhandlungsauftakt zur Messerattacke in Friedrichshafen schildert nur ein Polizist seine Erlebnisse
FRIEDRICHSHAFEN - Sie begrüßten sich mit festem Schulterklopfen, ansonsten blieben sie still: Ausdruckslos verfolgte das angeklagte Brüderpaar gestern den Auftakt ihrer Verhandlung am Landgericht Ravensburg – mit Blick auf eine Schar Bekannter und Verwandter auf den Besucherstühlen. Die jungen Männer – 23 und 27 Jahre alt – sowie ein 26-Jähriger müssen sich wegen des Vorwurfs des versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung verantworten.
Das Trio soll am 19. September 2016 um 22 Uhr auf dem Parkplatz gegenüber der Friedrichshafener Feuerwache eine rivalisierende Gruppe aus drei Personen angegriffen haben. Dabei soll der 27-Jährige laut Anklage einen Kontrahenten mit dem Kopf auf die Motorhaube eines Autos gedrückt haben. Sein Bruder soll dann ein Messer gezückt und mit den Worten „Ich stech’ dich jetzt ab“mehrmals auf den Wehrlosen eingestochen haben. Ein Stich traf den Verletzten in den Rücken, zwei weitere Stiche trafen in den Unterarm. Nachdem ein Freund des Angegriffenen zur Hilfe kam, konnte sich der Verletzte befreien und zur Feuerwache flüchten, wo er zusammenbrach. Danach soll der muskulöse 23-jährige Angeklagte auch noch den Helfer angegriffen und mit dem Messer zweimal zugestochen und dabei gerufen haben, dass er „verrecken“soll.
„Ich stech’ dich jetzt ab.“Nach diesen Worten soll einer der Angeklagten auf einen Wehrlosen losgegangen sein.
Schon früh auffällig Das Brüderpaar sitzt in der JVA Ravensburg in Untersuchungshaft. Auf Nachfrage von Richter Jürgen Hutterer wollten sie sich gestern bei der ersten Verhandlung im Sitzungssaal 1 des Landgerichts Ravensburg weder zu ihrer Person, noch zur Sache äußern. Nur der 26-Jährige gab Auskunft über sein aktuelles und bisheriges Leben, sagte aber ebenfalls nichts über den Vorfall. Demnach ist er wegen einer Eigentumswohnung verschuldet, hat aber einen festen Job in der Industrie, Frau und Kind. Das bisherige Leben des Brüderpaars verlief weniger gut. So sind sie schon vor einigen Jahren als Jugendliche in Haupt- und Berufsschulen negativ aufgefallen und teils verwiesen worden. Später wurden sie dann auch straffällig. Ihre Daten wurden aus alten Akten des Tettnanger Amtsgerichts entnommen und verlesen.
Blut, Stoffreste, Kippen Als einziger Zeuge wurde ein 44-jähriger Kriminalkommissar vorgeladen, der am Tatabend Spuren gesichert hatte. Richter, Staatsanwältin, Nebenkläger, Anwälte und ein Sachverständiger schauten sich dessen Fotos vom Tatort mit den Blutspuren auf dem Auto und dem Boden an. Anschließend befragten die Rechtsanwälte der Angeklagten den Polizisten kurz – unter anderem zur Beleuchtung am Abend und den aufgefundenen Gegenständen. Er habe den Tatort akribisch abgesucht und neben viel Blut auch Stoffreste und Zigarettenkippen gefunden.
Der nächste Verhandlungstag am Landgericht Ravensburg ist für Donnerstag, 4. Mai, 9 Uhr, angesetzt. Danach folgen noch weitere sechs Termine.