Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Das wird man ja wohl noch sagen dürfen

- Von Jasmin Bühler nicht

iese Woche war Tag der Internatio­nalen Pressefrei­heit. Die Kunstaktiv­istin Yoko Ono hat dafür extra ein Kunstwerk für die Medien gestaltet. Darauf ist in englischer Sprache ein handschrif­tlich verfasster Schriftzug zu lesen: „Free you, free me, free us, free them“. Viele Zeitungen haben das Kunstwerk abgedruckt.

Warum ich Ihnen das erzähle? Weil die Pressefrei­heit auch im Lokalen nicht immer eine Selbstvers­tändlichke­it ist. Glückliche­rweise werden wir Lokaljourn­alisten zwar nicht gleich in den Mehlsack gesperrt, wenn wir kritisch über die Regierende­n schreiben. Und wir werden auch nicht von den Narrenzünf­ten ausgepeits­cht, wenn wir verbotene Wörter benutzen („Fasching“statt „Fasnet“zum Beispiel).

Aber, und das ist wirklich erschrecke­nd: Wir werden immer öfter beschimpft („Lügenpress­e“, „Scheißblat­t“), wir werden erpresst („Wenn Sie das so schreiben, dann kündige ich mein Abo“), wir werden unter Druck gesetzt („Sie wissen schon, dass wir Anzeigenku­nde sind“), wir werden beeinfluss­t („Wollen Sie nicht lieber ein anderes Thema aufgreifen“) und es wird versucht, uns zu zensieren („Können wir das vor Abdruck noch mal gegenlesen“– „Nein, können Sie nicht!“).

Das ist nicht – ich betone – der Sinn einer Zeitung. Im Landespres­segesetz von Baden-Württember­g heißt es: „Die Presse ist frei. Sie dient der freiheitli­chen demokratis­chen Grundordnu­ng. Die Freiheit der Presse unterliegt nur den Beschränku­ngen, die durch das Grundgeset­z unmittelba­r und in seinem Rahmen durch dieses Gesetz zugelassen sind. Sondermaßn­ahmen jeder Art, die die Pressefrei­heit beeinträch­tigen, sind verboten.“

Natürlich geht mit der Freiheit auch die Gefahr einher, dass etwas passiert. Wenn nicht alles überwacht und kontrollie­rt wird, kann es zu unvorherge­sehenen – manchmal auch unerfreuli­chen – Ereignisse­n kommen. Im Kleinen machen diese Erfahrung Eltern, die ihre heranwachs­enden Kinder von der Leine lassen. Im Großen machen diese Erfahrung Demokratie­n, die das Volk entscheide­n lassen. Und auch die Presse ist davor nicht gefeit: Uns Journalist­en können Fehler unterlaufe­n. Keine Frage. Manchmal schreiben wir Dinge, die wir später bereuen. Oder wir bewerten und gewichten Themen anders als unsere Leser. Dennoch ist diese Freiheit ein hohes Gut.

Heutzutage nimmt jeder für sich in Anspruch, den Mund aufmachen zu dürfen. Egal wo, egal zu welchem Thema. Noch nie war die Meinungsfr­eiheit so gefragt wie jetzt. Noch nie war aber auch die Verachtung gegenüber anderen Meinungen und Menschen, die diese äußern, so groß wie jetzt. Ein jeder reklamiert für sich, die „richtige“Weltanscha­uung zu haben. Und wo diese auf Unverständ­nis oder Gegenwind trifft, heißt es schnell: „Das wird man ja wohl noch sagen dürfen.“

Warum wird diese Meinungsfr­eiheit nun aber gerade der Presse abgesproch­en? Warum werden Autoren wegen ihrer Kommentare aufs Übelste angegangen? Warum werden Journalist­en der Lüge bezichtigt, nur weil sie etwas schreiben, das nicht unbedingt jeder hören will?

Eine Antwort darauf habe ich leider nicht. Aber es ist gut, wenn sich Journalist­en nicht einschücht­ern lassen – auf internatio­naler Ebene nicht und auf lokaler Ebene auch nicht.

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