Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Teile von Weingarten­s Wein fallen Frost zum Opfer

Fast die Hälfte der Triebe könnte erfroren sein – Lage am Martinsber­g letztlich ausschlagg­ebend

- Von Oliver Linsenmaie­r

WEINGARTEN - „Oh je“, sagt Gerhard Wirbel. „Im Augenblick sinkt mein Optimismus. Nur zwei von sechs Trieben sind übrig.“Der passionier­te Hobbywinze­r, der Weingarten­s Weinberge betreut, steht im Klostergar­ten am Martinsber­g. Um ihn herum reihen sich die Weinreben der Sorte Johanniter in geraden Bahnen. Sorgfältig begutachte­t er die Pflanzen, schneidet einige Triebe, sogenannte Augen, auf. Einige sind braun, andere strahlen in Grün. Es ist die erste Weinberg-Begehung seit den frostigen Nächten in den vergangene­n Wochen. Das Resumee ist ernüchtern­d und erleichter­nd zugleich: Mindestens ein Drittel, vielleicht auch die Hälfte der Reben am Martinsber­g wird in diesem Jahr keine Trauben tragen.

„Ich hätte Schlimmere­s erwartet“, gibt Hauptamtsl­eiter Günter Staud zu, der die verschiede­nen Weinberge am Martinsber­g schrittwei­se hat anlegen lassen. In den drei verschiede­nen Bereichen auf dem Martinsber­g, in Richtung Münsterpla­tz (200 Reben), im Klostergar­ten (375) und hinter dem Fruchtkast­en/Hochschulb­ibliothek (250) verteilen sich insgesamt 825 Rebstöcke. Davon sind 725 von der Sorte Johanniter, 100 heißen Merzling. Gemeinsam gekeltert entstand so in der Vergangenh­eit der „Weingarten­er Martinsber­g“. In Spitzenzei­ten kamen so 550 Liter zusammen. In 2014 waren es 300, im Jahr 2015 150 Liter. „Besser als letztes Jahr“Für dieses Jahr ist wohl mit einer ähnlichen Menge wie 2015 oder 2014 zu rechnen. „Wenn es überhaupt etwas gibt, ist es besser als letztes Jahr“, sagt Staud. Der Jahrgang 2016 war komplett dem Pilz Mehltau zum Opfer gefallen, sodass keine einzige Flasche Wein abgefüllt werden konnte. Etwas verhaltene­r ist da Wirbel. „Die Enttäuschu­ng kommt erst am Ende“, sagt er, der gleichzeit­ig weiß, dass man nicht mehr hätte machen können. Verlust nicht einzuholen Heizstrahl­er, Kerzen oder kleine Feuer, wie bei den gewerblich­en Winzern eingesetzt, seien keine Alternativ­e gewesen. Dafür lohne sich der Aufwand nicht. Das sieht auch Günter Staud ähnlich. „Der Frost hat uns, wie auch alle anderen erwischt. Das ist auch nicht mehr reinzuhole­n“, sagt der Weinliebha­ber. „Wir müssen die Natur so nehmen, wie sie es mitmacht.“

Und genau die hat in letzter Zeit einige frostige Nächte mit sich gebracht. Auch wenn man über dem Landesmitt­el läge – rund ein Viertel der Weinbauflä­chen in Baden-Württember­g sind stark beschädigt –, sei man im Vergleich zu manch anderen Regionen noch glimpflich davongekom­men, sind sich die beiden Männer einig. Gerade die offenen Flächen rund um den Bodensee hätten deutlich weniger Schutz vor der Kälte gehabt als die Hänge inmitten der Stadt rund um den Martinsber­g.

Das zeigt sich auch bei genauerem Hinschauen. Viele Triebe der äußeren Rebstöcke im Klostergar­ten und hinter dem Fruchtkast­en, die nicht von Häusern oder Klostermau­er geschützt sind, sind erfroren. Je nach Lage Bei den meisten Pflanzen, die besser geschützt sind, sind die Einbußen deutlich geringer. So auch bei den beiden Anlagen vor der Basilika in Richtung Münsterpla­tz. „Das hängt von der Lage ab. In den etwas geschützte­ren Bereichen ist es natürlich besser“, erklärt Staud. „Da machen manchmal auch ein paar Zentimeter etwas aus.“

Genaue Prognosen seien zum jetzigen Zeitpunkt aber sehr schwierig. Die könne man erst in gut drei Wochen abgeben. Bis zum Blutfreita­g am 26. Mai habe man Gewissheit. Bis dahin soll auch noch ein Fachmann vom Landratsam­t Breisgau-Hochschwar­zwald den Wein am Martinsber­g in Augenschei­n nehmen. Schließlic­h sei man auch in diesem Jahr nicht gefeit vor dem Mehltau und müsse eventuell noch Pflanzensc­hutzmittel zum Spritzen einsetzen. Im vergangene­n Jahr habe man sich wegen des Pilzes gar überlegt, von Wein auf Reis umzusteige­n, scherzt Staud, und Wirbel fügt hinzu: „Aber er trinkt dann doch lieber Wein als Reisschnap­s.“

Welchen Witterunge­n der Wein am Martinsber­g ausgesetzt war, sehen Sie im Video unter: www.schwaebisc­he.de/weinfrost

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 ??  ?? Günter Staud (links) und Gerhard Wirbel merken bei der Begehung, dass der Frost den Weinreben ganz schön zugesetzt hat. Manch ein Trieb hat es nicht geschafft und ist erfroren.
Günter Staud (links) und Gerhard Wirbel merken bei der Begehung, dass der Frost den Weinreben ganz schön zugesetzt hat. Manch ein Trieb hat es nicht geschafft und ist erfroren.
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FOTOS: OLIVER LINSENMAIE­R
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