Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Teile von Weingartens Wein fallen Frost zum Opfer
Fast die Hälfte der Triebe könnte erfroren sein – Lage am Martinsberg letztlich ausschlaggebend
WEINGARTEN - „Oh je“, sagt Gerhard Wirbel. „Im Augenblick sinkt mein Optimismus. Nur zwei von sechs Trieben sind übrig.“Der passionierte Hobbywinzer, der Weingartens Weinberge betreut, steht im Klostergarten am Martinsberg. Um ihn herum reihen sich die Weinreben der Sorte Johanniter in geraden Bahnen. Sorgfältig begutachtet er die Pflanzen, schneidet einige Triebe, sogenannte Augen, auf. Einige sind braun, andere strahlen in Grün. Es ist die erste Weinberg-Begehung seit den frostigen Nächten in den vergangenen Wochen. Das Resumee ist ernüchternd und erleichternd zugleich: Mindestens ein Drittel, vielleicht auch die Hälfte der Reben am Martinsberg wird in diesem Jahr keine Trauben tragen.
„Ich hätte Schlimmeres erwartet“, gibt Hauptamtsleiter Günter Staud zu, der die verschiedenen Weinberge am Martinsberg schrittweise hat anlegen lassen. In den drei verschiedenen Bereichen auf dem Martinsberg, in Richtung Münsterplatz (200 Reben), im Klostergarten (375) und hinter dem Fruchtkasten/Hochschulbibliothek (250) verteilen sich insgesamt 825 Rebstöcke. Davon sind 725 von der Sorte Johanniter, 100 heißen Merzling. Gemeinsam gekeltert entstand so in der Vergangenheit der „Weingartener Martinsberg“. In Spitzenzeiten kamen so 550 Liter zusammen. In 2014 waren es 300, im Jahr 2015 150 Liter. „Besser als letztes Jahr“Für dieses Jahr ist wohl mit einer ähnlichen Menge wie 2015 oder 2014 zu rechnen. „Wenn es überhaupt etwas gibt, ist es besser als letztes Jahr“, sagt Staud. Der Jahrgang 2016 war komplett dem Pilz Mehltau zum Opfer gefallen, sodass keine einzige Flasche Wein abgefüllt werden konnte. Etwas verhaltener ist da Wirbel. „Die Enttäuschung kommt erst am Ende“, sagt er, der gleichzeitig weiß, dass man nicht mehr hätte machen können. Verlust nicht einzuholen Heizstrahler, Kerzen oder kleine Feuer, wie bei den gewerblichen Winzern eingesetzt, seien keine Alternative gewesen. Dafür lohne sich der Aufwand nicht. Das sieht auch Günter Staud ähnlich. „Der Frost hat uns, wie auch alle anderen erwischt. Das ist auch nicht mehr reinzuholen“, sagt der Weinliebhaber. „Wir müssen die Natur so nehmen, wie sie es mitmacht.“
Und genau die hat in letzter Zeit einige frostige Nächte mit sich gebracht. Auch wenn man über dem Landesmittel läge – rund ein Viertel der Weinbauflächen in Baden-Württemberg sind stark beschädigt –, sei man im Vergleich zu manch anderen Regionen noch glimpflich davongekommen, sind sich die beiden Männer einig. Gerade die offenen Flächen rund um den Bodensee hätten deutlich weniger Schutz vor der Kälte gehabt als die Hänge inmitten der Stadt rund um den Martinsberg.
Das zeigt sich auch bei genauerem Hinschauen. Viele Triebe der äußeren Rebstöcke im Klostergarten und hinter dem Fruchtkasten, die nicht von Häusern oder Klostermauer geschützt sind, sind erfroren. Je nach Lage Bei den meisten Pflanzen, die besser geschützt sind, sind die Einbußen deutlich geringer. So auch bei den beiden Anlagen vor der Basilika in Richtung Münsterplatz. „Das hängt von der Lage ab. In den etwas geschützteren Bereichen ist es natürlich besser“, erklärt Staud. „Da machen manchmal auch ein paar Zentimeter etwas aus.“
Genaue Prognosen seien zum jetzigen Zeitpunkt aber sehr schwierig. Die könne man erst in gut drei Wochen abgeben. Bis zum Blutfreitag am 26. Mai habe man Gewissheit. Bis dahin soll auch noch ein Fachmann vom Landratsamt Breisgau-Hochschwarzwald den Wein am Martinsberg in Augenschein nehmen. Schließlich sei man auch in diesem Jahr nicht gefeit vor dem Mehltau und müsse eventuell noch Pflanzenschutzmittel zum Spritzen einsetzen. Im vergangenen Jahr habe man sich wegen des Pilzes gar überlegt, von Wein auf Reis umzusteigen, scherzt Staud, und Wirbel fügt hinzu: „Aber er trinkt dann doch lieber Wein als Reisschnaps.“
Welchen Witterungen der Wein am Martinsberg ausgesetzt war, sehen Sie im Video unter: www.schwaebische.de/weinfrost