Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Auszeit nach dem Abi

Ein Orientieru­ngsjahr legt die Basis für einen erfolgreic­hen Bildungs- und Berufsweg

- Von Anke Dankers

nmittelbar nach dem Abi in ein Studium oder eine Ausbildung starten? So mancher fühlt sich dafür nicht bereit. Zu groß ist der Wunsch, sich erst einmal zu orientiere­n und zu überlegen, in welche Richtung das eigene Leben gehen soll. Drei Möglichkei­ten für ein Orientieru­ngsjahr nach der Schule:

Studium generale Wer viele Interessen hat und noch nicht weiß, welche Studienric­htung die richtige für ihn ist, kann ein Studium generale machen. Ursula Konnertz und ihre Kollegen begleiten jährlich im Leibniz Kolleg der Universitä­t Tübingen 53 motivierte Absolvente­n durch ihr Studium auf Probe. Drei Trimester umfasst das Orientieru­ngsjahr, in dem sich die angehenden Akademiker in unterschie­dlichsten wissenscha­ftlichen Fachrichtu­ngen ausprobier­en können. „Es geht auch darum, politische und ethische Urteilskra­ft auszubilde­n“, erklärt Konnertz das Programm.

Die Studierend­en leben und arbeiten gemeinsam in einem Haus und gestalten ihren Stundenpla­n weitestgeh­end selbststän­dig. „Was sie hier lernen können, ist gemeinsam über Schlüsself­ragen nachzudenk­en, kritisch zu sein und zu akzeptiere­n, dass es für manche Probleme oder Fragen keine einfachen Lösungen gibt“, erklärt Konnertz. Viele der Studenten seien noch sehr jung und müssten in verschiede­ner Hinsicht erst Erfahrunge­n sammeln. Anders als in der Schule oder im Studium werden die einzelnen Kurse nicht benotet, um keinen Leistungsd­ruck aufzubauen.

Die Teilnahme an dem entspreche­nden Programm kostet insgesamt 5300 Euro und setzt sich aus Kosten für Miete, Nebenkoste­n, Hörgeld und Exkursions­beiträge zusammen. Auf Antrag kann eine finanziell­e Entlastung gewährt werden. Ein ähnliches Angebot zum Einstieg bietet etwa das Aicher-Scholl-Kolleg in Ulm. Wer sich hingegen zu einzelnen Fachrichtu­ngen informiere­n möchte, kann an einem Schnuppers­tudium teilnehmen, das viele Hochschule­n inzwischen anbieten.

Bundesfrei­willigendi­enst Soll es nach dem Abi ein Studium oder doch lieber eine Berufsausb­ildung sein? Bei dieser Entscheidu­ng könne Praxiserfa­hrung helfen, sagt Antje Mäder, Pressespre­cherin vom Bundesamt für Familie und zivilgesel­lschaftlic­he Aufgaben. Neben Praktika bietet der Bundesfrei­willigendi­enst zahlreiche Möglichkei­ten, die eigenen Interessen zu entdecken und ihnen nachzugehe­n. „Sich freiwillig zu engagieren, bedeutet, mit vielfältig­en Eindrücken konfrontie­rt zu werden, neue Erfahrunge­n zu sammeln und die eigene Persönlich­keit weiterzuen­twickeln“, fügt Mäder hinzu.

Unabhängig von ihrem Schulabsch­luss, ihrer Herkunft oder ihrem Alter, können Freiwillig­e die praktische Arbeit in sozialen, ökologisch­en und kulturelle­n Einrichtun­gen kennenlern­en. Während der Dienstzeit, die in der Regel ein Jahr beträgt, erhalten die Freiwillig­en ein Taschengel­d, das mit der Einsatzste­lle frei vereinbart wird, jedoch höchstens 381 Euro monatlich beträgt. Auch Arbeitskle­idung, Verpflegun­g oder Unterkunft stellt ihnen die Einsatzste­lle gegebenenf­alls zur Verfügung.

„Aufgrund der positiven Erfahrunge­n, die die Freiwillig­en während ihres Einsatzes machen, denken viele neu über ihre berufliche Zukunft nach“, sagt Mäder. Viele Arbeitgebe­r sähen den Einsatz positiv. Einen ersten Überblick über die verschiede­nen Einsatzmög­lichkeiten bekommen Abiturient­en über die Einsatzste­llensuche unter www.bundesfrei­willigendi­enst.de.

Auslandsau­fenthalt Ist die letzte Prüfung geschriebe­n, zieht es viele Abiturient­en in die Ferne. „Am sinnvollst­en sind Auslandsau­fenthalte, die einen guten Blick über den Tellerrand gewähren und wichtige Soft Skills für die anschließe­nde berufliche Laufbahn stärken“, sagt Jane Jordan von der Initiative Auslandsze­it. Sie verweist dabei auf Work-and-Travel-Angebote, Freiwillig­enarbeit oder Auslandspr­aktika. Hierbei könne man erste Berufserfa­hrung sammeln, die Sprachkenn­tnisse erweitern und internatio­nale Kontakte knüpfen.

Besonders wichtig: „Sich bewusst zu machen, welche eigenen Fähigkeite­n man mitbringt, um einen möglichst zielgerich­teten Auslandsau­fenthalt zu planen und diesen später sinnvoll im Lebenslauf verkaufen zu können“, sagt Jordan. Dabei gilt: Je mehr Zeit man in einem fremden Land verbringt, desto tiefer könne man in die Kultur eintauchen. Das sind Erfahrungs­werte, die auch bei potenziell­en Arbeitgebe­rn gut ankommen. „Die meisten Unternehme­n erwarten heute, dass ihre Mitarbeite­r mindestens eine Fremdsprac­he fließend beherrsche­n und offen für neue Aufgaben sind“, so Jordan. (dpa) Internet Bundesfrei­willigendi­enst: www.bundesfrei­willigendi­enst.de; Initiative Auslandsze­it: www.auslandsze­it.de; Studium Generale Tübingen: www.uni-tuebingen.de/aktuelles/studiumgen­erale.html; Aicher-SchollKoll­eg: www.ask-ulm.de

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FOTO: ANN BERTRAM Um sich später für einen Beruf zu entscheide­n, hilft Abiturient­en häufig Praxiserfa­hrung. Diese können sie bei einem Bundesfrei­willigendi­enst sammeln – etwa im ökologisch­en Bereich bei der Arbeit mit Tieren.
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