Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Breitbandausbau kommt in Schwung
Bis Ende 2018 sollen alle Haushalte Zugang zu einem schnellen Internet haben
für die nächsten 200 Tickets! KÖLN (dpa) - Für Jürgen Grützner ist die Sache klar: „Das Problem waren von Anfang an die letzten 30 Prozent. Voraussichtlich werden wir davon gerade mal gut die Hälfte schaffen“, resümiert der Geschäftsführer des Verbands der Anbieter von Telekommunikationsund Mehrwertdiensten. Es geht um den Ausbau des schnellen Internets, die Bundesregierung hat die Latte hoch gelegt: In gut eineinhalb Jahren soll bundesweit für jeden Haushalt ein Anschluss mit einem Surftempo von mindestens 50 Mbit pro Sekunde verfügbar gemacht werden. Das heißt: Im ganzen Land ruckelfreies Video und TV über Internet, Musik hören ohne Aussetzer oder Daten verschicken ohne lange Wartezeiten.
Ein aktueller Blick auf den Breitbandatlas der Bundesregierung verrät allerdings: Viele ländliche Regionen sind vom schnellen Netz zum Teil noch abgeschnitten. Weniger als zehn Prozent der Haushalte erreichen hier derzeit die angesteuerte Zielmarge von 50 Mbit pro Sekunde. Das gilt zum Beispiel für Teile der Eifel, des oberbergischen Kreises, das ländliche Umfeld von Freiburg im Breisgau, Regionen zwischen Tübingen und Bodensee, größere Gebiete um den Bayerischen Wald, im südlichen und östlichen Sachsen sowie vor allem in weiten Teilen von Mecklenburg-Vorpommern.
Für Alexander Dobrindt (CSU), Minister für Verkehr und digitale Infrastruktur, ist das kein Grund zu resignieren. Bei der Vorstellung des Stands der digitalen Agenda zeigte sich der Minister Ende April zuversichtlich: Rund 75 Prozent der Haushalte hätten bereits einen Zugang, ein Viertel müsste noch geschlossen werden. Dobrindt: „Wir werden dieses Ziel erreichen.“Dabei verwies er unter anderem auf die zugesagten Fördergelder von 2,3 Milliarden Euro und die 210 000 Kilometer Glasfaserkabel, die genehmigt worden seien.
Netzagentur ist optimistisch Derzeit ist Nordrhein-Westfalen mit einer Abdeckung von mehr als 82 Prozent beim schnellen Internet führend unter den Flächenländern. Schlusslichter sind MecklenburgVorpommern und Sachsen mit jeweils 57 Prozent. Der Präsident der Bundesnetzagentur, Jochen Homann, gibt sich vorsichtig optimistisch: „Ich glaube an die 50 Mbit“, sagte er am Montag bei der Vorstellung seines Jahresberichts. Allerdings sei „Glaube nicht Wissen“. Die Bundesnetzagentur werde den Ausbau jedenfalls nach Kräften unterstützen.
Nach gerichtlichen Auseinandersetzungen um das sogenannte Vectoring sei nun der Weg frei für die Aufgrund der Digitalisierung ist das Datenvolumen in den deutschen Fest- und Mobilfunknetzen 2016 erneut rasant gestiegen. Das geht aus dem am Montag veröffentlichten Jahresbericht der Bundesnetzagentur hervor. Demnach sind im vergangenen Jahr etwa 22,5 Milliarden Gigabyt Daten über Festnetze übertragen worden – eine Steigerung von rund 32 Prozent gegenüber dem Jahr 2015. Über Mobilfunknetze wurden 918 Millionen Gigabyte übertragen (2015: 575 Millionen Gigabyte). Die Zahl der versendeten SMS ist im Zuge der Verbreitung von Messenger-Diensten wie Whatsapp gesunken. Während 2015 noch 16,6 Milliarden SMS verschickt wurden, waren es 2016 noch 12,7 Milliarden. Der Höhepunkt lag 2012 bei fast 60 Milliarden. Auch das Gesamtvolumen der abgehenden Gesprächsminuten im Festnetz (2016: 131,0 Milliarden Minuten; 2015: 139,9 Milliarden Minuten) ist rückläufig, während das Gesamtvolumen der Gesprächsminuten im Mobilfunk (2015 und 2016: 115 Milliarden Minuten) stagniert. Knapp 60 Prozent aller Gesprächsminuten im Festnetz wurden 2016 internetbasiert realisiert. (sz) schnelle Verbesserung der Kupferverbindungen. Dies stelle aber nur eine Übergangstechnologie dar, die bald an ihre Grenzen stoßen werde, betonte Homann. Die Datenvolumina wüchsen weiter in rasantem Tempo. So seien allein 2016 ein Drittel mehr Daten über das Festnetz übertragen worden als ein Jahr zuvor. In den Mobilfunknetzen wuchs die Menge gar um 60 Prozent.
Erreichbar oder nicht – die Vorgaben von Dobrindt sind nur ein Zwischenschritt auf dem Weg in die sogenannte Gigabit-Gesellschaft. Stephan Albers, Chef des Breitbandverbandes Breko: „Wir müssen jetzt mit Digitalcourage ein langfristiges, tragfähiges Ziel auf Basis reiner Glasfaseranschlüsse bis in alle Gebäude setzen.“Sprich, ein flächendeckendes Glasfasernetz aufbauen mit mindestens ein Gbit Geschwindigkeit bis 2025.
Doch so weit denkt Helmut Berscheid, Experte für schnelles Internet im Eifelkreis Bitburg-Prüm, noch nicht. Er weiß, wie aufwendig es ist, in der Region schnelle Netze zu etablieren. Aber der Kreis hat es fast geschafft: Nachdem die Fördergelder zugesagt wurden, könnte mit dem weiteren Ausbau der Netze voraussichtlich in diesem Sommer begonnen werden. Und Berscheid ist mächtig stolz darauf, dass trotz der Widrigkeiten voraussichtlich alle 235 unterversorgten Gemeinden auf den Zug der digitalen Welt aufspringen können.
„Ich glaube an die 50 Mbit.“
Jochen Homann, Chef der Bundesnetzagentur zum Ziel der Bundesregierung
Ganz andere Probleme bestehen in Mecklenburg-Vorpommern, wo allein die schiere Fläche und geringe Besiedelungsdichte den Netzausbau herausfordern. Nach Angaben der Landesregierung liegt die ländliche Abdeckung mit schnellen Internetanschlüssen derzeit bei rund 15 Prozent. Fünf Prozent der Haushalte landesweit müssten noch angeschlossen werden, heißt es. Nach Umsetzung der 77 geförderten Ausbauprojekte würde die Versorgungsquote hier auf 82 Prozent ansteigen.
In Bayern beschleunigt Staatsminister Markus Söder (CSU) derzeit den Ausbau und gibt sich besonders forsch: „Bis 2018 wollen wir schnelles Internet in jeder Gemeinde – vielleicht erreichen wir das Ziel schon in 2017.“Ein „Höfebonus“für Streusiedlungen soll helfen, den schnellen Anschluss bis in den letzten Winkel des Freistaats zu treiben. Immerhin: Heute sind es bereits 37 Prozent der Haushalte, die sich auf dem Lande in ein Turbonetz aufschalten können.