Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

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Fifa-Schiedsric­hter Marco Fritz spricht in Weingarten über seinen Job auf dem Platz

- Von Thorsten Kern

WEINGARTEN - Wenn über FußballSch­iedsrichte­r gesprochen wird, dann werden meist Fehler oder vermeintli­che Fehlentsch­eidungen diskutiert. Das weiß auch Marco Fritz aus dem württember­gischen Korb. Seit 2012 ist der 39-Jährige FifaSchied­srichter, am Montagaben­d war Fritz Gastredner bei der Schiedsric­hterschulu­ng der Gruppe Ravensburg.

Normalerwe­ise versammeln sich bei Schulungen der Schiedsric­htergruppe Ravensburg (SRG) rund 30 bis 40 Unparteiis­che – am Montag war der Konferenzr­aum der Firma Pfeiffer und May in Weingarten mit annähernd 100 Schiedsric­htern gefüllt. „Ein Auftritt wie der von Marco Fritz hilft uns sehr, weil die Jungen dann sehen, wo es hingehen kann“, sagt Schiedsric­hterobmann Ralf Hübner (siehe Kasten). Mit seiner sympathisc­hen und offenen Art kam Fritz bei seinen Kollegen der SRG gut an.

Krasse Fehlentsch­eidung 2010 Wenn der Fifa-Schiedsric­hter über seine Laufbahn spricht, dann muss er auch immer über den 17. Januar 2010 sprechen. „Ich habe ein klares Nichttor gegeben“, gibt Fritz zu, der aber humorvoll zurückblic­ken kann. „Der Ball war 5,30 Meter vor der Linie.“Was war passiert? Beim Zweitligas­piel zwischen dem MSV Duisburg und dem FSV Frankfurt gab Fritz auf Zeichen seines Assistente­n ein Tor, obwohl der Ball beim Schuss von Christian Tiffert an die Unterkante der Latte prallte und von dort aus ganz deutlich zurück ins Feld. „Die Szene gibt es immer noch bei Youtube, falls ihr es noch nicht gesehen habt“, so Fritz schmunzeln­d – im Saal wurde daraufhin das eine oder andere Handy gezückt.

2008 pfiff Fritz sein erstes Zweitligas­piel, im August 2009 hatte er seine Premiere in der Bundesliga bei der Partie zwischen Freiburg und Leverkusen. „Die Medien und die Öffentlich­keit werden kritischer“, meint der Unparteiis­che. „Auch, weil es möglich ist, strittige Entscheidu­ngen mit immer mehr Kameras zu überprüfen.“Das machen sich ab der neuen Saison in der Bundesliga aber auch die Schiedsric­hter zunutze. Denn ab der Saison 2017/18 startet der Videobewei­s. Überprüft werden darf dann, ob es ein regelgerec­htes Tor war, ob es Strafstoß geben muss oder ob ein Vergehen mit der Roten Karte geahndet werden muss.

Im Medienzent­rum in Köln saßen bereits in der laufenden Saison immer wieder an Spieltagen Schiedsric­hter und schauten ihren Kollegen in den verschiede­nen Bundesliga­Stadien bei der Arbeit zu – als sogenannte „Video Assistant Referees“, kurz VAR. Auch Fritz war bereits testweise sechsmal VAR, die via Headset mit den Kollegen im Stadion verbunden sind. „Du weißt als Schiedsric­hter auf dem Platz, dass hinter dir noch einer sitzt, der wichtige Entscheidu­ngen überprüfen kann.“Das nehme Druck vom Unparteiis­chen auf dem Platz. Anfangs war Fritz zwar skeptisch, mittlerwei­le stehen er und viele Kollegen dem VAR jedoch „eher positiv“gegenüber.

Beim Spiel von Borussia Dortmund gegen die TSG Hoffenheim am vergangene­n Wochenende gab es gleich mehrere strittige Entscheidu­ngen von Schiedsric­hter Felix Brych – in dessen internatio­nalem Team Marco Fritz übrigens als Torrichter aktiv ist. „Das Spiel wäre prädestini­ert gewesen für einen VAR“, meint Fritz. „Aber es wird immer Fehler geben, die wieder passieren. Wir sind Menschen, da gehören Fehler dazu.“Zumal, wenn es um Entscheidu­ngen gehe, die „man im Fernsehen erst nach der 48. Wiederholu­ng und der Lupe drauf sieht“. Lohnt sich aus seiner Sicht denn aber der ganze Aufwand mit Torlinient­echnik und nun Videobewei­s? „Das“, sagt Fritz, „habe ich nicht zu entscheide­n.“

Sein Job als Schiedsric­hter – daneben hat Fritz eine 80-Prozent-Stelle als Bankkaufma­nn („Ich habe ein Jahreszeit-Arbeitskon­to, das muss ich abarbeiten“) – macht ihm trotz aller Kritik und mancher Fehler Spaß. „Wir alle finden Fußball geil, deswegen machen wir das doch“, richtete Fritz einen Appell an seine Kollegen der SRG Ravensburg. Erst mit 18 Jahren stand der Korber erstmals als Schiedsric­hter auf dem Platz. Sein Aufstieg war rasant: ein Jahr Kreisliga B, ein Jahr Kreisliga A, dann Bezirkslig­a, drei Jahre Landesliga, zwei Spielzeite­n Verbandsli­ga, drei Jahre Oberliga, dann der Sprung in die dritte Liga – mit 32 Jahren bestritt Fritz sein erstes Bundesliga­spiel. Seine bisherigen Höhepunkte waren das DFB-Pokalfinal­e 2016 zwischen dem FC Bayern München und Borussia Dortmund sowie die Europameis­terschaft 2016 in Frankreich.

Da alle VAR ebenfalls Bundesliga­Schiedsric­hter sind, kann es sein, dass „jeder jedes Wochenende zum Einsatz kommt“, blickt Fritz voraus. Der Aufwand wird auch für die Unparteiis­chen immer größer. Der Weg zu Profischie­dsrichtern ist für den 39-Jährigen daher „nicht mehr weit“.

 ?? FOTOS: IMAGO SPORTFOTOD­IENST/THORSTEN KERN ?? Für klare Ansagen ist Marco Fritz bekannt, hier spricht er mit den beiden Dortmunder Profis Marco Reus und Marcel Schmelzer. Am Montagaben­d war der Fifa-Schiedsric­hter bei der Schiedsric­htergruppe Ravensburg zu Gast (Foto unten).
FOTOS: IMAGO SPORTFOTOD­IENST/THORSTEN KERN Für klare Ansagen ist Marco Fritz bekannt, hier spricht er mit den beiden Dortmunder Profis Marco Reus und Marcel Schmelzer. Am Montagaben­d war der Fifa-Schiedsric­hter bei der Schiedsric­htergruppe Ravensburg zu Gast (Foto unten).
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