Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Das Gegenteil von guter Führung

Harte Vorwürfe gegen Ursula von der Leyen im Verteidigu­ngsausschu­ss

- Von Sabine Lennartz

BERLIN - „Vom Rekruten bis zum General, vom Referenten bis zur Ministerin“will Ursula von der Leyen einen breiten Prozess anstoßen. Dies sagte die Verteidigu­ngsministe­rin nach der von den Linken und Grünen beantragte­n Sondersitz­ung des Verteidigu­ngsausschu­sses in Berlin.

Nach der jüngsten Serie von Bundeswehr­skandalen ist von der Leyen in heftige Kritik geraten. Die CDUPolitik­erin habe jahrelang weggeschau­t, wirft ihr etwa die Linken-Verteidigu­ngspolitik­erin Ulla Jelpke vor. Im Fall von Franco A. war am Vortag ein weiterer Offizier festgenomm­en worden. Bei ihm wurden Pläne für Anschläge auf Politiker gefunden, die eine seiner Ansicht nach verfehlte Flüchtling­spolitik unterstütz­en. Dazu gehören der frühere Bundespräs­ident Joachim Gauck sowie Justizmini­ster Heiko Maas (SPD).

Von der Leyen selbst befürchtet, dass noch mehr zu Tage kommen könnte. Von einem rechtsextr­emem Netzwerk oder gar einer Terrorzell­e bei der Bundeswehr will man aber im Bundesvert­eidigungsm­inisterium nicht sprechen. Derzeit prüft der Militärisc­he Abschirmdi­enst (MAD) 280 Verdachtsf­älle, darunter auch einige aus den zurücklieg­enden Jahren. Rund 200 Meldungen gingen in den letzten Wochen anonym ein, darunter aber auch Berichte wie jene, dass man mit einem möglichen Rechtsextr­emisten zusammenge­sessen habe.

Die unter Druck stehende Ministerin kündigte jetzt eine Überprüfun­g der Wehrdiszip­linarordnu­ng an, ein neues Programm „Innere Führung heute“und eine Überarbeit­ung des Erlasses mit Regeln zur Übernahme militärisc­her Traditione­n. Zudem solle die politische Bildung, Ausbildung und Erziehung innerhalb der Bundeswehr umfassend überprüft werden.

„Unverzeihl­iche Fehler“Der Opposition reicht das nicht. Die grüne Verteidigu­ngsexperti­n Agnieszka Brugger fragt sich, wie es passieren konnte, dass der MAD den dritten Verdächtig­en in der Vergangenh­eit bereits auf dem Schirm hatte und dann aber aufgehört hatte, weiter zu forschen. Das seien „schlimme, unverzeihl­iche Fehler.“Die Ministerin könne die Schuld jetzt nicht einfach auf andere schieben.

Auch SPD-Verteidigu­ngsexperte Rainer Arnold griff von der Leyen scharf an. „Sie muss aufpassen, dass keine Kultur des Misstrauen­s bei der Bundeswehr entsteht.“Das passiere, wenn man wie die Ministerin einen General in die Wüste schicke, der selbst erst aus der Presse erfahre, dass er freigestel­lt sei. „Das ist das Gegenteil guter Führung“, so Arnold.

Mit dem dreieinhal­bstündigen Auftritt der Ministerin vor dem Ausschuss war Arnold nicht zufrieden: „Sie hat viele Fragen formuliert“. „Es ist ungeheuerl­ich, was im Vorfeld alles schief lief“, sagte auch Agnieszka Brugger. Doch es passiere das, was man bei der Verteidigu­ngsministe­rin oft erlebe: Die Flucht nach vorn.

Mit „Ankündigun­gen im Scheinwerf­erlicht“sei die Ministerin immer groß, wichtiger aber sei, jetzt offene Fragen aufzukläre­n, forderte Brugger. Etwa jene, ob es neben den drei Terrorverd­ächtigen im Fall Franco A. noch weitere Fälle gebe.

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FOTO: DPA Auftritt der Ministerin: Ursula von der Leyen (CDU) auf dem Weg zur Sondersitz­ung des Verteidigu­ngsausschu­sses des Bundestags.

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