Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Wahrheitskommission will Franco-Verbrechen aufarbeiten
ehr als 40 Jahre nach dem Ende der Franco-Diktatur unternimmt Spanien einen Anlauf, um die Wahrheit über die schweren Verbrechen des Rechtsregimes zu erfahren. Im Parlament in Madrid zeichnet sich eine Mehrheit für die Einsetzung einer Wahrheitskommission ab, welche die dunkle Vergangenheit Spaniens untersuchen soll – am Donnerstag soll abgestimmt werden. Bis heute ist das Verschwinden von mehr als 100 000 Regimegegnern und die Verschleppung von 30 000 Babys oppositioneller Mütter nicht aufgeklärt worden.
Die in Spanien seit 2011 regierenden Konservativen blockieren seit Jahren die Aufarbeitung der FrancoUntaten. General Francisco Franco, der nach einem Putsch gegen die Republik-Regierung und nach seinem Sieg im Bürgerkrieg (1936-1939) an die Macht kam, schrieb während seiner bis 1975 dauernden Herrschaft eines der schwärzesten Kapitel der nationalen Geschichte. Die linke Opposition war unter Franco systematisch verfolgt worden: Politische Morde und Folter waren an der Tagesordnung, Hunderttausende wurden in Arbeitslager und Gefängnisse gesteckt. Rund 650 000 Republik-Anhänger flüchteten ins Ausland.
Amnesty International und das UN-Menschenrechtskomitee fordern, die Franco-Zeit aufzuarbeiten. Der Entschließungsantrag im Parlament gilt deswegen als historischer Schritt. Obwohl es wohl zunächst ein symbolischer Schritt bleiben wird: Die Initiative, die von den Sozialisten, der Protestpartei Podemos, der bürgerlichen Bewegung Ciudadanos und den baskischen sowie katalanischen Regionalparteien gestützt wird, ist für die Regierung nicht bindend. Ministerpräsident Mariano Rajoy ist gegen ein Aufrollen der Vergangenheit, weil er keine alten Wunden aufreißen will. Er verweist zudem auf eine Generalamnestie für die Franco-Täter aus dem Jahr 1977.
Der Antrag, mit dem die Regierung zum Handeln gedrängt wird, enthält zahlreiche Forderungen: Die Gründung einer Wahrheitskommission, die Annullierung politischer Urteile gegen Oppositionelle, das Verbot rechtsradikaler Organisationen, die die Unrechtsherrschaft verherrlichen dürfen. Schließlich die Entfernung franquistischer Symbole von Gebäuden und die Eliminierung von Straßennamen, welche Franco und seine Schergen ehren.
Das gigantische Franco-Monument vor den Toren der Hauptstadt Madrid im „Tal der Gefallenen“möchte man in ein Mahnmal für die Versöhnung verwandeln. Annähernd ein halbe Million Menschen waren im Krieg umgekommen. Bisher befindet sich hier in einer Basilika Francos Grab. Es gilt als Pilgerort für Nazis aus ganz Europa. Über dem Diktatur-Monument thront ein fast 150 Meter hohes Granitkreuz. Die Instandhaltung des Franco-Mausoleums wird vom spanischen Staat aus einem Topf zur Erhaltung „nationaler Kulturgüter“finanziert.