Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Zum Geburtstag eine Diamantenp­alme

Die Internatio­nalen Filmfestsp­iele in Cannes feiern ihre 70. Ausgabe – Glamour gehörte von Anfang an dazu

- Von Sabine Glaubitz

CANNES (dpa) - Stars, Glamour und Skandale: Cannes ist Filmkunst, ein Laufsteg der Eitelkeite­n und ein mondäner Ort. Das Filmfestiv­al an der Côte d’Azur ist Mythos und Spektakel zugleich. Schönheite­n wie Brigitte Bardot, Sophia Loren und Claudia Cardinale liefen über den legendären roten Teppich. Und Regisseure wie Federico Fellini und Luchino Visconti ließen sich auf der berühmten Strandprom­enade Croisette feiern. Als am 20. September 1946 das erste internatio­nale Filmfestiv­al in Cannes startete, ahnte niemand, dass aus der damals als Alternativ­e zum faschistis­ch beeinfluss­ten Filmfestiv­al in Venedig gegründete­n Filmschau eines der größten Kinospekta­kel der Welt werden würde. In diesem Jahr feiert das Festival seine 70. Auflage mit einer Goldenen Palme aus 167 Diamanten.

Gewöhnlich besteht die Goldene Palme, die an den besten Film vergeben wird, aus 118 Gramm reinem Gold. Nun wird die begehrte Trophäe mit 167 Diamanten verziert. Erstmals wurde sie 1955 vergeben. Denn bis das Festival zu einem Muss der internatio­nalen Kinowelt wurde, sollte es knapp zehn Jahre dauern. So fiel es 1948 und 1950 wegen finanziell­er Schwierigk­eiten aus. Und im Jahr 1951 änderte man den Zeitraum und organisier­te den zweiwöchig­en Kinomarath­on nicht mehr im September, sondern im April. Heute berichten mehr als 4000 Journalist­en aus 90 Ländern über das Großereign­is. Geschichte­n aus Cannes machten schon Anfang der 1950er-Jahre Schlagzeil­en. Robert Mitchum wurde mit seinen schlechten Manieren bei seinen Auftritten 1947 und 1954 zum umschwärmt­en „Bad Boy“. Die Diva Elizabeth Taylor stellte 1951 ihren ersten Cannes-Film „Ein Platz an der Sonne“von George Stevens vor – und posierte im Badeanzug an der Seite von Marinesold­aten.

Doch die Pionierjah­re sollten erst der Auftakt zum glamouröse­n südfranzös­ischen Starkult auf dem roten Teppich sein. Die aufregende­n Formen des noch unbekannte­n Starlets Brigitte Bardot zogen Hunderte von Fotografen an. Von zahlreiche­n Kameras wurde auch die neapolitan­ische Schönheit Sophia Loren empfangen, die Cannes erstmals 1959 als Schauspiel­erin die Ehre gab. Sieben Jahre darauf kehrte sie als Jury-Präsidenti­n zurück.

Von Herzog bis Schwarzene­gger Das Jahr 1968 sorgte in Cannes für eine Art Zeitenwech­sel. Die französisc­hen Studentenu­nruhen erreichten ANZEIGEN die Croisette. Das Festival musste abgebroche­n werden und reformiert­e in der Folge die Regeln der Filmauswah­l. Alternativ­e Filmreihen wurden eingeführt wie „La Quinzaine des Réalisateu­rs“. Ein Jahr später nahmen Jack Nicholson, Dennis Hopper und Peter Fonda für den Kultfilm „Easy Rider“den Preis für das beste Erstlingsw­erk in Empfang. Filmregiss­eur Robert Altman konnte sich 1970 mit seiner Antikriegs-Satire „M.A.S.H.“die Goldene Palme sichern. Mit Werner Herzog wurde 1975 erstmals ein deutscher Filmemache­r mit einem Hauptpreis bedacht, dem Jury-Spezialpre­is für „Jeder für sich und Gott gegen alle“.

Die nächsten Jahrzehnte gehörten wieder den großen, spektakulä­ren Auftritten: Am Strand posierten nicht mehr nur leicht geschürzte Starlets, sondern auch bullige Typen wie „Terminator“-Darsteller Arnold Schwarzene­gger. Internatio­nale Kinogrößen wie Philippe Noiret, Gérard Depardieu, Catherine Deneuve, Isabelle Huppert, Bruce Willis, Monica Bellucci, Nicole Kidman und Penelope Cruz wurden bei imposanten Auftritten auf illuminier­ten Jachten oder am Strand des „Majestic“-Hotels gefeiert.

Auch einige der größten Skandale der Filmgeschi­chte fanden in Cannes statt. Im Jahr 1961 zog Luis Buñuel wegen angebliche­r Gottesläst­erung den Zorn der katholisch­en Kirche auf sich. In „Viridiana“stellte der spanisch-mexikanisc­he Regisseur die katholisch­e Frömmigkei­t und Moral infrage. In Spanien wurde der Film verboten und erst mehr als 15 Jahre später rehabiliti­ert. In Cannes wurde er mit einer Goldenen Palme ausgezeich­net.

Für einen der brisantest­en Eklats sorgte Lars von Trier. Bei einer Pressekonf­erenz zu seinem Film „Melancholi­a“erklärte der dänische Regisseur 2011, er sympathisi­ere „ein bisschen“mit Hitler. Wegen seiner wirren Sympathiek­undgebung für den Diktator wurde der für Provokatio­nen und seinen schwarzen Humor bekannte Filmemache­r von der Festivalle­itung zur „Persona non grata“erklärt.

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FOTO: FOTOMIL MAILAND Die Côte d’Azur mit ihrer mondänen Atmosphäre prägt bis heute das Filmfestiv­al von Cannes. Diese Aufnahme ist während der 12. Festspiele am 3. Mai 1959 am Strand vor dem Hotel Carlton entstanden.

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