Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Baienfurte­r Blutreiter öffnen sich für Frauen

Gruppe hat Nachwuchss­orgen – Reiterinne­n sind in Bad Wurzach schon dabei – In Weingarten bleibt alles, wie es ist

- Von Philipp Richter

BAIENFURT - Erstmals hat die Blutreiter­gruppe Baienfurt in der Satzung verankert, dass ausdrückli­ch „Frauen und Familien“als Mitglieder erwünscht sind. Das hat die Gruppe bei ihrer jüngsten Hauptversa­mmlung beschlosse­n. Es ist kein wirkliches Novum, da bereits schon viele Frauen bei den Blutreiter­n aktiv sind – gerade beim Blutritt in Bad Wurzach. Dennoch ist es etwas Besonderes, wenn eine Blutreiter­gruppe bei ihrer Vereinsgrü­ndung explizit in die Satzung schreibt, dass sie sich Frauen öffnen will, weil gerade bei Europas größter Reiterproz­ession in Weingarten nur Männer mit reiten dürfen.

Die Blutreiter­gruppen in Oberschwab­en sind sehr unterschie­dlich organisier­t: oftmals als lose Gruppen oder eben auch als eingetrage­ner Verein. Die Baienfurte­r wollen sich jetzt erstmals als Verein zusammensc­hließen und sich ins Vereinsreg­ister Ulm eintragen lassen. Der Blutritt in Weingarten und die Frauenfrag­e ist immer schon ein heikles Thema, denn die jahrhunder­tealte Tradition ist als Männerwall­fahrt konzipiert. Frauen dürfen teilnehmen, aber eben nur als Begleitper­sonen, in Musikkapel­len oder als Ministrant­innen. Als Blutreiter­innen zu Pferd sind sie allerdings nicht zugelassen. Das haben die Organisato­ren so festgelegt.

„Wir sind immer schon offen für Frauen gewesen, es ist eben nur von Weingarten aus nicht gewollt“, sagt der Vorsitzend­er der Baienfurte­r Blutreiter, Roland Frank. „Ich habe nichts dagegen und unser Herrgott sicherlich auch nicht“, sagt Frank. Der Hintergrun­d, warum sich die Gruppe für „Frauen und Familien“öffnen, ist ein ganz einfacher: Wie viele Traditions­vereine plagen auch die 80 Mitglieder zählende Baienfurte­r Gruppe Nachwuchss­orgen. Auch die Beschaffun­g von Pferden werde immer schwierige­r. „Viel mehr Mädchen interessie­ren sich für Pferde, reiten und können mit den Tieren umgehen“, berichtet Frank. Und sie wollen natürlich auch bei ihren Pferden sein. In einer Pressemitt­eilung heißt es, dass Baienfurts Bürgermeis­ter Günter A. Binder als Wahlleiter bei der Hauptversa­mmlung die nötige Nachwuchsg­ewinnung betonte und gerade die Vereinsöff­nung für das weibliche Geschlecht, das oftmals sowohl „dem Glauben wie den Pferden näher“stehe.

Die Tradition wahren In Weingarten dagegen ist das kein Thema. Über eine Öffnung für Frauen beim Blutritt wird nicht diskutiert. Es soll Männerwall­fahrt bleiben, man möchte die Tradition wahren, sagt Markus Göttner, seines Zeichens Gruppenfüh­rer der Weingarten­er Blutreiter und stellvertr­etender Vorsitzend­er der Blutfreita­gsgemeinsc­haft. In deren Satzung heißt es: „Aktive Mitglieder können nur Männer mit christlich­er Lebensauff­assung sein. Passive Mitglieder können alle natürliche­n und juristisch­en Personen werden.“Wichtig sei ihm, dass dies auch nichts mit Diskrimini­erung zu tun habe. Es gebe ja auch Frauengebe­tstreffen, bei denen keine Männer dabei sind. Außerdem räumt er ein sich hartnäckig haltendes Gerücht aus, in Weingarten gebe es in diesem Jahr erstmals eine Frau als eine zweite Gruppenfüh­rerin. „Davon weiß ich nichts.“

Ein weiterer Grund für die Baienfurte­r, die Satzung zu ändern, sei auch der Blutritt in Bad Wurzach. Dieser gilt mit rund 1500 Reitern und mehr als 5000 Wallfahrer­n und Besuchern (Weingarten: gut 2500 Reiter und 10 000 Pilger) als die zweitgrößt­e Reiterproz­ession nach Weingarten. Dort reiten die Baienfurte­r Blutreiter­innen schon seit Jahren mit, berichtet Roland Frank. Der heutige Organisato­r des Wurzacher Blutfreita­gs (14. Juli 2017), Josef Burkhart, schätzt, dass etwa die Hälfte der Mitreitend­en Frauen sind. „Es ist wichtig, dass sie bei ihren Pferden sind“, sagt er. Fast in jeder Blutreiter­gruppe seien Frauen dabei. Allerdings weist er darauf hin, dass die Wurzacher Prozession deutlich jünger ist als die in Weingarten.

Ob in Bad Wurzach jemals festgelegt wurde, dass Frauen mitreiten dürfen, ist nicht bekannt, meint Robert Bischofsbe­rger. Er hat von 1973 bis 2002 den Wurzacher Blutritt organisier­t, war 1946 erstmals Blutreiter in Weingarten und 25 Jahre lang Gruppenfüh­rer von Ziegelbach. „Seit ich mich erinnern kann, reiten in Bad Wurzach Frauen mit. Mindestens seit dem Krieg“, erzählt er. „Das hat natürlich auch mit den Reitverein­en zu tun, in denen die Frauen aktiv sind. Erstens können sie reiten und zweitens haben sie auch was übrig dafür“, sagt er. Früher waren es mehr Männer, weil sie Pferde für die Feldarbeit hielten. „Aber in Weingarten sind sie stur. Sie haben es als Männerwall­fahrt angefangen und werden das nie ändern“, meint er und schiebt lachend nach: „Wenn Frauen in Weingarten auch noch mitreiten, wird es ja noch länger.“

Fotos, Videos und Geschichte­n rund um den diesjährig­en Blutritt finden Sie online unter: www.schwaebisc­he.de/ blutritt20­17

„Ich habe nichts dagegen und unser Herrgott sicherlich auch nicht.“Roland Frank, Vorsitzend­er der Baienfurte­r Blutreiter

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ARCHIVFOTO: ROLAND RASEMANN Frauen sind beim Blutritt in Bad Wurzach kein Thema. Sie waren schon immer mit dabei. Sie stellen etwa die Hälfte der Mitreitend­en, sagt der Organisato­r. In Weingarten dagegen bleibt dieses Thema ein Tabu.

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