Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Baienfurter Blutreiter öffnen sich für Frauen
Gruppe hat Nachwuchssorgen – Reiterinnen sind in Bad Wurzach schon dabei – In Weingarten bleibt alles, wie es ist
BAIENFURT - Erstmals hat die Blutreitergruppe Baienfurt in der Satzung verankert, dass ausdrücklich „Frauen und Familien“als Mitglieder erwünscht sind. Das hat die Gruppe bei ihrer jüngsten Hauptversammlung beschlossen. Es ist kein wirkliches Novum, da bereits schon viele Frauen bei den Blutreitern aktiv sind – gerade beim Blutritt in Bad Wurzach. Dennoch ist es etwas Besonderes, wenn eine Blutreitergruppe bei ihrer Vereinsgründung explizit in die Satzung schreibt, dass sie sich Frauen öffnen will, weil gerade bei Europas größter Reiterprozession in Weingarten nur Männer mit reiten dürfen.
Die Blutreitergruppen in Oberschwaben sind sehr unterschiedlich organisiert: oftmals als lose Gruppen oder eben auch als eingetragener Verein. Die Baienfurter wollen sich jetzt erstmals als Verein zusammenschließen und sich ins Vereinsregister Ulm eintragen lassen. Der Blutritt in Weingarten und die Frauenfrage ist immer schon ein heikles Thema, denn die jahrhundertealte Tradition ist als Männerwallfahrt konzipiert. Frauen dürfen teilnehmen, aber eben nur als Begleitpersonen, in Musikkapellen oder als Ministrantinnen. Als Blutreiterinnen zu Pferd sind sie allerdings nicht zugelassen. Das haben die Organisatoren so festgelegt.
„Wir sind immer schon offen für Frauen gewesen, es ist eben nur von Weingarten aus nicht gewollt“, sagt der Vorsitzender der Baienfurter Blutreiter, Roland Frank. „Ich habe nichts dagegen und unser Herrgott sicherlich auch nicht“, sagt Frank. Der Hintergrund, warum sich die Gruppe für „Frauen und Familien“öffnen, ist ein ganz einfacher: Wie viele Traditionsvereine plagen auch die 80 Mitglieder zählende Baienfurter Gruppe Nachwuchssorgen. Auch die Beschaffung von Pferden werde immer schwieriger. „Viel mehr Mädchen interessieren sich für Pferde, reiten und können mit den Tieren umgehen“, berichtet Frank. Und sie wollen natürlich auch bei ihren Pferden sein. In einer Pressemitteilung heißt es, dass Baienfurts Bürgermeister Günter A. Binder als Wahlleiter bei der Hauptversammlung die nötige Nachwuchsgewinnung betonte und gerade die Vereinsöffnung für das weibliche Geschlecht, das oftmals sowohl „dem Glauben wie den Pferden näher“stehe.
Die Tradition wahren In Weingarten dagegen ist das kein Thema. Über eine Öffnung für Frauen beim Blutritt wird nicht diskutiert. Es soll Männerwallfahrt bleiben, man möchte die Tradition wahren, sagt Markus Göttner, seines Zeichens Gruppenführer der Weingartener Blutreiter und stellvertretender Vorsitzender der Blutfreitagsgemeinschaft. In deren Satzung heißt es: „Aktive Mitglieder können nur Männer mit christlicher Lebensauffassung sein. Passive Mitglieder können alle natürlichen und juristischen Personen werden.“Wichtig sei ihm, dass dies auch nichts mit Diskriminierung zu tun habe. Es gebe ja auch Frauengebetstreffen, bei denen keine Männer dabei sind. Außerdem räumt er ein sich hartnäckig haltendes Gerücht aus, in Weingarten gebe es in diesem Jahr erstmals eine Frau als eine zweite Gruppenführerin. „Davon weiß ich nichts.“
Ein weiterer Grund für die Baienfurter, die Satzung zu ändern, sei auch der Blutritt in Bad Wurzach. Dieser gilt mit rund 1500 Reitern und mehr als 5000 Wallfahrern und Besuchern (Weingarten: gut 2500 Reiter und 10 000 Pilger) als die zweitgrößte Reiterprozession nach Weingarten. Dort reiten die Baienfurter Blutreiterinnen schon seit Jahren mit, berichtet Roland Frank. Der heutige Organisator des Wurzacher Blutfreitags (14. Juli 2017), Josef Burkhart, schätzt, dass etwa die Hälfte der Mitreitenden Frauen sind. „Es ist wichtig, dass sie bei ihren Pferden sind“, sagt er. Fast in jeder Blutreitergruppe seien Frauen dabei. Allerdings weist er darauf hin, dass die Wurzacher Prozession deutlich jünger ist als die in Weingarten.
Ob in Bad Wurzach jemals festgelegt wurde, dass Frauen mitreiten dürfen, ist nicht bekannt, meint Robert Bischofsberger. Er hat von 1973 bis 2002 den Wurzacher Blutritt organisiert, war 1946 erstmals Blutreiter in Weingarten und 25 Jahre lang Gruppenführer von Ziegelbach. „Seit ich mich erinnern kann, reiten in Bad Wurzach Frauen mit. Mindestens seit dem Krieg“, erzählt er. „Das hat natürlich auch mit den Reitvereinen zu tun, in denen die Frauen aktiv sind. Erstens können sie reiten und zweitens haben sie auch was übrig dafür“, sagt er. Früher waren es mehr Männer, weil sie Pferde für die Feldarbeit hielten. „Aber in Weingarten sind sie stur. Sie haben es als Männerwallfahrt angefangen und werden das nie ändern“, meint er und schiebt lachend nach: „Wenn Frauen in Weingarten auch noch mitreiten, wird es ja noch länger.“
Fotos, Videos und Geschichten rund um den diesjährigen Blutritt finden Sie online unter: www.schwaebische.de/ blutritt2017
„Ich habe nichts dagegen und unser Herrgott sicherlich auch nicht.“Roland Frank, Vorsitzender der Baienfurter Blutreiter