Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Schwester belastet Tatverdächtigen
Mordprozess gegen einen Mann aus Berg wurde am Landgericht Ravensburg fortgesetzt
RAVENSBURG - Am Landgericht Ravensburg ist am Mittwoch der Prozess gegen den 46-jährigen Familienvater aus Berg weitergegangen. Ihm wird vorgeworfen, seine von ihm getrennt lebende Ehefrau im gemeinsamen Haus getötet und anschließend aufwändig ihren Selbstmord inszeniert zu haben. Die Anklage lautet auf Mord. Am Mittwoch sind weitere Zeugen und Gutachter gehört worden. Befragt vom Richter, dem Oberstaatsanwalt, einem forensischen Gutachter, dem Anwalt der Nebenklage, dem Anwaltsgespann des Angeklagten. Und vom Angeklagten selbst.
Offenbar sind die meisten Zuschauer in Sitzungssaal 1 des Landgerichtes nicht zum ersten Mal da, sind umgangssprachlich ausgedrückt „Mehrfachtäter“in der Rolle der Prozessbeoachter und ganz offensichtlich gewohnt, den Angeklagten wie einen Verteidiger sprechen und auftreten zu sehen. Denn als er nach der Mittagspause zum Prozess erscheint, da deutet – bis auf die Fußfesseln – nichts auf einen Angeklagten hin. Der Mann im schwarzen Hemd und passender Hose könnte ebenso gut Jurist sein. Er trägt Aktenordner in den Gerichtssaal, setzt sich lässig zwischen seine beiden Verteidiger und breitet akribisch eng beschriebene Seiten aus. Wie sich im Laufe des Nachmittags herausstellt, hat sich der 46-Jährige selbst an die Durchsicht der Prozessakten gemacht. Und stellt Zeugen wie Gutachern viele Fragen.
Manches Mal wirkt er wie ferngesteuert, stellt Fragen („Ich habe einen ganzen Fragenkatalog“) aus der Sicht eine tatsächlich Unbeteiligten. Als er von der Hausärztin wissen will, ob es beim Opfer Anzeichen von Drogen oder einer Schwangerschaft gegeben habe, da geht ein Ächzen durch die Reihen der Zuschauer. Noch erstaunlicher ist jedoch, dass er weder „Gab es bei meiner Frau Anzeichen einer Schwangerschaft?“formuliert, noch ihren Vornamen nennt. Sondern Vorund Nachnamen benutzt.
Die Fragen kann die langjährige Hausärztin verneinen. Sie betont, dass die Mutter dreier Kinder bei ihrem letzten Besuch in der Praxis „erschöpft“gewesen sei, eine Mutterund-Kind-Kur beantragt habe. „Depressiv ist sie nicht gewesen“, gibt die Medizinerin zu Protokoll. Das bestätigt auch der direkte Nachbar der Familie in einem Teilort von Berg: Sie habe „einen gesunden Eindruck“auf ihn gemacht, selbst nach der Trennung. Dieser Zeuge gibt auch an, die im Laufe der Verhandlungstage bereits mehrfach angeführte Tonaufnahme gehört zu haben, mit der der Angeklagte heimlich Geräusche aufgenommen hat, die seiner Meinung nach eine Sex-Affäre seiner Ehefrau belegen sollten. „Ich habe aber nur Geraschel gehört“, sagt der Nachbar.
„Irgendjemand hat ihm gesagt, das sei ein Porno“, sagt die Schwester des Angeklagten dazu, denn auch ihr und ihrem Mann sei eines späten Abends von ihrem Bruder dieses Band vorgespielt worden. „Er war ganz verbissen“und sei sehr zornig geworden an jenem Abend. Er sei schon immer „der Gscheidschde“gewesen, nie zugänglich für Argumente oder Anregungen. Auch als sie während der turbulenten Trennungsphase in einem „Krisengespräch“gemeinsam mit den anderen Geschwistern zu einer Einigung zu kommen versuchten, sei er „nur schwer zu halten“wutentbrannt und ruppig gewesen. „Wir wollten eine Linie finden, damit das schon wegen der Kinder nicht eskaliert“, erinnert sich die Schwester an das Treffen im Haus des Ehepaares. Er aber habe seine Frau als „Hure“bezeichnet und sei völlig ausgetickt. Ihre Schwägerin schildert sie als „netten Menschen“, die „bis zuletzt völlig normal“gewesen sei. Besorgt um die Kinder und sogar um ihren Mann und darum, er könne sich womöglich etwas antun. Der jedoch sei zum Schluss eiskalt gewesen. „Er wollte sie einfach weghaben, die sollte nach Weissenau“, sagt die Schwester. Auf die Frage des Verteidigers, weshalb sie ihren Bruder nie in der Untersuchungshaft besucht habe, sagt die Schwester: „Für mich ist er einfach schuldig. Es tut mir leid“.
Um weitere Indizien zusammenzutragen, hat das Gericht eine Sachverständige für molekulargenetische Untersuchungen beauftragt, DNASpuren am Strangulationsseil, unter den Fingernägeln und vom Hals des Opfers, eines kleinen Kissens und von den Laken im Ehebett zuzuordnen. Am rechten Daumen, Zeigefinger und Mittelfinger des Opfers haben sich demnach Spuren vom Hautabrieb des Tatverdächtigen feststellen lassen. Es sind keine Sperma- oder Speichelspuren im Ehebett des Opfers nachzuweisen. Und es gebe „keinen Hinweis auf eine fremde Person“.
Die Verhandlung wird heute um 14 Uhr fortgesetzt. Als elfter Verhandlungstag ist dann der kommende Montag anberaumt.