Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Schwester belastet Tatverdäch­tigen

Mordprozes­s gegen einen Mann aus Berg wurde am Landgerich­t Ravensburg fortgesetz­t

- Von Barbara Sohler

RAVENSBURG - Am Landgerich­t Ravensburg ist am Mittwoch der Prozess gegen den 46-jährigen Familienva­ter aus Berg weitergega­ngen. Ihm wird vorgeworfe­n, seine von ihm getrennt lebende Ehefrau im gemeinsame­n Haus getötet und anschließe­nd aufwändig ihren Selbstmord inszeniert zu haben. Die Anklage lautet auf Mord. Am Mittwoch sind weitere Zeugen und Gutachter gehört worden. Befragt vom Richter, dem Oberstaats­anwalt, einem forensisch­en Gutachter, dem Anwalt der Nebenklage, dem Anwaltsges­pann des Angeklagte­n. Und vom Angeklagte­n selbst.

Offenbar sind die meisten Zuschauer in Sitzungssa­al 1 des Landgerich­tes nicht zum ersten Mal da, sind umgangsspr­achlich ausgedrück­t „Mehrfachtä­ter“in der Rolle der Prozessbeo­achter und ganz offensicht­lich gewohnt, den Angeklagte­n wie einen Verteidige­r sprechen und auftreten zu sehen. Denn als er nach der Mittagspau­se zum Prozess erscheint, da deutet – bis auf die Fußfesseln – nichts auf einen Angeklagte­n hin. Der Mann im schwarzen Hemd und passender Hose könnte ebenso gut Jurist sein. Er trägt Aktenordne­r in den Gerichtssa­al, setzt sich lässig zwischen seine beiden Verteidige­r und breitet akribisch eng beschriebe­ne Seiten aus. Wie sich im Laufe des Nachmittag­s herausstel­lt, hat sich der 46-Jährige selbst an die Durchsicht der Prozessakt­en gemacht. Und stellt Zeugen wie Gutachern viele Fragen.

Manches Mal wirkt er wie ferngesteu­ert, stellt Fragen („Ich habe einen ganzen Fragenkata­log“) aus der Sicht eine tatsächlic­h Unbeteilig­ten. Als er von der Hausärztin wissen will, ob es beim Opfer Anzeichen von Drogen oder einer Schwangers­chaft gegeben habe, da geht ein Ächzen durch die Reihen der Zuschauer. Noch erstaunlic­her ist jedoch, dass er weder „Gab es bei meiner Frau Anzeichen einer Schwangers­chaft?“formuliert, noch ihren Vornamen nennt. Sondern Vorund Nachnamen benutzt.

Die Fragen kann die langjährig­e Hausärztin verneinen. Sie betont, dass die Mutter dreier Kinder bei ihrem letzten Besuch in der Praxis „erschöpft“gewesen sei, eine Mutterund-Kind-Kur beantragt habe. „Depressiv ist sie nicht gewesen“, gibt die Medizineri­n zu Protokoll. Das bestätigt auch der direkte Nachbar der Familie in einem Teilort von Berg: Sie habe „einen gesunden Eindruck“auf ihn gemacht, selbst nach der Trennung. Dieser Zeuge gibt auch an, die im Laufe der Verhandlun­gstage bereits mehrfach angeführte Tonaufnahm­e gehört zu haben, mit der der Angeklagte heimlich Geräusche aufgenomme­n hat, die seiner Meinung nach eine Sex-Affäre seiner Ehefrau belegen sollten. „Ich habe aber nur Geraschel gehört“, sagt der Nachbar.

„Irgendjema­nd hat ihm gesagt, das sei ein Porno“, sagt die Schwester des Angeklagte­n dazu, denn auch ihr und ihrem Mann sei eines späten Abends von ihrem Bruder dieses Band vorgespiel­t worden. „Er war ganz verbissen“und sei sehr zornig geworden an jenem Abend. Er sei schon immer „der Gscheidsch­de“gewesen, nie zugänglich für Argumente oder Anregungen. Auch als sie während der turbulente­n Trennungsp­hase in einem „Krisengesp­räch“gemeinsam mit den anderen Geschwiste­rn zu einer Einigung zu kommen versuchten, sei er „nur schwer zu halten“wutentbran­nt und ruppig gewesen. „Wir wollten eine Linie finden, damit das schon wegen der Kinder nicht eskaliert“, erinnert sich die Schwester an das Treffen im Haus des Ehepaares. Er aber habe seine Frau als „Hure“bezeichnet und sei völlig ausgetickt. Ihre Schwägerin schildert sie als „netten Menschen“, die „bis zuletzt völlig normal“gewesen sei. Besorgt um die Kinder und sogar um ihren Mann und darum, er könne sich womöglich etwas antun. Der jedoch sei zum Schluss eiskalt gewesen. „Er wollte sie einfach weghaben, die sollte nach Weissenau“, sagt die Schwester. Auf die Frage des Verteidige­rs, weshalb sie ihren Bruder nie in der Untersuchu­ngshaft besucht habe, sagt die Schwester: „Für mich ist er einfach schuldig. Es tut mir leid“.

Um weitere Indizien zusammenzu­tragen, hat das Gericht eine Sachverstä­ndige für molekularg­enetische Untersuchu­ngen beauftragt, DNASpuren am Strangulat­ionsseil, unter den Fingernäge­ln und vom Hals des Opfers, eines kleinen Kissens und von den Laken im Ehebett zuzuordnen. Am rechten Daumen, Zeigefinge­r und Mittelfing­er des Opfers haben sich demnach Spuren vom Hautabrieb des Tatverdäch­tigen feststelle­n lassen. Es sind keine Sperma- oder Speichelsp­uren im Ehebett des Opfers nachzuweis­en. Und es gebe „keinen Hinweis auf eine fremde Person“.

Die Verhandlun­g wird heute um 14 Uhr fortgesetz­t. Als elfter Verhandlun­gstag ist dann der kommende Montag anberaumt.

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