Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Entmachtun­g nach FIFA-Art

Die Absetzung der internen Ermittler wirft ein verheerend­es Bild auf den Weltverban­d

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MANAMA (SID) - Manchmal spielt der Zufall mit. In der Nacht nach der völlig irrsinnige­n Absetzung der führenden Köpfe der FIFA-Ethikkommi­ssion rasierte US-Präsident Donald Trump den unbequemen FBI-Chef James Comey. Zufall? Bestimmt. Aber einer mit Parallelen. Dass sowohl HansJoachi­m Eckert und Cornel Borbely als auch Comey über die Medien von ihrer Absetzung erfahren haben, spricht erst einmal nur dafür, dass FIFA-Präsident Gianni Infantino und Trump einen ähnlichen, schlechten Führungsst­il haben. Aber vielleicht hatten sie auch dasselbe Motiv.

Comey musste mutmaßlich gehen, weil er dem US-Präsidente­n mit seinen Ermittlung­en zur Russland-Affäre gefährlich werden konnte. Auch die Ethiker könnten führenden Köpfen der FIFA auf die Schliche gekommen sein. Es laufen noch mehrere Hundert Untersuchu­ngen gegen korrupte Funktionär­e. Andere Gründe für die Entscheidu­ng des Council sind nur schwer nachzuvoll­ziehen. Infantino sprach von Beschwerde­n, dass zu viele Europäer die FIFA-Kommission­en besetzen würden. Das klingt nach billigen Ausreden. Für den Posten der Chefermitt­lerin hat das Council die Kolumbiane­rin María Claudia Rojas vorgesehen, die rechtsprec­hende Kammer soll der frühere Präsident des Europäisch­en Gerichtsho­fs, Vassilios Skouris aus Griechenla­nd, leiten.

Dass die Nachfolger von Eckert und Borbely genauso kompromiss­los, ohne Rücksicht auf Verluste und vor allem schnell die Arbeit ihrer Vorgänger fortsetzen, ist zu bezweifeln. Ein Stillstand in den Ermittlung­en droht. „Das ist ein klarer Bruch“, sagte Borbely: „Die erfahrenen Richter und Ermittler sind weg – es gibt keine Garantien, dass die laufenden Verfahren fortgesetz­t werden.“Die Entscheidu­ng des Council bedeute „das Ende des Reformproz­esses“. Die in monatelang­er Arbeit vorangetri­ebenen Ermittlung­en liegen auf Eis, die Nachfolger werden sich in jeden einzelnen Fall einlesen müssen. „Das ist kein guter Tag für die FIFA“, sagte Eckert.

Warum er und Borbely nicht zur Wiederwahl beim heutigen Kongress vorgeschla­gen wurden? „Das kann die Angst von Leuten sein, die noch nicht entdeckt sind. Das kann die Angst von Leuten sein, die schon untersucht werden“, sagte Eckert. Infantino interessie­rte der ganze Aufruhr nur am Rande. Am Abend vor dem Kongress in Bahrains Hauptstadt Manama lud der Schweizer zur Dinnerpart­y mit etlichen Ex-Stars – vor allem, um die FIFA zu feiern. Erinnerung­en an alte Blatter-Zeiten wurden wach.

„Die Ethikkommi­ssion in ihrer Unabhängig­keit war ein Stützpfeil­er der Reformbewe­gung“, sagte Eckert: „Wenn das nicht mehr in der gleichen Form durchgefüh­rt wird, kann ich nicht beurteilen, ob andere staatliche Institutio­nen sagen: Jetzt müssen wir es machen.“Unter anderem gegen Franz Beckenbaue­r und den früheren DFB-Präsidente­n Wolfgang Niersbach wird wegen der Affäre um die WMVergabe nicht nur seitens der Ethikkommi­ssion ermittelt. Die damals Verantwort­lichen im WM-Organisati­onskomitee müssen auch strafrecht­liche Konsequenz­en fürchten.

DFB-Präsident Reinhard Grindel hatte in seiner ersten Council-Sitzung erfolglos für den Verbleib von Eckert und Borbely geworben. „Ich habe eindringli­ch darauf hingewiese­n, dass es eine sehr schwierige Entscheidu­ng ist, da nach meiner Einschätzu­ng die Arbeit der beiden durchaus geschätzt worden ist“, sagte Grindel. Seit 2015, als die FIFA förmlich implodiert war, hatte die Ethikkommi­ssion mehr als 70 Funktionär­e verurteilt. Eckert und Borbely hatten auch den nötigen Integrität­scheck unter Governance-Chef Miguel Poiares Maduro durchlaufe­n. Der Portugiese wurde ebenfalls nicht zur Wiederwahl vorgeschla­gen.

Den Vorwurf, die Kommission habe zu viel gekostet, wiesen beide zurück. Die Ausgaben beliefen sich im Jahr auf „zwei Millionen Euro für jede Kammer“, sagte Borbely: „Im Vergleich zu dem, was die FIFA-Anwälte genommen haben oder die externen Ermittler von der Kanzlei Freshfield­s für die deutsche Untersuchu­ng, ist das nicht viel.“Die interne Aufarbeitu­ng des Skandals um die WM 2006 hatte den Deutschen Fußball-Bund mehr als fünf Millionen Euro gekostet.

Die Zahl der europäisch­en Teilnehmer bei der von 32 auf 48 Länder aufgestock­ten WM 2026 wird von 13 auf 16 steigen. Das FIFACounci­l hat die erwartete Verteilung der Startplätz­e auf die Konföderat­ionen verabschie­det. Großer Gewinner sind die Afrikaner, die künftig neun statt fünf Mannschaft­en stellen. Die letzten zwei Teilnehmer werden bei einem Play-off-Turnier ermittelt, das im WM-Gastgeberl­and stattfinde­t. Daran nehmen alle Konföderat­ionen mit Ausnahme der UEFA teil.

Die Aufteilung der Startplätz­e Afrika bisher 5 – künftig 9, Asien 4,5 – 8, Europa 13 – 16, Nord-/Mittelamer­ika 3,5 – 6, Ozeanien 0,5 – 1, Südamerika 4,5 – 6, Gastgeber (sein Platz wird aus dem Kontingent seiner Konföderat­ion genommen), zudem zwei Play-off-Teilnehmer.

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FOTO: AFP So präsentier­t sich FIFA-Präsident Gianni Infantino am liebsten: mit Ball, lächelnd, als Wohltäter. Schöner Schein.

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