Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Zwischen Aufräumaktionen und Aktionismus
Von der Leyen gibt „Nulllinie“bei Kriegsdevotionalien vor – Umbennung von Kasernen in der Diskussion
BERLIN - Die Aufklärung ist mühsam. Bei der Sitzung des Verteidigungsausschusses in Berlin gibt es zwei große Fragen: Was hat die Durchsuchung der Stuben erbracht und müssen Kasernen umbenannt werden, die noch Namen von Wehrmachtshelden tragen?
Beide Fragen beantwortet Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) nicht klar. Es ist der SPD-Verteidigungsexperte Rainer Arnold, der von 41 Fundstücken spricht, vom Modellflugzeug bis zur Medaille. Für die Linke Christine Buchholz ist diese Zahl ohnehin nicht aussagekräftig: Wenn man zwei Wochen vorher Durchsuchungen ankündige, dann bliebe natürlich wenig übrig. Von der Leyen sagte, sie strebe eine „Nulllinie“bei der Ausstellung von Wehrmachtsdevotionalien an.
Die grüne Verteidigungsexpertin Agnieszka Brugger sagt, mit jeder Woche werde die Liste des Komplettversagens im Umgang mit Rechtsextremen länger. Es gebe den NSU-Ausschuss, den Bericht des Wehrbeauftragten, die Debatte um problematische Kasernennamen – all das habe die Verteidigungsministerin aber nicht ernst genommen.
Ursula von der Leyen ist vor dem Ausschuss und im Bundestag bemüht, den Eindruck zu korrigieren, sie stelle die Bundeswehr unter Generalverdacht. „Tausende von Soldaten machen tagtäglich einen hervorragenden Dienst.“Doch ein Mann wie Franco A. habe in der Bundeswehr nichts verloren. Und es sei „ein klares Versäumnis“, dass 2013 der Militärische Abschirmdienst (MAD) nicht über dessen Masterarbeit informiert worden sei. Auch ein mit Devotionalien ausgeschmückter Aufenthaltsraum wie in Donaueschingen habe bei der Bundeswehr nichts verloren. Das sei aber die Ausnahme.
Was die Umbenennung von Kasernen angeht, so blieb von der Leyen im Ungefähren. Man müsse vor Ort das Gespräch suchen. Der SPDVerteidigungsexperte Rainer Arnold weiß, warum das schwierig wird: „Lokale Ebenen sperren sich gerne.“
Rommel-Kaserne oder nicht? Im Südwesten könnte die RommelKaserne in Dornstadt (Alb-DonauKreis) in die Diskussion um einen neuen Namen kommen. Die Rolle Rommels in der Zeit des Nationalsozialismus ist höchst widersprüchlich. Rommel setzte sich in den 1930er-Jahren wenig mit der NSIdeologie auseinander. Er wurde General, kämpfte im Zweiten Weltkrieg, sodass besonders nach den AfrikaFeldzügen das heutige Bild Rommels als „Wüstenfuchs“entstand. Rommels spätere Einstellung zum Nationalsozialismus sowie sein Verhältnis zur Widerstandsgruppe vom 20. Juli 1944 sind unter Historikern umstritten. Auf Druck Hitlers beging Rommel im Oktober 1944 Suizid.
„Die in der jeweiligen Kaserne stationierten Truppenteile schlagen dem Inspekteur ihrer Teilstreitkraft eine Umbenennung vor“, erklärt Oberstleutnant Hagen Messer, Sprecher des Multinationalen Kommandos Operative Führung in Ulm. Stimmt der Inspekteur zu, so werden die Kommunen und Familien befragt: „Sollte der Vorschlag auf Zustimmung stoßen, geht das Verfahren an den Generalinspekteur und ans Ministerium.“
Die Sigmaringer Graf-Stauffenberg-Kaserne dagegen hätte ihren Namen behalten können: Doch wurde die nach dem Widerstandskämpfer benannte Kaserne nach der im Jahr 2010 beschlossenen grundlegenden Bundeswehrreform geschlossen; dort leben heute Flüchtlinge. Das Gedenken an Graf Stauffenberg werde in der Kaserne, in der eine Offiziersschule beheimatet ist, gepflegt, sagt Messer.
In Pfullendorf ist der Name Generaloberst-von-Fritsch-Kaserne seit 2013 Geschichte. Von Fritsch, der 1938 als Befehlshaber des Heeres wegen angeblicher Homosexualität zunächst abgesetzt und dann rehabilitiert wurde und 1939 in Polen fiel, sei kein Vorbild, hieß es seinerzeit. Die Kaserne heißt heute Staufer-Kaserne. Auch in Immendingen (Landkreis Tuttlingen) hätte es mit Sicherheit Fragen nach der politischen Einstellung des Namensgebers der früheren OberfeldwebelSchreiber-Kaserne gegeben. Schreiber galt wegen seiner Tapferkeit in der Wehrmacht als Vorbild.